
Es ist fast ironisch. Wie der Mann in jeder Verhandlungspause versucht, sich vor den Blicken zu verstecken. Seine Identität, seine Privatsphäre zu schützen. Damit bloß niemand weiß, wer dieser Orthopäde aus Schweinfurt ist, der hier auf der Anklagebank sitzt. Dann sitzt er da, mit Kappe, Schal, Kapuze und Sonnenbrille, als wären irgendwo versteckte Kameras. Gerade er, der Mitarbeiterinnen und Patientinnen in den verletzlichsten Momenten heimlich gefilmt haben soll.
Am Ende dieses Prozesses am Landgericht Schweinfurt kann sich der 59-Jährige nicht mehr verstecken. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher sind zur Urteilsverkündung am Montagnachmittag in der Stadthalle Schweinfurt erschienen.
Auch zwei der betroffenen Frauen sind da, als die Vorsitzende Richterin Claudia Guba das Urteil verkündet: zwei Jahre Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen in neun Fällen, in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in zwei Fällen. In weiteren Anklagepunkten – unter anderem Vergewaltigung und sexueller Belästigung – spricht die Kammer ihn frei.
Vorsitzende Richterin: "Geneigt, eine höhere Strafe auszusprechen"
Es sei keine einfache Entscheidung gewesen, beginnt Richterin Guba die Urteilsbegründung. Sie wolle auch transparent machen, "dass die gesamte Kammer vom Bauchgefühl auch geneigt war, eine höhere Strafe auszusprechen". Sie führt fort: "Aber wir können uns nicht von einem Bauchgefühl leiten lassen."
Insbesondere an die beiden Nebenklägerinnen im Saal gerichtet, betont die Richterin: "Wir schenken allen Zeuginnen uneingeschränkt Glauben." Dass der Angeklagte von mutmaßlichen Taten entweder freigesprochen wurde oder diese rechtlich anders beurteilt wurden, "liegt mitnichten daran, dass jemand von ihnen gelogen hat", sagt Guba.
"Man kann nicht sagen, es war nur filmen", betont die Richterin. "Wir haben diese realen Frauen gehört, die ganz plastisch geschildert haben, wie schlecht es ihnen geht." Ganz unterschiedliche Frauen seien es gewesen. Eine, die ausdrücklich sagt, sie wolle kein Opfer sein. Eine andere, die vor Gericht schilderte, dass sie nirgends mehr hingehen könne, ohne nach Kameras zu suchen. Eine Dritte sagt, sie habe nun ein Problem mit Männern in Machtpositionen.
In der Urteilsfindung hätten eben diese Folgen, die die Frauen von den Taten des Orthopäden davon getragen haben und die sie in der Verhandlung eindrücklich und teils unter Tränen geschildert hatten, eine ganz erhebliche Rolle gespielt, erklärt Guba. Denn sie alle hätten dem Arzt vertraut.
Arzt hatte Mitarbeiterinnen und Patientinnen heimlich gefilmt
Die Kammer stützt sich in der Urteilsbegründung auch auf die Aussagen des medizinischen Gutachters, der an einigen Stellen die Grenzüberschreitung des Arztes deutlich gemacht hatte. Und der auch festgestellt hatte, welche Behandlungen den Lehrbüchern entsprochen hätten und welche medizinisch nicht notwendig gewesen seien.

Auch wenn die heimlichen Filmaufnahmen außer Frage stehen, könne man nicht bei jeder der Behandlungen, auch wenn sie unnötigerweise ohne BH stattgefunden hätten, einen sexuellen Hintergrund erkennen, begründet die Richterin das Urteil.
Staatsanwaltschaft: "ein Sexualstraftäter, der Hand anlegte"
Oberstaatsanwalt Christian Spruß hatte in seinem Plädoyer deutliche Worte gegenüber dem Angeklagten gefunden: Es handele sich um einen Sexualstraftäter, der durchaus Hand angelegt habe. Bis auf die mutmaßliche Vergewaltigung seien die Tatvorwürfe aus Sicht der Staatsanwaltschaft erfüllt. Der Oberstaatsanwalt forderte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, dem sich die Vertreter der Nebenklägerinnen weitgehend anschlossen.
Die Verteidigung hatte auf eine Bewährungsstrafe von acht Monaten plädiert. Die Anwälte des Orthopäden waren während ihrer Ausführungen darauf bedacht, klarzustellen, dass ihr Mandant keine sexuellen Handlungen mit den Händen durchgeführt, sondern nur aus voyeuristischen Motiven gehandelt habe. Während der Ausführungen seiner Verteidiger hatte der Angeklagte teilweise sein Gesicht in den Händen vergraben.
Regierung von Unterfranken muss über Berufszulassung entscheiden
Die gesicherten Speichermedien bleiben einbehalten, die Kosten des Verfahrens muss der 59-Jährige tragen. Das vom Amtsgericht Schweinfurt vorläufig verhängte Berufsverbot hebt die Kammer auf. Laut Gericht liegt die Entscheidung nun bei der Regierung von Unterfranken, dem Arzt die bereits ruhende Approbation komplett zu entziehen.
Wird das Urteil rechtskräftig, muss der Orthopäde jeweils 5000 Euro an die Organisationen vom "Weißen Ring" und "Frauen helfen Frauen" zahlen. Zivilrechtliche Forderungen der Betroffenen sind darüber hinaus weiterhin möglich.
Verteidigung: Revision unwahrscheinlich
Vonseiten der Verteidigung heißt es am Montag, es sei "sehr unwahrscheinlich", dass man Revision einlege. Die Anwälte Hubertus Krause und Norman F. Jacob zeigen sich "absolut zufrieden" mit dem Urteil. Der Verteidigung sei "zugehört worden".
"Das Strafmaß lässt sich gerade noch vertreten", erklärt Jürgen Scholl, einer der Nebenklagevertreter, nach der Verhandlung. Auch wenn er die Aufklärung des Falls vor Gericht für gut befinde, hält er es für problematisch, dass gegen den Orthopäden kein Berufsverbot verhängt wurde: "Ihm das Berufsverbot nicht zu geben, finde ich falsch", sagt Scholl.
Iich kenne sowas von Zivilverfahren, Mängel, aber auch. 5 Jahre für nur einen Sachverhalt Badezimmermängel , verschleppt, immer noch mehr schweigsame Zeugen ((s. Scholz!) geladen, damit das klare Urteil nicht gesprochen werden musste. Nach 5 Jahren war die B.GmbH Firma insolvent, und wir um einen größeren, 5stelligen Betrag ärmer. Der Gesellschafter-GF der GmbH gründete eine neue auf den Namen seiner Ehefrau. Später wurde mir zugetragen, dass der Richter und der gegnerische Anwalt zusammen golfen. So ist das dann.
Was ich noch allgemein ganz sachlich anmerken möchte ist, dass es sicher nicht nur mir bekannt ist, dass hinter (das meine ich wörtlich, also hinter dem Behandlungsstuhl, sie sieht die Frau nur vom Hinterkopf) eines Frauenarztes eine Mitarbeiterin sitzt - immer! Beim Wunsch nach 4-Augen-Gespräch wird sie rausgeschickt. Wahrscheinlich ist das meist eher der Arzt, der sich so vor Verleumdungen schützt, auch verständlich. Doch Frauen sollten darauf bestehen. Wenn ein Arzt das nicht akzeptiert - mmhh!
Der Rahmen der Rechtsprechung wird nur ganz selten ausgeschöpft!
Die Opfer stehen hinterher wie die Deppen da!
Heftige junge Straftäter werden heute viel zu oft mit milden Urteilen nach dem Jugendstrafrecht abgeurteilt, was für diese jungen Täter kaum Konsequenzen hat.
Wir brauchen kein schärferes Strafrecht, sondern nur eine Konsequente Anwendung der Gesetze die bereits gelten...
Das dieser Arzt seine Approbation möglicherweise sogar wieder zurückbekommen kann, ist für mich ein Faustschlag ins Gesicht der Opfer.
Wäre die Tochter des Richters, oder der Richterin, davon betroffen gewesen, wie hätten die da wohl geurteilt?
Ich bilde mir meine Meinung gerne selbst.
Dankeschön
Missbrauchstäter bekommt 2 Jahre auf Bewährung, ein Hohn für die Missbrauchsopfer! Das Gericht sollte sich schämen, solch ein Urteil zu verkünden! Was haben wir nur für eine seltsame Rechtssprechung in Deutschland?