Mitte April ist die Entscheidung gefallen: Die Marktgemeinde Oberschwarzach ist eines von vier bayernweit ausgewählten Pilotprojekten zur Weinbergsbewässerung. Alle vier Projekte liegen in Franken, drei davon in Unterfranken.
Neben Oberschwarzach zählen Nordheim/Sommerach und Iphofen im Landkreis Kitzingen dazu. Was den zur Auswahl ans Landwirtschaftsministerium eingereichten Oberschwarzacher Entwurf unter den unterfränkischen Kandidaten heraushebt: Er ist der teuerste, und das bei der kleinsten Weinbergsfläche. Doch dafür gibt es gute Gründe.
23 Millionen Euro soll die Bewässerung der vier Weinbergslagen in der Gemeinde Oberschwarzach –Oberschwarzacher Herrenberg, Kammerforster Teufel, Handthaler Stollberg, Wiebelsberger Dachs – kosten. So sieht es laut Bürgermeister Manfred Schötz der "umsetzungsreife" Entwurf der Büros ARZ Ingenieure (Würzburg) und B.T.W. (Büro für Technik und Management, Sulzfeld am Main) vor.
23 Millionen für die rund 120 Hektar Rebflächen in der Gemeinde. Zum Vergleich: In Nordheim/Sommerach sind es 14 Millionen Euro für 615 Hektar, in Iphofen 17 Millionen für 262 Hektar.
Kosten sollen gedrückt werden
Dass es um viel Geld geht, ist dem Oberschwarzacher Bürgermeister klar. Und er sieht die prognostizierten Kosten auch über der Maximalsumme liegen, die das Pilotprojekt vorgibt. Diese beträgt 20 Millionen Euro, von denen der Freistaat die Hälfte übernehmen möchte. Allein deshalb möchten alle Beteiligten die Kosten möglichst noch um mindestens drei Millionen Euro drücken, was nicht unrealistisch ist.
Um die Weinbergsbewässerung wirklich umsetzen zu können, müssen bis spätestens 30. Juni 2022 Voraussetzungen erfüllt sein. Unter anderem verlangt das Ministerium, ein "antragsberechtigter Projektträger" müsse gefunden werden, etwa die Kommune oder ein (noch zu gründender) Wasserbeschaffungsverband. Zudem müssten sich alle betroffenen Weinbergsbesitzenden bzw. Traubenerzeugenden auf das Projekt geeinigt und die Finanzierung festgezurrt haben.
Keine kleinen Hürden, findet auch Andreas Zehner vom Vorstandsteam des Weinbauvereins Markt Oberschwarzach. Im Oberschwarzacher Bereich bewirtschaften die Weinberge viele kleine Winzer und Traubenerzeuger. Dem Kleinsten gehören gerade einmal zwei Zeilen eines Wengerts, sagt Zehner. Bei solchen "Betriebsgrößen" ist jede zusätzliche Investition ein Wagnis. Dennoch hofft Zehner, am Ende möglichst viele zu überzeugen, sich an einem Boden- und Beregnungsverband – oder wie auch immer der Verband am Ende heißen mag – zu beteiligen.
Trockenjahre zeigen Handlungsbedarf
Schötz und Zehner sind sich einig, dass Klimawandel und die damit einhergehende zunehmende Trockenheit dem lokalen Weinbau keine ernsthafte Alternative zur Bewässerung lassen. "Ein Drittel Verluste gefährden jeden Betrieb", sagt der Oberschwarzacher Traubenerzeuger Zehner, dem die vergangenen Trockenjahre noch in den Knochen stecken. Der Bürgermeister sieht raschen Handlungsbedarf. Auf gut Fränkisch drückt er es so aus: "Wenn erst alles verdörrt ist, dann macht das keinen Sinn mehr."
Was die im Raum stehende Weinbergsbewässerung in Oberschwarzach so teuer macht, ist auch der Unterschied zu den Projekten im Landkreis Kitzingen. Diese setzen beide hauptsächlich darauf, dem Main(kanal) während der Wintermonate das Wasser zu entnehmen und zwischenzuspeichern, um damit im trockenen Sommer die Rebstöcke zu bewässern.
Dieses Konzept liegt nahe, fließt der Main an der Mainschleife doch direkt am Fuß der Weinberge vorbei; in Iphofen müsste das Mainwasser immerhin über eine sieben Kilometer lange Leitung herangepumpt werden. Aber das ist immer noch günstiger als die Oberschwarzacher Lösung.
Ökologisches Gleichgewicht im Blick
Der Main ist von Oberschwarzach aus – wirtschaftlich betrachtet – unerreichbar. So wird dort im Prinzip darauf gesetzt, Wasser zu sammeln, das sonst ungenutzt abfließen würde. Grob zusammengefasst sieht das Konzept vor, etwa 60 Prozent des berechneten Wasserbedarfs aus Oberflächenabfluss zu gewinnen, etwa nach Starkregen – Ereignisse, die laut Klimaprognose zahlreicher und heftiger werden.
25 Prozent soll aus Fließgewässern abgeschöpft werden, wenn diese mehr Wasser führen als für die Wahrung des ökologischen Gleichgewichts vor Ort nötig ist. 15 Prozent könnte aus Quellwasserüberschüssen stammen, beispielsweise von der Quelle am Stollberg in Handthal.
Schötz und Zehner sehen in dem Konzept einen doppelten Nutzen: Das für die Weinberge gesammelte Wasser verringert zugleich die Hochwassergefahr entlang der Fließgewässer, weil die erweiterten oder zusätzlich zu schaffenden Reservoirs mehr Wasser aufnehmen könnten als bisher.
So soll beispielsweise am Grundsee südwestlich von Oberschwarzach, Richtung B 22, direkt oberhalb des Ende der 70er Jahre als Hochwasser-Rückhalte-Reservoire angelegten Sees ein zusätzlicher, etwa gleich großer Teich entstehen. Dieser könnte laut Bürgermeister auch einen Badestrand erhalten.
Dessen wichtigste Funktion wäre es aber, Wasser zu sammeln, das aus Richtung Ebrach kommt. Dieses würde dann von dort in ein sogenanntes technisches Becken, ein mit Folie ausgelegtes Bassin, gepumpt. Pumpen drücken es dann in die Tröpfchenbewässerungsanlagen der Weinlagen Kammerforster Teufel und in einen Teil des Oberschwarzacher Herrenbergs.
Zusätzlicher Hochwasserschutz für Oberschwarzach
Ein technisches Becken am Roten Berg zwischen Handthal und Oberschwarzach würde bei erhöhtem Wasserstand Wasser aufnehmen, das sonst im Handthalbach abfließt – und nach Starkregen wie im Jahr 2013 auch Oberschwarzach bedroht. Die Weinlagen Handthaler Stollberg und Oberschwarzacher Roter Berg könnten auch mit gesammelten Regenwasser gegossen werden, das aus den Weinbergen abfließt.
Die drei Handthaler Seen sind im Konzept ebenfalls als Reservoir vorgesehen, zur Bewässerung der Weinberge am Stollberg. Entweder würde hierfür einer der Seen vergrößert oder ein vierter See angelegt, von wo aus das Wasser in ein technisches Becken in den Weinbergen gepumpt würde. Direkten, positiven Einfluss auf die Hochwassergefahr in Handthal hätte die vorgesehene Abzweigung von Wasserspitzen an den Gräben und Rinnen der Waldhänge des Handthalgrunds.
Wenn das Wasser nicht reicht, wird gepumpt
Die Weinlage Wiebelsberger Dachs würde aus zwei technischen Becken bewässert, die in den Weinbergen oberhalb des Seebachs vorgesehen sind. Speisen sollen diese sich aus dem Oberflächenabfluss aus den Weinbergen selbst. Weil dies womöglich nicht ausreicht, ist hier die Möglichkeit vorgesehen, bei Bedarf Wasser aus dem Handthalgrund herüber zu pumpen.
Das Konzept der Weinbergsbewässerung sieht auch vor, den Boden zwischen den Rebzeilen dauerhaft zu begrünen, was die Verdunstung und Bodenerosion verringert. Zudem sollen die Weinberge nicht nur im Sommer tröpfchenbewässert werden, sondern frühzeitig im Jahr. Dies soll dazu beitragen, im Boden Wasser zu speichern.
Andreas Zehner vom Weinbauverein verhehlt nicht, dass es auch andere Ideen gibt, Weinbau trotz wachsender Trockenheit zu betreiben, etwa durch Steigerung des Humusgehalts in den Böden. Doch Bewässerung sei eine sichere Option, den Weinbau in der Region weiter wirtschaftlich zu betreiben. "Nichts machen, das geht nicht." Das ist für ihn sicher, auch weil die hiesige Kulturlandschaft ihr heutiges Gesicht verliert, falls Rebflächen reihenweise absterben und verschwinden würden.
Die Entscheidung, vor der die Gemeinde und Weinbauern jetzt stehen, fasst Bürgermeister Schötz so zusammen: "Letztlich sehen wir in 20 Jahren, ob wir's richtig gemacht haben und was nötig gewesen wäre."