Mit einer Aktion vor dem Aldi-Markt in Haßfurt haben junge Bäuerinnen und Bauern auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Denn mehrere Ketten von Lebensmittelmärkten haben angekündigt, dass sie künftig nur noch Frischfleisch und Frischmilch von Tieren aus den Haltungsformen 3 und 4 in ihrem Sortiment anbieten. Aldi will beispielsweise bis zum Jahr 2030 umstellen, das Ziel soll mehr Tierwohl sein. Doch viele kleinere Bauern beklagen, sie stünden damit vor der Wahl: umbauen oder aufgeben. So fürchten die Landwirte nicht nur das Ende vieler kleiner Betriebe, gerade in Franken, sondern auch den Verlust des großen bäuerlichen Kulturgutes auf dem Land.
Aus vielen kleinen werden wenige große Betriebe
Mit Transparenten und Flyern machten sie daher auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft aufmerksam. Demnach geben jedes Jahr Tausende landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland auf. Ende 2020 gab es noch 263 500 Betriebe. Das sind jedoch über 185 000 weniger als noch 2001, ein Rückgang um mehr als 40 Prozent. Dafür sind die Betriebe größer geworden. Von regionalen Produkten könne dann aber auch keiner mehr reden, sagen die Kritiker dieser Entwicklung.
Viele Bauern werfen den Discountern vor, damit zu werben, dass ihnen Tierwohl wichtig sei, während die Märkte gleichzeitig aggressive Niedrigpreisstrategien auch für Tierwohl-Fleisch entwickelten. In ihren Flugblättern forderten die Landwirte nun eine angemessene Honorierung von Tierwohl, die Berücksichtigung der besonderen Situation kleinerer Betriebe und mehr Nebeneinander der verschiedenen Haltungsformen. Gerade in fränkischen Dörfern hätten Bauern gar nicht die Möglichkeit für einen Freilauf außerhalb ihres Stalls. "Vor allem ist Tierwohl eine Frage der Umsetzbarkeit und des Geldes, aber die Discounter wollen den Kostenausgleich für Landwirte nicht bezahlen", sagt Kreisbäuerin Cäcilie Werner. Eine andere Bäuerin kommentiert: "Bei mir sind meine Kühe auf Stroh gebettet und ihr Futter kommt von unseren Äckern. Warum soll da unsere Milch schlechter sein?"
Für kleine Betriebe geht es um die Existenz
Klaus Merkel, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), und BBV-Geschäftsleiter Klaus Pieroth rügten bei der Aktion vor dem Markt, "dass die Handelskonzerne die Bauern vor vollendete Tatsachen stellen und damit die regionale Landwirtschaft gefährden." Gerade die Existenz kleinerer Betriebe stehe auf dem Spiel.
Schweinezüchter Jan Kettler aus Unfinden wies darauf hin, dass die Preise seit Jahren zwischen 1,20 und 1,30 Euro pro Kilo Schlachtgewicht lägen. Bei Haltungsform 3 müsste der Betrieb aber zwei Euro erzielen. "Schließlich beschäftigen wir auch Arbeiter im Betrieb und auch die müssen wir entsprechend bezahlen." Jürgen Schmitt aus Wetzhausen kommentiert: "Eigentlich möchte ich einen neuen Stall bauen, aber jetzt kommen mir immer mehr Gedanken, ob ich nicht stattdessen sogar den alten Stall leerräumen sollte."
Im Landwirtschaftsbetrieb Schleicher im Pfarrweisacher Ortsteil Junkersdorf möchte die 25-jährige Lea Schleicher nach ihrer Ausbildung als Landwirtschaftsmeisterin den elterlichen Betrieb mit 25 Milchkühen, 21 Jungtieren sowie rund 500 Mastschweinen weiterführen. Aber der Bauernhof liegt mitten im Ort, "so dass wir unsere Milchkühe in Anbindehaltung haben." Das bedeute aber nicht, dass Tierwohl dort keine Rolle spiele. "Wir kennen noch jede Kuh mit Namen und haben das Einzeltier im Fokus, während bei den größeren Einheiten sich der Computer um alles kümmert. Welche Kühe sind wohl glücklicher?"
Umbau kostet Zeit und Geld
Neben ihr steht ihr Freund Friedrich Grimmer aus Bischwind am Raueneck, der mit seinen 25 Jahren gerade über seiner Masterarbeit in den Agrarwissenschaften ist. Beide haben ein Ziel: "Wir möchten einen Stall bauen und damit auch von der Anbindehaltung auf Freilauf umplanen. Aber das braucht Zeit und erfordert Geld." Es gehe um 800 000 bis zu einer Million Euro.
Bis zur möglichen Umsetzung wird noch Zeit. Hier richtete Lea Schleicher große Vorwürfe an die Märkte, "denn wir können ja nicht kurzfristig reagieren und laufen damit ins offene Messer". Die leidenschaftliche Bäuerin, die vor einiger Zeit an ihrem Hof auch eine "Milchtankstelle" eröffnet hat, ärgert sich über die Werbekampagne der Discounter. Denn die Märkte würden dafür Millionen ausgeben, den Landwirten aber nicht den notwendigen Lohn für ihre Arbeit gönnen. Die Werbung sei eine Täuschung der Verbraucher, die nicht erfahren, dass diese Regelungen nur für Trink- oder Frischmilch und Frischfleisch gelten, aber nicht für die übrigen Milchprodukte wie Butter, Quark oder Käse oder die Waren in den Kühl- oder Gefriertheken. Diese könnten sogar aus anderen Ländern stammen, in denen man sich weit weniger um das Tierwohl kümmert.
Gerade solch junge und kreative Landwirt:innen sollten sich weniger abhängig (und auch gesellschaftlich angreifbar) machen und ihre Ideen auf pflanzliche Lebensmittelproduktion konzentrieren.
Eine Landwirtschaft, die sich nicht rechnet und auch noch großes Tierleid erzeugt, ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel – und macht auch die Landwirt:innen nicht glücklich!