
In den 1930er- und 1940er-Jahren waren Weltstars im evangelischen Gemeindehaus in Schweinfurt zu Gast. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus zerstört und nach 1952 wieder aufgebaut.
Wenn in den nächsten Jahren im Evangelischen Gemeindehaus als Ersatzspielstätte für das zu sanierende städtische Theater wieder vermehrt Schauspiel, Komödien, Tanz, Varieté und Konzerte geboten werden, ist dies nicht neu für das 1929 fertiggestellte Haus. Zwischen 1937 bis zu seiner Zerstörung 1944 war es das kulturelle Zentrum Schweinfurts mit Gastspielen international bedeutender Künstler.
Dass dies sehr gut dokumentiert ist, ist dem damaligen Bühnenmeister Wilhelm (Willy) Häring zu verdanken, der bei vielen Aufführungen fotografiert und die Stars um Einträge in sein Gästebuch gebeten hat. Über die Jahre kamen vier Alben im Format von Poesiebüchern zusammen, in die Häring auch Autogrammkarten und Zeichnungen der Gäste eingeklebt hat.

In einem Beitrag für die Schweinfurter Mainleite ist der stellvertretende Vorsitzende des Historischen Vereins, Ernst Petersen, auf Spurensuche gegangen.
Bühnenmeister Wilhelm Häring betreute die Künstlerinnen und Künstler
Häring kam wohl 1937 als Haus- und Bühnenmeister ins Gemeindehaus. Er kümmerte sich auch um die abendlichen Aufführungen, um die Betreuung von Schauspielern, Tänzern und Musikern und sorgte dafür, dass Technik und Beleuchtung klappten. Die Künstler respektierten ihn als "Bühnenmeister", schreibt Petersen.

Unter den Künstlern, die nach Schweinfurt kamen, waren Weltstars wie die Sängerin Lale Andersen, die Pianistin Elly Ney, die Tänzerin Gret Palucca, der Dirigent Karl Böhm, der Geiger Barnabas von Gécy oder die Comedian Harmonists, die freilich unter dem vom Regime verordneten Namen "Meistersextett" auftreten mussten. Mit riesigen Schlappschuhen, Schlabberhose und einer winzigen Gitarre stand der Schweizer Clown "Grock" auf der Bühne. Das Gemeindehaus mit seinen 600 Plätzen war oft restlos überfüllt, berichtet Petersen.
Nach 1933 war die Kirche nicht mehr Herr im eigenen Gemeindehaus. Die NS-Organisation "Kraft durch Freude"(KdF) übernahm die Führung. Dass Stars aus ganz Europa nach Schweinfurt kamen, erklärt Petersen damit, dass das NS-Regime Deutschland zu einer "Wohlfühldiktatur" machen wollte. Nicht nur der Urlaub, auch der Feierabend sollte mit einer Kultur der NS-Ideologie erfüllt sein.
Das Theaterspiel hat in Schweinfurt eine lange Tradition. Erste Aufführungen sind bereits für das 16. Jahrhundert belegt. Wanderbühnen gastierten im 17. und 18 Jahrhundert in verschiedenen Gasthöfen. Die ersten Aufführungen durch das Gymnasium fanden auf dem Tanzboden des Rathauses statt. 1858 wurde eine Halle, die Jens Sattler für die freireligiöse Gemeinde am Schillerplatz gebaut hatte, zum Theater. Theater gab es auch im Saalbau Meyer und verschiedenen Gasthäusern. Die Bühnen boten Raum auch für Bälle, Auftritte des Liederkranzes und für politische Kundgebungen.
Bombenangriffe zerstörten die Spielstätte
Die drei bedeutendsten Spielstätten wurden im Zweiten Weltkrieg durch die Bombenangriffe zerstört. Der Pfarrer der Gustav-Adolf-Kirche Heinrich Schorn nannte das Gemeindehaus einen "Trümmerhaufen".

Erst 1952 ging es an den Wiederaufbau. 1954 wurde es wiedereröffnet. Die Bühne erheblich vergrößert.
Bis zur Eröffnung des heutigen Theaters am 1. Dezember 1966 mit der "Hochzeit des Figaro" von der Bayerischen Staatsoper waren auch die Stadthalle, das Naturfreundehaus, das Evangelische Gemeindehaus und die Rathausdiele Spielstätten.
1992 wurde das Gemeindehaus für über sieben Millionen D-Mark grundlegend saniert. Damit war die Grundlage dafür geschaffen, dass es unter dem neuen Intendanten Christof Wahlefeld zur Ausweichspielstätte genutzt werden kann. Die Bühne wurde in kürzester Zeit erweitert und der Zuschauerbereich im hinteren Bereich angehoben, er bietet Platz für 400 Besucher.