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Schweinfurt
"Ich schäme mich zutiefst": Schweinfurter Orthopäde gesteht vor Gericht, Frauen heimlich gefilmt zu haben
Mit immer demselben Trick soll der Mann das Vertrauen seiner Patientinnen und Mitarbeiterinnen ausgenutzt haben. Die Vorwürfe gehen weit über Filmaufnahmen hinaus.
Ein Orthopäde muss sich vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. Er soll sexuelle Handlungen an Patientinnen vorgenommen und von ihnen und seinen Mitarbeiterinnen unbefugt intime Bildaufnahmen angefertigt haben.
Foto: Daniel Löb, dpa | Ein Orthopäde muss sich vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. Er soll sexuelle Handlungen an Patientinnen vorgenommen und von ihnen und seinen Mitarbeiterinnen unbefugt intime Bildaufnahmen angefertigt haben.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:19 Uhr

Die Szene auf dem Weihnachtsmarkt ist ein Schlüsselerlebnis für die junge Frau. Für sie war die Bewegung, die ihr Chef machte, als man sich locker und heiter offenbar über Hunde unterhielt, nicht nachvollziehbar. Seine Hand habe ihre linke Brust berührt, erzählt die 28-Jährige vor Gericht, "und das war keine streifende Bewegung". Auch ihre Kolleginnen hätten den Vorfall gesehen. Entschuldigt habe er sich nicht und auch sonst nicht darauf reagiert, was gerade passiert sei.

Sechs Jahre später sitzt ihr ehemaliger Chef, ein Orthopäde, vor dem Landgericht Schweinfurt. Geht es nach der Staatsanwaltschaft, ist der Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt im Winter 2017 nämlich nicht der einzige Übergriff des 59-Jährigen. In der Anklageschrift ist die Rede von acht Frauen und einem Tatzeitraum von 2017 bis 2020. Der Vorwurf: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, sexuelle Belästigung.

Mitarbeiterinnen berichten von unangemessenen Kommentaren

Der Arzt trägt zunächst einen Kapuzenpullover, eine Maske und eine Sonnenbrille. Erst als die Verhandlung beginnt, setzt er schließlich auch die Maske ab, lässt die letzte Hülle fallen, die seine Identität verstecken sollte. Dass er sich hier vor Gericht verantworten muss, ist dem 59-Jährigen sichtbar unangenehm. Der Orthopäde darf zwar weiter praktizieren, allerdings vorläufig keine Frauen behandeln.

Gemerkt hatte von den mutmaßlichen Vorfällen lange Zeit niemand etwas. Seine ehemaligen Mitarbeiterinnen berichten vor Gericht zunächst von einem "normalen Arbeitsverhältnis" in der Praxis, es habe Spaß gemacht, dort zu arbeiten. Aber sie erzählen auch davon, dass der Chef immer viel Privates über sie wissen wollte. Und von unangemessenen Kommentaren seinerseits über Patientinnen. Von ständigen Blicken aufs Dekolleté bei Frauen; wie er Patientinnen "angeglotzt" habe.

Orthopäde soll Helferinnen von Behandlungen ausgeschlossen haben

Und sie berichten, dass er ihnen selbst unangenehm nah gekommen sei. Auch um Behandlungen der Patientinnen nach den Sprechstunden geht es. Behandlungen, bei denen die Helferinnen ausdrücklich nicht in den Behandlungsraum kommen sollten. Ein nicht übliches Angebot, wie eine der Mitarbeiterinnen berichtet. Man habe sich unter den Kolleginnen schon darüber gewundert. Einmal habe ihr Chef ihr angeboten, dass sie seine Badewanne benutzen könne, wenn sie mal wieder baden wollen würde, berichtet eine andere und sagt: "Völlig unangemessen."

"Ich war schockiert. Das hätte ich nicht gedacht."
Ehemalige Mitarbeiterin des Arztes

Dass ihr Chef auf der Personaltoilette eine Kamera installiert und sie beim Toilettengang gefilmt haben soll, erfahren die Frauen im Sommer 2020 von der Kriminalpolizei. Die Beamten zeigten ihnen Bilder, eine Kosmetiktasche, eine Uhr, einen Schal. Und die Frauen erkannten sich und ihre Gegenstände, heimlich gefilmt auf der Personaltoilette. "Ich war schockiert. Das hätte ich nicht gedacht", sagt eine von ihnen. Als die Kammer die Videos auf der großen Leinwand abspielt, dreht sich der Angeklagte mit seinem Stuhl weg. Er will das offenbar nicht sehen.

Täter-Opfer-Ausgleich könnte in der Urteilsfindung eine Rolle spielen

In der Anklageschrift geht es auch um Behandlungen bei Patientinnen, die immer nach dem gleichen Muster abgelaufen sein sollen: Die Frauen sollten sich obenrum ausziehen, auf die Behandlungsliege setzen oder legen. Der Arzt habe dann vorgegeben, einen wichtigen Anruf entgegennehmen zu müssen. Tatsächlich soll er aber dann Fotos und Videos der Frauen aufgenommen haben. 

Der 59-Jährige räumt vor Gericht ein, die Frauen heimlich fotografiert oder gefilmt zu haben. "Ich schäme mich zutiefst und entschuldige mich ausdrücklich dafür", lässt er gleich zu Beginn von seinem Verteidiger verlesen und wiederholt diese Worte auch später noch einmal gegenüber einer Patientin. Zu den anderen Vorwürfen macht er zu dem Zeitpunkt keine Angaben. 

Er habe sich um Schadensbegrenzung bemüht, sagt sein Verteidiger. Was er damit meint: Es habe einen Täter-Opfer-Ausgleich zwischen ihm und zwei seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen gegeben. Es handelt sich dabei um eine Art der außergerichtlichen Konfliktbewältigung. Die Geschädigten der Straftat erhalten einen finanziellen Ausgleich, für den mutmaßlichen Täter dürfte sich dieses Nachtat-Verhalten positiv in der Strafzumessung auswirken. Damit sei das Thema für sie "erledigt", sagt eine der Frauen.

Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt. Dann sollen weitere Frauen und ein medizinischer Gutachter zu Wort kommen.

 
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  • P. L.
    jetzt wo/weil er erwischt wurde schämt er sich..als er seine abscheulichen Taten begangen hat nicht.
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  • C. D.
    Meine Hochachtung der Patientin gegenüber, die den Mut hatte, den Tatbestand zur Anzeige zu bringen und sich nicht mit einer Geldzahlung zur Vertuschung hat abspeisen lassen!
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  • D. H.
    Wenn ich jetzt einen Orthopäden-Termin machen will, muss ich beachten, dass er nicht ca. 59 Jahre alt ist, denn das könnte der verurteilte Arzt sein. Unverständlich dieses Urteil.
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  • M. S.
    @dohpt: oder versuchen als Frau einen Termin zu bekommen. Wenn da grundsätzlich abgewimmelt wird weiß man was Sache ist. Gibt es dort überhaupt noch weibliche Angestellte? Würde mich wundern. Arzthelferinnen sind überall gesucht und Männer gibt es in diesem Beruf kaum.
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  • W. M.
    Ich denke auch, dass mit der Altersnennung ist unglücklich. Meines Erachtens hätte man das alter entweder weglassen sollen oder erwähnen, dass dieser Arzt vor geraumer Zeit seine Praxis übergeben hat, oder nicht in Schweinfurt tätig ist. Jetzt geraten alle möglichen Orthopäden, auf die die Altersangabe zutrifft (+/- 1 Jahr) in Verdacht, und müssten im Prinzip auf ihrer Website informieren, dass sie damit nichts zu tun haben.
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    Mit der Zahlung einer Entschädigung sei der Fall für sie erledigt, sagte eine Frau. Wie schön, dass Geld für sie alles wegwischt. Anderen Frauen geht es bestimmt nicht so und kann oft ein Leben lang nicht vergessen werden, Vertrauen ging verloren. Geht man jetzt zum Orthopäden fragen sich viele: war der das? Ist der sog. Ärztemangel Schuld, dass er so ein mildes Urteil erhält und was soll das, dass er nur keine Frauen behandeln darf? Was ist unsere Justiz - Lenor Weichspüler?
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  • S. L.
    Unglaublich welch eine Frechheit der Täter hier nutzt. Vermummt sich.. ha ha… so was sollte Grundsätzlich verboten werden. Es macht mich Wütend und Sprachlos.Er ist der Täter und muss sich seiner Sache stellen ohne sich zu Verschleiern auch wenn er es später abgelegt hat. Solche Täter gehören der Öffentlichkeit gezeigt. Das er noch Arbeiten darf, unglaublich. Da verliert man den Glauben an Gerechtigkeit , solche Menschen gehören weg und fertig.
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  • M. S.
    Zitat zum Stichwort Täter-Opfer-Ausgleich: "Die Geschädigten der Straftat erhalten einen finanziellen Ausgleich, für den mutmaßlichen Täter dürfte sich dieses Nachtat-Verhalten positiv in der Strafzumessung auswirken."

    Mein Gerechtigkeitsempfinden sagt mir, dass so etwas bei der Urteilsfindung und der Strafzumessung eigentlich keine große Rolle spielen sollte! Dadurch werde Personen mit (viel) Geld bevorteilt. "Armen" Straftätern ist so ein finanzieller Täter-Opfer-Ausgleich gar nicht möglich d.h. viel Geld geringer Strafe, kein Geld höhere Strafe...

    So ein Arzt sollte allgemein nicht mehr praktizieren dürfen, Ärztemangel hin oder her.

    Wer weiß welche sexuellen Absonderlichkeiten dieser Arzt noch so an den Tag legt. Jetzt darf er nur noch Männer behandeln. Wer aber garantiert, dass es dem Arzt nicht auch Freude bereitet heimlich männliche Patienten auf der Toilette oder während der Behandlung zu filmen?
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  • S. K.
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  • S. W.
    Dieses Verhalten macht sprachlos!

    Erst Frauen missbrauchen und nackt filmen und sich selbst dann beim Prozess vermummen.

    Man fragt sich stets, warum es so lange dauert, bis das ganze Ausmaß ans Licht kommt. Weil sich die Opfer schämen, Angst haben oder das Ganze lange selbst nicht glauben können?

    Interessant wäre, wie es zu dieser Anklage gekommen ist bzw. wie die Kripo davon erfuhr. Das kann man aus dem Artikel leider nicht erkennen.
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  • K. F.
    bei solchen Sachen gehört das Vermummungsverbot aufgehoben!
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  • G. L.
    Wenn sie das Vermummungsverbot aufheben, ist man vermummt…..
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  • H. G.
    So einem Arzt muss die Approbation entzogen werden. Vom Verkauf der Praxis sollen dann die sexuell angegangenen Frauen entschädigt werden.
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  • S. F.
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    Ich dachte in Deutschland ist Vermummungsverbot? 🙊
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  • U. S.
    gardner,das dachte ich mir auch. Was mich immer fürchterlich ärgert. Egal,wer. Vergewaltiger,Kinderschänder oder die Deppen der Sogenannten illegaler Autorennen. Die fühlen sich bei begehen Ihrer Straftaten soo toll, da sind Sie nicht vermummt,aber wenn Sie dann vor Gericht müssen. Da kann der Ordner oder die Mütze nicht groß genug sein. Das gehört verboten. Aber die "armen" Täter. den Rest Spar- ich mir.
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