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Schweinfurt
Urteil im Prozess um schweren Kindesmissbrauch: Knapp drei Jahre Haft
Landgericht Schweinfurt konnte 50-Jährigem Gegenteil nicht beweisen: Knapp drei Jahre Haft für Missbrauch einer Jugendlichen statt schwerem Missbrauch eines Kindes
Urteil am Landgericht Schweinfurt an diesem Freitag: Ein 50-Jähriger musste sich wegen schweren Kindesmissbrauchs verantworten.
Foto: Nicolas Armer | Urteil am Landgericht Schweinfurt an diesem Freitag: Ein 50-Jähriger musste sich wegen schweren Kindesmissbrauchs verantworten.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:32 Uhr

Den entscheidenden Punkt der Anklage leugnete der 50-Jährige vor dem Landgericht Schweinfurt bis zuletzt: Nach einer Kontaktanfrage auf einer Autobahntoilette war ihm im Juli 2020 ein Mädchen zum Missbrauch angeboten worden, er war darauf eingegangen. Dass das Mädchen gerade einmal elf Jahre alt war, will der Angeklagte aber nicht gewusst haben. Das Gegenteil war ihm vor Gericht nicht zu beweisen. Deshalb verurteilten ihn die Richter an diesem Freitag zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und elf Monaten - für den Missbrauch einer Jugendlichen.

Kind wurde Lkw-Fahrern zum Sex angeboten

Angeklagt war der 50-Jährige zunächst wegen schweren Missbrauchs eines Kindes. Der Prozess hatte zum Schutz des Opfers ebenso hinter verschlossenen Türen stattgefunden wie eine Woche zuvor das Verfahren gegen den Stiefvater des Mädchens. Der 49-Jährige hatte das Kind seiner Lebensgefährtin selbst mehrfach missbraucht, seit es neun Jahre alt war. Er  wurde vom Landgericht Schweinfurt unter anderem wegen schwerer Zwangsprostitution, schweren sexuellen Missbrauchs und wegen des Herstellens von kinderpornografischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung Revision einlegte.

Im vergangenen Sommer hatte der Mann aus dem Landkreis Bad Kissingen das damals elfjährige Mädchen auch Lkw-Fahrern auf Parkplätzen an der Autobahn gegen Bezahlung zum Missbrauch angeboten. Mindestens ein Fahrer war darauf eingegangen. Ein anderer rief die Polizei und beendete damit das Leid des Mädchens. 

Zettel auf dem Parkplatz gefunden 

Auf der Toilette eines Autobahnparkplatzes bei Schweinfurt hatte der Stiefvater einen Zettel mit der Telefonnummer des Angeklagten gefunden. Er forderte von der Elfjährigen, dort anzurufen. Beide tauschten über das Handy zunächst auch ein pornografisches Bild - deshalb war der 50-Jährige auch wegen der Verbreitung von Kinderpornografie angeklagt. In mindestens zwei Fällen hatte sich der Mann aus dem Landkreis Schweinfurt dann laut Anklage bei sich zu Hause an der damals Elfjährigen vergangen. Vor Gericht gab der 50-Jährige an, sich nicht bewusst gewesen zu sein, dass das Mädchen unter 14 Jahre alt war.

Mädchen "besonders schutzlos"

Auch Zeugen hatten in dem Verfahren ausgesagt, die Elfjährige habe reifer gewirkt und sie hätten ihr Alter auf 14 bis 16 Jahre geschätzt. Der Stiefvater des Mädchens hatte es zum Angeklagten nach Hause gebracht: "Als er die beiden im Auto sah, hätte er schon die Polizei rufen müssen", sagte die Vorsitzende Angelika Drescher in der Urteilsbegründung am Freitag. Stattdessen habe er das Kind zwei Nächte hintereinander missbraucht, wobei der Stiefvater im Raum anwesend war, zuschaute und Tonaufnahmen machte. Das Kind sei in dieser Situation "besonders schutzlos" gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin. 

Von 14 Jahren ausgegangen: Tonbandmitschnitt als Beleg

Den Missbrauch hatte der Angeklagte zu Prozessbeginn gestanden. Seine Verteidigerin beharrte jedoch darauf, ihm sei das wahre Alter des Kindes nicht bewusst gewesen. Dies war ihm laut Jugendschutzkammer  "nicht widerlegbar". Auch die Aufzeichnungen, die der Begleiter und angebliche "Onkel" des Kindes von dem Treffen gemacht hatte, ließen dem Gericht zufolge darauf schließen: Der 50-Jährige glaubte bis zuletzt, das Mädchen sei 14 Jahre alt.

Deshalb konnte er jetzt nicht wegen schweren Missbrauchs eines Kindes verurteilt werden, auf den zwei bis 15 Jahre Haft stehen. Es blieb das Delikt des Missbrauchs einer Jugendlichen unter 16 Jahren.  Dies wird mit Geldstrafe oder Haft bis zu drei Jahren geahndet.

Der Forderung der Staatsanwaltschaft gefolgt

Die Vorsitzende schloss sich mit der Höhe der Strafe dem Staatsanwalt an. Die Verteidigung hatte für Verbreitung pornografischer Schriften eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro gefordert und plädierte im übrigen Anklagepunkt für einen Freispruch.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Mutter des Mädchens soll von einigen Übergriffen durch ihren Lebensgefährten gewusst, aber nichts dagegen unternommen haben. Gegen die 39-Jährige startet der Prozess in Schweinfurt voraussichtlich Ende Juni.

 
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  • C. B.
    Lachnummer Urteil.
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  • C. P.
    Mehrfache Vergewaltigung! Sexualisierte Gewalt an einer Minderjährigen! Alles bewusst und kalkuliert und wiederholt und ohne jede Gnade, ohne jedes Mitgefühl... Wie kann es zu so einer milden Strafe kommen?? Die entsprechenden Gesetze müssen endlich verschärft werden! Dieses unfassbare Leid, es schnürt mir alles ab. Was ist nur los bei uns, im eigentlich gut situierten Deutschland, dass man sich hier - offenbar in einer unvorstellbaren Bandbreite - an Kindern, an unser aller Zukunft vergeht?? Ich bin mittlerweile fassungslos
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  • H. S.
    Dumm gefragt: Hat er nun eine 11 Jährige missbraucht, oder nicht? Aus Versehen bei Rot über die Ampel ist eben auch bei Rot über die Ampel, oder bin ich zu blöd für die Rechtsprechung?
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  • L. W.
    Unglaubwürdig

    eine 11jährige nicht von 14jährigen unterscheiden zu können!
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  • E. E.
    Was ist denn aus dem guten, alten “Unwissenheit schützt vor Strafe nicht” geworden??
    Unfassbar, dieses Urteil! Da wird jedes Opfer verhöhnt…!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Unglaublich, nur weil der Angeklagte sagt, er hat das Alter falsch eingeschätzt, dieses Urteil. Was haben wir für Richter und Gesetze???
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  • M. B.
    Kein gerechtes Urteil. Kindesmissbrauch muss wesentlich härter bestraft werden. 3 Jahre ist gemessen am lebenslangen Leid der Opfer keine gerechte Bestrafung.
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  • G. P.
    Dieses Urteil ruft nur Kopfschütteln hervor. Unglaublich!!!
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