Egal ob per Auto, Bus oder Bahn – ich reise wahnsinnig gerne. Aber sobald ich in ein Flugzeug steigen muss, schlottern mir die Knie. Umso neugieriger bin ich deshalb auf den Flugsimulator "Flight4" am Sennfelder Bahnhof, der seit 2016 von Claudia Hinze und Olaf Heimrich betrieben wird. Wie fühlt es sich an, nicht nur im Flugzeug zu sitzen, sondern selbst die Maschine zu steuern? Ich wage den Selbstversuch und stelle fest: Im Simulator ist kein Platz für Flugangst.
Bevor es los geht und wir "die Maschine" starten, erklärt mir Betreiber Heimrich anhand eines Modells, dass ein Flugzeug mit drei Achsen gesteuert wird. Zusätzlich brieft er mich mit einigen aerodynamischen Grundlagen rund ums Fliegen. Danach darf ich in den Simulator. Dieser ist in einem rund 25 Quadratmeter großen Raum und besteht aus dem Cockpit einer Boing 737 800, einer 180-Grad-Leinwand, welche die Flugzeugnase umspannt, und einer Zuschauerbank hinter dem Cockpit. Während in einer echten Boing 737 Platz für 189 Flugpassagiere ist, können im Sennfelder Simulator nur fünf Personen "mitfliegen".
Trotz Leinwand statt echtem Himmel vor der Flugzeugnase kann ich freilich nicht alleine fliegen – bei meinem Jungfernflug steht mir deshalb Gerhard Unbehaun aus Knetzgau zur Seite. Der 70-Jährige war 53 Jahre lang Pilot, zuletzt bei der Fluggesellschaft Germania. Mittlerweile ist er in Rente, doch für Termine im "Flight4" schlüpft er wieder in seine Pilotenuniform. Er kennt sich aus, in den Lufträumen über Europa, Nordafrika, im Nahen Osten und den Kanaren.
Reale Flugzeit auch im Simulator
Über die Software des Flugsimulators lassen sich über 24 000 Flughäfen anfliegen. Ein Flug dauert allerdings auch im Flugsimulator so lange, wie ein realer Flug dauern würde. Beispielsweise beträgt die Flugzeit von Frankfurt am Main nach Miami in Florida fast elf Stunden – zu lange also für eine Übungseinheit im Simulator. "Durchschnittlich dauert ein Flug bei uns rund 1,5 Stunden", sagt Heimrich.
Software simuliert Wetter und Pannen
Auch Unglücksszenarien wie brennende Flugzeugtriebwerke oder bestimmte Wetterlagen, beispielsweise Nebel oder Gewitter, könne das Programm des Flugsimulators vortäuschen. "Da bist du dann am Rotieren", meint Heimrich lachend. Wer mag, könne sogar unter realen Wetterbedingungen fliegen – dafür lädt der Simulator die aktuellen Wetterdaten des Start- und Zielflughafens herunter. Heimrich und Unbehaun verschonen mich allerdings mit Katastrophenszenarien und schlechtem Wetter. Sie lassen mich eine einfachere Route fliegen: Für mich, meinen Copiloten aus Knetzgau und die Boing 737 geht es vom Flughafen Frankfurt am Main nach Frankfurt Hahn und dann wieder zurück.
Im Cockpit des Flugsimulators sind so viele Knöpfe, Schieber, Schalter und Displays, dass ich gar nicht weiß, wo ich zuerst hingucken soll. Doch nach und nach erklärt mir Unbehaun die Funktionen der einzelnen Bedienungselemente und Anzeigen. Dennoch ist der Aufbau des Cockpits so komplex, dass ich mir auf Anhieb nicht alles merken kann. "Beim Hinflug helfe ich dir noch", witzelt mein Copilot, um mich zu beruhigen – setzt dann aber hinterher: "Den Rückflug übernimmst du."
Daraufhin startet er die Maschine und gibt mir Anweisungen, wie ich das Flugzeug steuern muss. Obwohl ich weiß, dass ich mich immer noch in Unterfranken und nicht auf dem hessischen Flughafen befinde, bin ich aufgeregt – bis Unbehaun Schub gibt und wir die Startbahn unter uns zurück lassen. Mit 130 virtuellen, nautischen Knoten heben wir ab, was eines Geschwindigkeit von rund 240 Kilometer pro Stunde entspricht. Während des Hinflugs nach Frankfurt-Hahn übernimmt der 70-Jährige den größten Teil der Arbeit. Doch Zeit, um die virtuelle Landschaft zu genießen oder über meine Flugangst nachzudenken, habe ich kaum, so sehr konzentriere ich mich auf die Anzeigen des Flug- und Navigationsdisplays. Mit dem Steuerhorn reguliere ich, ob das Flugzeug sinkt oder steigt und wie quer die Maschine fliegt.
Dass ich mich in einem Simulator befinde, habe ich mittlerweile total vergessen, auch dank der realen Geräuschkulisse der Software. Die Zeit im Cockpit vergeht sprichwörtlich wie im Flug, und nach einer halben Stunde setzen wir zur Landung in Hahn an. Daraufhin wendet Unbehaun den Flieger und ich lasse die Maschine wieder abheben. Auf dem Rückflug fühle ich mich schon deutlich sicherer, doch beim Anflug auf den Zielflughafen brauche ich wieder Hilfe. Ich lande das Flugzeug und ernte Beifall von Unbehaun und Heimrich. Der ehemalige Pilot lobt meine Flugkünste – und ich bin froh kein Bruchpilot geworden zu sein.