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Kreis Schweinfurt
Ukrainerinnen in Schweinfurt sammeln Spenden für Kriegsflüchtlinge
Aus einer privaten Hilfsaktion ist eine große Spendensammlung entstanden. Wie zwei Frauen ihrer Heimat helfen und dabei viel Unterstützung erfahren.
In vier Schweinfurter Garagen und einem Lagerraum in Gochsheim werden täglich zwischen 17 und 18 Uhr Spenden für die Menschen im Krieg in der Ukraine entgegen genommen.
Foto: Kristina Kovtun | In vier Schweinfurter Garagen und einem Lagerraum in Gochsheim werden täglich zwischen 17 und 18 Uhr Spenden für die Menschen im Krieg in der Ukraine entgegen genommen.
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:00 Uhr

Antonina Sarkanitsch und Kristina Kovtun machen einen erschöpften und gleichzeitig entschlossenen Eindruck, als sie am Mittwochvormittag bei einem Kaffee in der Küche einer Schweinfurter Wohnung sitzen. Den beiden jungen Frauen setzt der Krieg, der seit einer Woche in ihrer alten Heimat Ukraine herrscht, enorm zu.

Sarkanitsch kam vor sieben Jahren nach Schweinfurt, die Familienmitglieder ihres Mannes sind Spätaussiedler. Als solche zog auch Kovtuns Familie vor 20 Jahren nach Deutschland. Beide stammen aus der Nähe der 85 000-Einwohnerstadt Mukatschewo ganz im Westen der Ukraine, im Oblast Transkarpatien, unweit der Grenzen zu Ungarn, Rumänien und der Slowakei.

Sarkanitsch' Eltern, Großeltern und Brüder leben in der Ukraine. Über die Whatsapp-Familiengruppe erfuhr sie vom Kriegsbeginn. Nach zwei Tagen Nachrichtenlesen auf dem Handy sagte sie sich: "Ich muss etwas tun." Sie überlegte, wie man von Schweinfurt aus helfen kann und gründete als ersten Schritt in der Nacht auf Samstag eine Whatsapp-Gruppe, in der sie zunächst ukrainische Landsleute aus der Gegend einlud, um sich über Hilfsmöglichkeiten auszutauschen.

Am Samstagabend war die maximale Gruppengröße des Chats mit 250 Personen erreicht. Seither bekommt Sarkanitsch über 100 Anrufe täglich. "Wir haben nicht erwartet, dass sich so viele Menschen einschalten wollen", erzählt Kovtun. "Wir dachten, das bleibt eine Sache zwischen Ukrainern hier und engen Freunden."

Helferinnen müssen bis zu acht Stunden an der Grenze anstehen

In Sammelstellen in Schweinfurt und Gochsheim wird seit dem Wochenende alles gesammelt, was in der Ukraine gebraucht wird. Die Hilfsgüter werden direkt an die ungarisch-ukrainische Grenze gefahren. Am Sonntag starteten der erste bis unters Dach vollgepackte Transporter und ein Pkw auf die 1200 Kilometer lange Strecke in Richtung Ukraine. Acht weitere Fahrten von Schweinfurt aus folgten seither. Auf der ungarischen Seite der Grenze werden die Hilfsgüter an Helferinnen aus der Ukraine übergeben, die davor bis zu acht Stunden an der Grenze anstehen müssen.

Alle packen mit an, um den Menschen im Krieg in der Ukraine zu helfen. Gezielt wird eingekauft, was vor Ort gerade am dringlichsten benötigt wird.
Foto: Kristina Kovtun | Alle packen mit an, um den Menschen im Krieg in der Ukraine zu helfen. Gezielt wird eingekauft, was vor Ort gerade am dringlichsten benötigt wird.

"Wir bekommen täglich Infos von unseren Kontakten in der Ukraine, was gerade am nötigsten gebraucht wird", erklärt Kovtun. Über die Chat-Gruppe und über Social-Media-Kanäle werden stetig aktualisierte Listen geteilt. Man müsse sich nur in die Situation der Menschen versetzen: "Was brauchst du zum Überleben, wenn du in einem Bunker sitzt oder in der Kälte an der Grenze ausharrst?", sagt Kovtun. Decken, Kissen, Schlafsäcke, Matratzen, Taschenlampen, Powerbanks, leicht mit Wasser anzumischende Nahrungsmittel, Babynahrung und Windeln nennt sie als Beispiel.

Sarkanitsch erzählt von Kindern, die zwei Tage ohne Essen in einem Keller ausharren mussten. Die beiden Frauen können von unzähligen schrecklichen Schicksalen aus der alten Heimat berichten. "Es ist der reinste Albtraum", sagt Kovtun. In ihren alten Wohnorten fanden bislang noch keine akuten Kriegshandlungen statt, daher würden auch Menschen aus dem ganzen Land ins Oblast Transkarpatien flüchten. Medikamente und Nahrungsmittel sind dort bereits nach einer Woche Krieg knapp.

Viele Unterstützer in Stadt und Landkreis Schweinfurt

Die aus dem privaten Bereich entstandene Hilfsgemeinschaft aus Schweinfurt gerät inzwischen an ihre Kapazitätsgrenzen. Baldmöglichst möchten deshalb die beiden Frauen ihre Hilfe auf ein breiteres Fundament stellen. Sarkanitsch bekam viele Anrufe von Bürgermeistern aus Gemeinden aus dem Landkreis und Verbänden aus Schweinfurt, auch Gespräche mit der Stadt Schweinfurt laufen. Unternehmen, Apotheken und Krankenhäuser aus Stadt und Landkreis gehören ebenfalls zu den Unterstützern.

Die Übergabe an der ungarisch-ukrainischen Grenze. Frauen aus der Ukraine übernehmen die Transportladung mit den gesammelten Spenden aus Schweinfurt.
Foto: Sarkanitsch | Die Übergabe an der ungarisch-ukrainischen Grenze. Frauen aus der Ukraine übernehmen die Transportladung mit den gesammelten Spenden aus Schweinfurt.

Das Helfen hilft auch Kovtun und Sarkanitsch, um mit der Situation klar zu kommen. "So haben wir das Gefühl, wenigstens ein bisschen helfen zu können." Beide bewahren sich einen bemerkenswerten Blick auf die Geschehnisse. "Ich bin unfassbar stolz. Ich hätte nicht gedacht, dass hier so viele Menschen helfen. Die ganze Welt hält zusammen. Das habe ich noch nie so mitgekriegt", findet Kovtun. Auch der Zusammenhalt in der Ukraine sei riesig, ergänzt Sarkanitsch.

Die humanitäre Hilfe von Schweinfurt in die Ukraine soll fortgesetzt werden. So viel und so schnell wie möglich. "Uns geht es um Frieden", betont Sarkanitsch. "Wir haben gar keine Zeit für irgendwelche Diskussionen." Auch russischstämmige Schweinfurter spenden, genauso wie Geflüchtete aus Syrien oder Afrika. "Alle spenden", betont Kovtun. Angetan waren die Beiden auch von der großen Teilnehmerzahl bei der Friedensmahnwache auf dem Schweinfurter Marktplatz am vergangenen Sonntag.

Information: Spenden werden weiterhin täglich von 17 bis 18 Uhr an den Garagen "Alter Wartweg 31" in Schweinfurt und an einem Lagerraum in der "Schonunger Straße 8" in Gochsheim entgegen genommen.

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