Vor zweieinhalb Jahren ist Citypfarrer Heiko Kuschel vom Verbrenner aufs Elektroauto umgestiegen. Bereut hat er das nie, wie er sagt. Und trotzdem lässt er sein Elektroauto gerne stehen, hat in zweieinhalb Jahren, die er sein E-Auto fährt, gerade mal 20 000 Kilometer auf dem Tacho und fährt von seinem Wohnort Gochsheim aus am liebsten Bus oder Bahn – nicht nur in die Citykirche Schweinfurt. Elektroautos, sagt der Citypfarrer, Öffentlichkeitsreferent und stellvertretender Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanats Schweinfurt, ist nur ein Teil, wie wir Mobilität besser und umweltverträglicher machen können und müssen.
Heiko Kuschel: Absolut aus Überzeugung, dass wir Dinge ändern müssen. Ich habe selbst vier Kinder, wenn ich mir anschaue, wo wir so hinkommen, dann müssen wir viel tun. Da ist das E-Auto wirklich nur ein kleiner Beitrag von vielen. Ich gucke ganz deutlich darauf, so wenig Auto wie möglich zu fahren. Alle weiten Dienstreisen grundsätzlich mit der Bahn, geflogen bin ich sowieso nur ein einziges Mal in den letzten 25 Jahren, und das war dienstlich. Wir haben eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, produzieren und beziehen Ökostrom, essen weniger Fleisch – dass wir dort, wo wir selbst etwas machen können, das auch tun, das finde ich wichtig. Wobei es Grenzen gibt für den Einzelnen, die Politik auch vieles ändern muss. Das E-Auto allein macht's nicht. Da muss wirklich an der ganzen Mobilität was geändert werden.
Wir brauchen auf jeden Fall viel mehr öffentlichen Nahverkehr, Fahrradstraßen, Carsharing und so weiter. Ein Umdenken. In der Stadt brauchen die meisten überhaupt kein Auto, trotzdem sind unsere Städte voll damit. Aber auf dem Land wird man mit ÖPNV nie alle versorgen können, das ist klar, auch wenn man mit einem guten Angebot zumindest das Zweitauto dort unnötig machen könnte. Da braucht es neue Ideen und Konzepte, der Landkreis arbeitet ja daran. Vorstellbar ist da noch mehr, neue technische Lösungen wie zum Beispiel den People-Mover, also autonome Fahrzeuge für kurze Strecken, die Menschen zu Knotenpunkten bringen. Der eigentliche Punkt ist, der ÖPNV muss so bequem und unkompliziert sein, dass die Leute ihr Auto stehen lassen. Das ist er nicht, die Landlinien sind ja zum Teil bis jetzt sagenhaft chaotisch. Da ist der Landkreis ja auch dran, nur wegen der langen Vertragslaufzeiten dauert das ja noch bis 2024, bis das umgestellt wird. Das Angebot in der Stadt finde ich relativ gut, aber gerade in den Randzeiten absolut ausbaubar.
Weil's immer wieder die gleichen Vorurteile gibt und ich irgendwann einfach keine Lust mehr hatte, immer wieder die gleichen Sätze zu wiederholen – auf Facebook und was weiß ich wo. Deswegen hab ich das so gemacht: Eine ganz kurze Erklärung zu jedem Punkt, die man dann auch kopieren kann, ein paar Links dazu und noch ein etwas längerer Text. Das verwenden inzwischen auch viele andere, natürlich sind die dann auch Befürworter von Elektroautos (lacht). Inzwischen hat die Liste über 20 Punkte, von Reichweiten bis Kosten.
Also die nervigste Sache ist die Bemerkung, "aber die armen Kinder in Afrika". Und die ist auch wirklich dumm. Das Lithium und Kobalt, was gefördert wird, ist ja nicht nur für die E-Autos. In jedem Handy ist das drin, zum Beispiel. Gerade die E-Mobilität führt eher dazu, dass die Leute draufschauen, wie die Stoffe gefördert werden. Die großen Autohersteller haben eine Allianz gegründet, um Lithium aus Kinderarbeit absolut auszuschließen. Jahrzehnte hat sich niemand drum geschert, jetzt wird es zum Argument gegen die Produktion von E-Autos verwendet. Mut macht da das neue Lieferketten-Gesetz, das ist zwar noch wachsweich, geht aber in die richtige Richtung. Das ist im Prinzip das, was ich mir schon als Jugendlicher gewünscht hätte, als ich mich für Gerechtigkeit im Handel eingesetzt habe. Dass mir jemand jetzt unterstellt, ich würde mich nicht um die "armen Kinder in Afrika" kümmern, das verletzt mich schon.
Ich hab keine wirkliche Erklärung dafür. Die Menschen hier haben einfach ein emotionales Verhältnis zum Auto. An alles, was irgendwie das Thema betrifft, ist es ganz schwierig dranzugehen – ob das jetzt verkehrsberuhigte Zonen sind oder Tempolimit auf der Autobahn – das ist ein ganz heißes Eisen hier in Deutschland. Auch wenn sich langsam die Stimmung wandelt. Ich verstehe wirklich nicht ganz, wo diese hohe Emotionalität herkommt. Die Autoindustrie hat ganz bewusst schon in den 1920ern das Thema Auto und Freiheit verknüpft. Wenn ich in der Stadt im Stau stehe, ist da nicht viel mit Freiheit, aber irgendwie ist das miteinander verknüpft.
Mir wäre erstmal lieber, wenn auch andere Formen der Mobilität von der Politik in den Vordergrund gestellt würden. Aber um den Wechsel zu schaffen, ja, denn das Geld allein macht's ja offensichtlich nicht. Ob das nun 6000 oder 9000 Euro Förderprämie sind, das macht nicht den großen Unterschied für die Leute, weil das eher eine Gefühlssache ist. Was vielleicht funktioniert, sind wirklich Aktionen wie die Mobilitätswoche in Schweinfurt, wo man Leute mit Elektroautos trifft, ausprobieren kann. Der Punkt ist eigentlich, dass man erstmal jemand kennen muss, der ein Elektroauto fährt, den man fragen kann. Ich denke, dass es jetzt wirklich irgendwann an Fahrt aufnehmen wird, wenn einmal ein kritischer Schwellenwert überschritten ist.
Das E-Auto ist eigentlich für fast alle bereits die beste Lösung, wenn es ein Auto sein muss. Wer nicht zu Hause laden kann, sollte sich aber erst mal nach Lademöglichkeiten in der Nähe umsehen, da hinkt Deutschland ja leider auch sehr hinterher. Und wer öfter lange Strecken fährt, kommt an der Autobahn mit kurzen Ladestopps an der Schnellladesäule problemlos voran. Ab und zu sollte man ja sowieso mal eine kurze Pause machen – in 20 Minuten ist der Akku schon wieder weitgehend voll. Alternativ sollte man natürlich für Langstrecken auch immer schauen, ob es vielleicht auch mit der Bahn geht.
Ich kann noch nicht abschließend beurteilen, ob wir mit unserem E-Auto günstiger wegkommen als mit dem Polo, den wir vorher 16 Jahre lang hatten. Der Anschaffungspreis ist teilweise höher als bei Verbrennern, dafür fallen die laufenden Kosten viel niedriger aus. Es kann einfach nicht so viel kaputt gehen, weil es viel weniger Einzelteile gibt. Strom ist in den meisten Fällen günstiger als Benzin für die gleiche Strecke. Dazu kommen einige Vergünstigungen. Die ersten zehn Jahre zahlt man keine Steuern und in Schweinfurt und vielen anderen Städten ist zum Beispiel auch das Parken für Autos mit E-Kennzeichen kostenlos.
Ich habe schon den Eindruck, dass das deutlich mehr wird. Da tut sich schon etwas, aber doch sehr zögerlich. Was die Infrastruktur betrifft, es gibt für den Bedarf aktuell genug Ladesäulen in Schweinfurt. Trotzdem müsste auch in dem Bereich vorgelegt werden, damit das Ganze Fahrt aufnimmt. Das gilt aber nicht nur für Schweinfurt. Wir waren vor kurzem in Holland, dort ist man weiter, da ist Elektromobilität wirklich angekommen, selbstverständlich. Die Deutschen sind da immer sehr vorsichtig mit jeder Veränderung, ganz egal, was es ist. Ich weiß nicht warum.
In den letzten Jahrzehnten wurde unsere ganze Infrastruktur und unser Lebensraum komplett den Anforderungen des Autoverkehrs unterworfen. ÖPNV wurde systematisch abgebaut und ausgedünnt, um mehr Raum für Individualverkehr zu machen. Dass alles, um einen einzigen Industriezweig zu bedienen, mit einem Autominister als Cheflobbyist.
Da können Grundstückspreise noch so teuer sein, es wird trotzdem gerne ein Großteil der Fläche für den Stellplatz des heiligen Blechles geopfert. Was nicht aufs Grundstück passt, wird im öffentlichen Raum geparkt. In jedem beliebigen Ort sieht man zugeparkte Straßen von vorne bis hinten.
Wir stecken mittlerweile auf einen Irrweg fest. Nur will man das nicht erkennen. Höchste Zeit für einen Richtungswechsel!