
Am 2. Juni letzten Jahres, gegen Abend, schlägt ein 24-Jähriger in einer Kleinstadt in Südthüringen seinem 22-jährigen Kumpel vor, tags darauf mit seinem Audi A6 einen Ausflug nach Frankfurt am Main zu machen. Mal eine große Stadt erkunden, dort gebe es auch einen tollen Dönerladen. Gesagt, getan. Doch angekommen in der großen Stadt, schickt der 24-Jährige den Jüngeren erst mal weg, er habe kurz etwas zu tun. In einer halben Stunde solle er wieder hier sein. Als er zurückkommt, ist vom Erkunden der Hessen-Metropole keine Rede mehr. Der Ältere, dem auch der schicke Audi gehört, will sofort zurückfahren.
Etwa eine Stunde später fällt einer Zivilstreife auf der B279 zwischen Bischofsheim und Bad Neustadt/Saale ein Fahrzeug auf, das recht flott unterwegs ist. Die Polizisten hängen sich dran. Gerade als sie die Leuchtschrift zum Anhalten einschalten wollen, fährt der Wagen auf einen Parkplatz. Als die Beamtin die allgemeine Verkehrskontrolle verkündet, strömt ihr aus dem Beifahrerfenster gewaltiger Marihuanageruch entgegen. Auf der Rückbank liegt ein blauer Müllsack – darin 46 Platten Haschisch mit einem Gewicht von mehr als 4,4 Kilogramm sowie Marihuana in drei Plastiktüten mit einem Gewicht von knapp drei Kilo.
Der Ältere reklamiert die Tat für sich allein
Die beiden Männer werden vorläufig festgenommen. Der Ältere reklamiert das komplette Rauschgift für sich, sein jüngerer Kumpel habe damit nichts zu tun und wisse von nichts. Der 24-Jährige ist für den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln bereits rechtskräftig verurteilt. Der 22-Jährige steht nun wegen desselben Deliktes, zumindest wegen Beihilfe, vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt. Ein knappes Jahr Untersuchungshaft hat er hinter sich, bis der Haftbefehl im Mai außer Vollzug gesetzt wurde. Nun hofft er zumindest auf eine Bewährungsstrafe – obgleich er in Thüringen schon fünf Vorstrafen kassiert hat, darunter zwei Jugendstrafen. Er steht unter offener Bewährung.
Vor der Kammer beteuert er, vom Vorhaben des 24-Jährigen nichts gewusst, den Drogensack erst kurz vor Bad Neustadt entdeckt und Cannabisduft im Auto eine Stunde lang nicht bemerkt zu haben. Der aus dem Gefängnis als Zeuge vorgeführte 24-Jährige, bei dem zu Hause unter anderem 35.000 Euro mutmaßliches Drogengeld gefunden wurde, erzählt die gleiche Geschichte. Er habe den Kumpel vom Auto weggeschickt, ihm von den Drogen im Müllsack nichts erzählt. Das finde er nun unmoralisch. Der 22-Jährige solle nicht für seine Tat bestraft werden.
Staatsanwalt: "Eine abgesprochene Geschichte"
Der Staatsanwalt wiederum hält die Erzählung, wonach der Angeklagte erst ganz zum Schluss von der Drogenbeschaffung erfahren habe, für eine "abgesprochene Geschichte, die von Unglaubwürdigkeit nur so strotzt". Angesichts der Menge der Drogen und der massiven Vorstrafen seien für die Beihilfe drei Jahre Haft angemessen und der Haftbefehl wieder in Kraft zu setzen. Die Verteidigerin verweist auf einen Mangel an objektiven Beweisen dafür, dass es anders gewesen sei als vom Angeklagten und dem Zeugen geschildert. Sie fordert Freispruch. Sollte das Gericht auf Beihilfe erkennen, sei ein Jahr ausreichend, das bereits verbüßt sei.
Dem folgt die Kammer nicht. Das Urteil: zweieinhalb Jahre Haft für Beihilfe zum Drogenhandel. Bei 1,3 Kilo reinem THC-Gehalt liege ein schwerer Fall vor, nur ein Jahr Haft sei "jenseits der Realität". Weil nun auch die Thüringer Bewährungsstrafen widerrufen werden könnten, bestehe Fluchtgefahr. Deshalb werde der Haftbefehl wieder in Kraft gesetzt. Im Gerichtssaal warten bereits zwei Polizisten mit Handschellen. Gegen das Urteil ist Revision möglich.