Lokführer, Zoodirektor, Testpilot – solche Berufswünsche gaben kleine Jungs, zumindest früher, gerne an, wenn sie gefragt wurden, was sie denn einmal werden wollen. Wer die Frager zum Schmunzeln bringen wollte, und dafür musste man kein Junge sein, hat vielleicht noch "Vorkoster in der Schokoladenfabrik" als Traumjob in die Waagschale geworfen. Was für ein süßes Leben, den ganzen Tag die Schoko-Finger abschlecken, und keiner kommt und sagt: "Nun ist aber genug."
In der Schokoladenfabrik ist der Hergolshäuser Volker Müller zwar nicht gelandet, aber rein beruflich betrachtet nicht so arg weit davon entfernt. Der 50-jährige Bäcker- und Konditormeister ist sozusagen ein Durch-und Durch-Fachmann für Schokolade und für die Frucht, aus der sie gemacht wird, die Kakaobohne. Er gehört seit einigen Wochen zum kleinen, aber erlauchten Kreis derjenigen, die sich Schokoladen-Sommelier nennen dürfen. In Deutschland gibt es 45 davon.
Wobei Volker Müller für sich nach dem Motto "Ich bin Franke, kein Franzose" eher den Begriff Schoko-Werker bevorzugt. In Weinheim bei Köln hat er sich unter Coronabedingungen mit zehn weiteren Fachleuten aus Konditorei, Chocolaterie und Bäckerei dem süßen, aber anspruchsvollen sechsmonatigen Kurs gestellt. Seit 2017 wird die Fortbildung in Kooperation der Chocolate Academy und der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk angeboten. "Ein Kraftakt", wie er einräumt, denn es galt unter anderem eine wissenschaftliche Projektarbeit zu seinem Thema Kakaobohnen zu erstellen, in deren Rahmen ein bislang unbeleuchtetes Thema der Schokoladenverarbeitung aufzubereiten war.
Herausgekommen ist ein 30-seitiges Büchlein, in dem es nicht nur um Anbau und Verarbeitung der Kakaobohne geht, sondern auch um den Geschmack, sprich die Sensorik. Denn Kakao ist nicht gleich Kakao. Und um die Entwicklung neuer Produkte. So wurden unter den Händen von Volker Müller aus den bekannten Macarons, die eigentlich mit Mandelmehl gebacken werden, die CacaoRons, Florentiner wurden zu – Achtung Bohne – Floren Beaner und die nussfreien Nussecken zu Genuss-Ecken mit drei verschiedenen hochwertigen Kakaosorten. Alle drei Kreationen, ohne Nüsse oder Mandeln auch für Allergiker geeignet, sind als Geschmacksmuster angemeldet, was in etwa einem Patent entspricht, und gehen möglicherweise im nächsten Jahr in den Verkauf.
Und mit Kakao und Schokolade kennt sich Volker Müller aus, ist er doch in vielen Jahren Berufserfahrung sozusagen zum Schokoladen-Flüsterer oder wahlweise Kakaobohnen-Versteher geworden. Dazu beigetragen hat sicher, dass er seine Reisen häufig mit der beruflichen Weiterbildung unter einen Hut gebracht hat. Er war in Equador und in Peru, hat sich dort bei Kakaobohnenbauern informiert und kennt sich auch mit den Produktions- und Arbeitsbedingungen in anderen Kakao produzierenden Ländern wie Venezuela oder Ghana aus. Müller stellt hier gerne den Vergleich zum Weinanbau her. "Der Winzer kennt seinen Wengert, ich habe im Anbauland den Wengert für die Kakaobohnen kennengelernt."
Im weiten Kreativ-Feld seines Handwerks hat "schon mancher Beruf zu mir gefunden", so der 50-Jährige, der vor fünf Jahren die Bäckerei in Hergolshausen geschlossen hat, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. In den vergangenen vier Jahren war er "Pastry Chef Instructor" in Luzern (Schweiz) an der Culinary Arts Academy, also ein Mann, der nicht nur hervorragend backen kann und sich mit Gebäck auskennt, sondern es auch versteht, dieses Wissen an Studenten weiterzugeben.
Seit knapp einem Jahr ist er als Repräsentant eines namhaften Herstellers von Bäckerei-Fachmaschinen unterwegs, um Betriebe in der "perfekten Schokoladenverarbeitung" zu unterweisen. Und nun also noch Schoko-Sommelier: "Die Leidenschaft für Schokolade war bei mir immer schon da, schon während der Lehre." Die Liebe zum Bäckerhandwerk reicht in der Familie bis ins Jahr 1889 zurück. Schokolade aus Hergolshausen schaffte es bis in die Allianz-Arena oder die Vertretung der Bayerischen Landesregierung in Berlin. In der Blütezeit des Geschäftes, bekannt als "EngelbertZ Outbeck Conditorei", wurde eine Tonne Schokolade pro Saison zum Beispiel auch in hochwertige Pralinen verarbeitet. Auch außerhalb der Backstube war Volker Müller stets kreativ, hob einst die Musikgruppe "häisd'n'däisd vomm mee" aus der Taufe, wurde auch schon mit dem Frankenwürfel ausgezeichnet.
Der Rote Faden oder eher die süße Linie im Leben, das war immer die Schokolade. Egal ob am Ende des Tages ein Schnaps aus Kakaobohnen oder eine Genuss-Ecke mit Kakaobohnen dabei herauskommt, Volker Müller geht es immer darum, die Menschen auf die Duft- und Geschmacksspur dieser faszinierenden Frucht, für ihn "ein echtes Superfood", zu bringen. Jede Schokolade schmeckt anders, doch in jedem Produkt schmecke man die Herkunft und ob Konsumkakao oder Edelkakao verwendet wurde. "Den Verbraucher informieren, was Ökologie, Nachhaltigkeit und Wertigkeit eines Produktes bedeuten", das sei das Anliegen eines Sommeliers, egal ob es sich dabei um Wein, Brot, Bier oder Schokolade und Kakao handele.
Volker Müller will auch ein Botschafter sein für Schokolade und Kakao. Das war er bereits im Fernsehen, das kann aber auch bei Firmen-Events, auf Messen oder im Rahmen eines Pralinen-Kurses der Fall sein. Um so authentisch wie möglich die Kakaobohne zu repräsentieren, importiert Müller gemeinsam mit Partnern wie "Original Beans" Bohnen direkt aus den Ursprungsländern. "Konditoren und Bäcker in Richtung hochwertige Schokolade zu sensibilisieren", ist ein weiteres Anliegen des frischgebackenen Schokoladen-Sommeliers. Auch "Food-Pairing" ist ein Thema für einen Sommelier, wenn zum Beispiel im Rahmen von Events oder Messen verschiedene Genusswelten – zum Beispiel Wein und Schokolade – vorgestellt und aufeinander abgestimmt werden. So passe zum Beispiel so ein CacaoRon hervorragend zu einem guten Sekt.
Und innerhalb dieser Genusswelten macht sich Volker Müller immer wieder mit Lust und Leidenschaft auf zu neuen Horizonten. "Ich experimentiere gerne", sagt er und präsentiert einen neuen Mini-Croissant mit Kakao, der noch nicht einmal einen Namen hat. Wir dürfen testen, und was soll man sagen: Man denkt, man beißt in ein Hörnchen, und plötzlich tanzen die Geschmacksnerven Tango. "Kakao-Nibs-Croissant" soll es heißen, wird spontan beschlossen. So werden neue Produkte geboren. Volker Müller, Schoko-Sommelier aus Leidenschaft, hat noch viele Ideen für Produkte, die zumindest kulinarisch das Leben ein wenig versüßen können.
Kontakt zum Schoko-Sommelier Volker Müller: Tel. 0160 96 601 421 Mail: volkerjoemueller@gmail.com