Die Stadt Gerolzhofen hat derzeit keinen eigenen Bauplatz mehr im Angebot. Das Wohnbaugebiet „Am Nützelbach I“ ist komplett an Bauwerber verkauft und das Nachfolge-Gebiet „Am Nützelbach II“ noch nicht erschlossen. Dort werden die Bauarbeiten frühestens 2021 beginnen. Die bereits erschlossenen Bauplätze, über 70 an der Zahl, die sich quer über die Siedlungsgebiete von Gerolzhofen und Rügshofen erstrecken, gehören aber nicht der Stadt, sondern werden von den Privateigentümern aus den unterschiedlichsten Gründen teilweise schon seit Jahrzehnten zurückgehalten und nicht auf den Mark gebracht. Dabei besteht nachweislich eine hohe Nachfrage nach Bauplätzen. Doch nahezu alle Eigentümer der Baulücken haben der Stadt, nachdem sie im November 2019 und April 2020 offiziell angeschrieben worden waren, die kalte Schulter gezeigt.
Dabei würde es Sinn machen, zuerst die zahlreichen Baulücken in den Siedlungsgebieten zu schließen, ehe man auf der grünen Wiese neue Baugebiete ausweisen muss. Die über 70 freien Baulücken würden von der Fläche her ein riesiges Neubaugebiet ergeben. Es liegen also Kapazitäten im wahrsten Sinne des Wortes brach. Doch wie an die Baulücken herankommen? Bei der jüngsten Stadtratssitzung ging es wieder einmal um diese Frage. Verwaltungschef Johannes Lang stellte in einem Info-Vortrag die rechtlich zwar möglichen, in der Praxis aber selten umsetzbaren Möglichkeiten vor, die ein Vorkaufsrecht bietet.
Frühere Grundstückspolitik
Dass es überhaupt so viele Baulücken gibt, liegt an der Grundstückspolitik der früheren Bürgermeister und der früheren Stadtratsgremien. Wenn damals ein neues Baugebiet ausgewiesen wurde, behielten die Grundeigentümer zumeist ihren Grund und Boden und konnten nach dem Herausrechnen der öffentlichen Flächen die ihnen zugewiesenen Bauplätze selbst meistbietend verkaufen. Oder sie ließen ihre Flächen einfach liegen, falls später mal Kinder, Enkel oder Urenkel ein Haus bauen wollen. Die Stadt hat hier keine Zugriffsrechte.
Seit einigen Jahren, spätestens mit Bürgermeister Thorsten Wozniak, hat sich die Politik der Stadt geändert. Es wird heutzutage nur noch dann ein Gebiet als Bauland ausgewiesen, wenn die Stadt dort vorher alle Grundstücke kaufen konnte. Beim Verkauf der Bauplätze gibt es dann nur die Stadt als einzigen Vertragspartner und einheitliche Preise. Und wenn die Stadt einen Bauplatz veräußert, wird im Kaufvertrag stets eine Bauverpflichtung vereinbart, die im Grundbuch dinglich gesichert wird. Für den Fall, dass die Bauverpflichtung zeitlich nicht eingehalten werden kann, erfolgt auf Antrag des Erwerbers eine Verlängerung des Zeitraums der Bauverpflichtung, sofern dessen Antrag begründet ist. Kommt es letztendlich doch zu keinem Wohnhausbau, erfolgt die Rückübertragung des Eigentums an die Stadt, die den Bauplatz wieder auf den Markt bringt.
Vorkaufsrecht der Stadt
Bei den Eigentümern "alter" Baulücken liegt oft keine Bereitschaft zu einer Veräußerung vor. Sofern in Einzelfällen dennoch mal ein Verkauf an einen Dritten stattfindet, kommt es auch danach nicht immer zu einer Bebauung. Hier gibt es dann unter bestimmten Voraussetzungen für die Stadt aber die Möglichkeit, in das Immobiliengeschäft reinzugrätschen, indem sie ein Vorkaufsrecht geltend macht.
Es gibt verschiedene Varianten dieses Vorkaufsrechts:
Die Stadt kann bei der Veräußerung eines unbebauten Grundstücks innerhalb eines Wohngebiets ohne weiteres ein Vorkaufsrecht geltend machen, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Das Schließen von Baulücken oder der Vorrang der Innenentwicklung sind nach der Rechtsprechung solche "Gemeinwohlgründe". Die Ausübung des Vorkaufsrechts seitens der Stadt ist nach dem Baugesetzbuch allerdings ausgeschlossen, wenn der Eigentümer das Grundstück an seinen Ehegatten oder an eine Person verkauft, die mit ihm in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt ist.
Kommt es hingegen zu Grundstücksgeschäften in Dorf- oder Mischgebieten, dann kann die Stadt nur dann ein besonderes Vorkaufsrecht an unbebauten Grundstücken geltend machen, wenn dort bereits ein wirksamer Bebauungsplan vorliegt und eine Vorkaufs-Satzung erlassen worden ist. Von dieser juristischen Möglichkeit hat die Stadt Gerolzhofen erst im April 2020 Gebrauch gemacht, als sie sich im Bereich des ehemaligen Bahnhofsgeländes zwei Teilflächen sicherte, die von der Deutschen Bahn an zwei Unternehmer verkauft worden waren.
Als dritte Möglichkeit kann die Stadt auch ein Vorkaufsrecht in Gebieten ausüben, in denen städtebauliche Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Das Vorkaufsrecht muss die städtebaulichen Entwicklung sichern. Auch hier bedarf es erst des Erlasses einer Satzung, in der die betroffenen Grundstücke konkret zu benennen sind.
Stadt wird neuer Vertragspartner
Wird das Vorkaufsrecht ausgeübt, so kommt grundsätzlich ein Kaufvertrag gleichen Inhalts, wie ihn der Eigentümer mit seinem Käufer abgeschlossen hat, zwischen dem Eigentümer und der Stadt zustande. Das heißt: Die Stadt muss in der Regel den Kaufpreis ersetzen, der zwischen den beiden privaten Vertragsparteien vorgesehen war. Liegt dieser Kaufpreis jedoch erkennbar und deutlich über dem Verkehrswert, dann kann die Stadt per Gutachten den Verkehrswert bestimmen lassen und nur diesen Betrag zahlen.
In der Regel wird es aber so sein, dass die Stadt letztlich auf das Umsetzen ihres Vorkaufsrechts verzichtet und statt dessen mit dem Grundstückskäufer eine Bauverpflichtung für einen bestimmten Zeitraum vereinbart, die beim Notar im Grundbuch dinglich gesichert wird. Auch damit wird das Ziel erreicht, eine Baulücke zu schließen. Im Rahmen der notariellen Beurkundung wird auch festgeschrieben, was passiert, falls der neue Eigentümer die Bauverpflichtung nicht einhält.
Skepsis der CSU
Die skeptische Haltung der CSU-Fraktion gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts bei unbebauten Wohnbauplätzen unterstrich deren Fraktionsvorsitzender Arnulf Koch. Der Schutz des Privateigentums sei ein hohes Gut für die CSU. Wer ein unbebautes Grundstücke habe und es ungenutzt einfach liegen lasse, handele nicht illegal, sondern nur im Sinne der Verträge, die früher in Gerolzhofen üblich waren. "Und diese Verträge gelten", betonte Koch. Deshalb sei die CSU-Fraktion schon immer gegen das städtische Vorkaufsrecht gewesen "und das bleibt auch so".
Außerdem, so Koch, könne man das Vorkaufsrecht nur in einer verschwindend geringen Anzahl von Fällen überhaupt geltend machen. "Die Grundstücksgeschäfte unter Verwandten sind ja geschützt." Und wenn doch mal eine Fläche an einen Dritten außerhalb der Verwandtschaft erkauft werde, dann doch nur, um sie zu bebauen. "Und da brauchen wir das Vorkaufsrecht nicht."
Günter Iff für die Freien Wähler sah das Ganze etwas entspannter. Der Gesetzgeber biete über das Baugesetzbuch den Kommunen ausdrücklich die Möglichkeit des Vorkaufsrechts an. "Wir als Stadtrat sind dabei dem Gemeinwohl verpflichtet", sagte Iff. Und wenn es für das Gemeinwohl nötig sei, werde man das Vorkaufsrecht auch anwenden. Ähnlich äußerten sich auch Thomas Vizl (Geo-net) und 2. Bürgermeister Erich Servatius (SPD).