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Hundelshausen
Trotz Gefährdung bei Starkregen: In Hundelshausen soll weitere Bodenfläche versiegelt werden
Bauen im Überschwemmungsgebiet: Bei der Planung einer Neubausiedlung in Hundelshausen spielen die Dorfgeschichte und die Gesetzmäßigkeiten der Natur keine Rolle.
Die geplante Siedlungsfläche südlich der Kirche in Hundelshausen wird wie hier im Bild immer wieder überschwemmt. In diesem Ausmaß zuletzt 2021 und 2016.
Foto: Rosie Füglein | Die geplante Siedlungsfläche südlich der Kirche in Hundelshausen wird wie hier im Bild immer wieder überschwemmt. In diesem Ausmaß zuletzt 2021 und 2016.
Rosie Füglein
 |  aktualisiert: 18.03.2024 02:42 Uhr

Karl Auerswald ist praktizierender Landwirt, war viele Jahre Professor an deutschen Universitäten und ist Autor des Buchs "Hochwasserschutz im ländlichen Raum". Bei Vorträgen in Schweinfurt und Unterpleichfeld Ende Februar zeigte er auf, wie wir durch die Art und Weise, wie wir in den vergangenen Jahrzehnten mit unseren Böden umgegangen sind, den Klimawandel beschleunigt, Dürren und Hochwasserereignisse geradezu herbeigerufen und landwirtschaftliche Erträge geschrumpft haben.

"Eine Katastrophe wie im Ahrtal kann jederzeit auch in Bayern passieren", ist Auerswald überzeugt. "Wir wissen nur nicht wann." Er appellierte deshalb an den gesunden Menschenverstand: "Wir brauchen wieder mehr Feuchtflächen und müssen endlich anfangen, versiegelte Flächen wieder zu entsiegeln."

In Hundelshausen soll die Versiegelung erst einmal weitergehen wie bisher

In dem 220-Seelen-Ort Hundelshausen soll die Versiegelung erst einmal weitergehen. Der geänderte Flächennutzungsplan sieht drei große Baugebiete für Wohn- und Gewerbeflächen rund um das Dorf vor. Dieses würde sich drastisch verändern. Nicht nur optisch.

Auch der Verkehr entlang der Hauptstraße, den viele schon jetzt als belastend empfinden, würde weiter zunehmen. Insgesamt sollen rund 38.000 Quadratmeter Boden unter Beton verschwinden. Was dabei besonders irritiert: Auch auf einer Fläche südlich der Kirche, durch die der Bimbach fließt und die immer wieder überschwemmt wird, will die Gemeinde eine Neubausiedlung schaffen.

In Gesprächen mit Menschen, die Hundelshausen lange und gut kennen, tritt Interessantes zutage. Da ist zum Beispiel Rudolf Kuhn. Der Lehrer kam 1967 nach Hundelshausen und baute das erste Haus in der Siedlung am Kirchplatz. Der 81-Jährige erinnert sich: "Ein letztes Jahr verstorbener Siebener sagte immer wieder zu mir: ‚Sei froh, dass Dein Haus hier oben auf der Anhöhe steht, hier bist Du auf der sicheren Seite. Dort unten Richtung Michelau hat ein Wasser einmal alles weggeschwemmt.‘" Kuhn fragt sich: "Weitere Wohn- und Gewerbegebiete rund um unser kleines Hundelshausen – enden wir dann wie die hässlich ausfransenden Ortschaften Dingolshausen und Gerolzhofen?"

Schon früher ein sumpfiges Gebiet

Karl-Heinz Meidel (92 Jahre) sagt: "Dort, wo das neue Siedlungsgebiet entstehen soll, streifte ich schon in meiner Kindheit umher. Das war schon damals ein sumpfiges Gebiet." Also ein Feuchtgebiet und genau das, wovon wir laut Auerswald wieder mehr brauchen.

Longin Mößlein war Lehrer im Hundelshäuser Nachbarort und 40 Jahre Kreisheimatpfleger im Landkreis Schweinfurt. Er weiß, wo Hundelshausen historisch herkommt, und es macht ihn traurig, wo es nun hinstrebt. Nachdenklich fragt der 85-Jährige: "Immer noch mehr hässlicher Siedlungsbrei, der sich in das Steigerwaldpanorama hineinschiebt und den Blick verstellt?" Er wundert sich auch über die Geschichtsvergessenheit der Amtsträger, die Häuser in ein Gebiet pflanzen wollen, in dem Wasser von jeher eine große Rolle spielte.

Aus einem Bücherregal in seiner Gerolzhöfer Wohnung zieht Mößlein die Hundelshäuser Dorfchronik aus dem Jahr 1919. Aus ihr wird deutlich: Hundelshausen war einst ein typisches Straßendorf. Die Häuser schlängelten sich entlang eines Höhenwegs, der Hauptstraße, wie auf einem Damm. Südlich davon lagen zahlreiche Seen. Auch genau dort, wo die neue Siedlung entstehen soll, lag ein See: der Herrensee. Von der einstigen Seenlandschaft ist heute nur noch ein See übrig: der Dorfsee.

Trotz Gefährdung bei Starkregen: In Hundelshausen soll weitere Bodenfläche versiegelt werden

"Naturgeschichtliche Erkenntnisse wie frühere Gewässer, die Hinweise auf die Entstehung wassersensibler Bereiche geben, müssen frühzeitig in die Planung mit einbezogen werden." Das fordert Diplom-Geograf Martin Deuring, Leiter des Referats "Hochwasserrisikomanagement" am Bayerischen Landesamt für Umwelt. Das Amt stellt im Internet Informationen und Karten zur Verfügung.

Geländesenken, die sich mit Wasser füllen, sollten in der Regel nicht bebaut werden

Deuring: "Diese Informationen sollten idealerweise vor der Erstellung eines Flächennutzungsplans zurate gezogen werden. Sie machen ersichtlich, welche Konsequenzen eine Planung und deren Umsetzung im Falle eines Starkregenereignisses für einen Ort und seine Bewohner haben kann. Sie helfen, Schutzmaßnahmen zu treffen, und zeigen auf, wie Straßen und Wege zu führen sind. Geländesenken, die sich mit Wasser füllen, sollten in der Regel nicht bebaut werden."

Trotz Gefährdung bei Starkregen: In Hundelshausen soll weitere Bodenfläche versiegelt werden

Michelau und seine Ortsteile schmiegen sich an die Hänge des bis auf 490 Meter ansteigenden Steigerwaldhöhenzuges. Die Landschaft ist geprägt von herabziehenden Stirn- und Sickerbächen. Bei Starkregen werden diese topografischen Gegebenheiten zum Problem. Nach Einschätzung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft ist die Starkregengefährdung in Hundelshausen sehr hoch. Und Hundelshäuser Bürger befürchten, dass sich die Gefahr durch die großflächige Versiegelung von Boden weiter erhöht.

Andreas Kirchner vom Wasserwirtschaftsamt in Bad Kissingen schreibt einer besorgten Bürgerin, dass sein Amt die Bebauung wassersensibler Bereiche an Flüssen und Bächen wie in jenem geplanten Neubaugebiet in Hundelshausen grundsätzlich kritisch prüfen werde. Allerdings lägen die hierfür notwendigen Berechnungen der Gemeinde noch nicht vor. Kirchner weist zudem darauf hin, dass das Wasserhaushaltsgesetz vorschreibe, Überschwemmungsgebiete wie in Hundelshausen als Wasser-Rückhaltefläche zu erhalten.

Frühzeitig mit Hochwassergefahren auseinandersetzen

Warum setzt sich die Gemeinde Michelau nicht frühzeitig und ernsthaft mit den Hochwassergefahren auseinander? Kommt man später zum Ergebnis, dass eine Bebauung der Fläche nicht sinnvoll und machbar ist, hat man viel öffentliches Geld, Zeit und Energie verschwendet.

Auch die 49-jährige Hundelshäuserin Sandra Ring weist auf ungeklärte Fragen hin: "Woher kommen zusätzliche Kindergartenplätze? Was ist mit unserer Kanalisation und der Kläranlage, reichen die Kapazitäten für mehr Bürger aus? Braucht und verträgt unser gemütliches Hundelshausen tatsächlich an jedem Ortsende ein Baugebiet? Bringt das nicht viel zu viel Unruhe ins Dorf?"

Ein begonnenes Baugebiet am anderen Ende des Ortes, an der Gartenstraße Richtung Traustadt, entfernte die Gemeinde aus dem Flächennutzungsplan. Der Grund: Die unterirdische Verlegung von Stromkabeln sei zu teuer. Die Frage, ob es einen Kostenvergleich zwischen beiden Baugebieten gab – schließlich kosten auch Voruntersuchungen und Hochwasserschutzmaßnahmen die Gemeinde und Bauherren Geld – beantwortete die Gemeinde nicht. Ebenso wenig beantwortete sie die Frage, ob sie sich bereits mit den Hochwassergefahren auf der geplanten Siedlungsfläche südlich der Kirche auseinandergesetzt hat.

 
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  • Albert Bauer
    @Frau Füglein: bei aller berechtigter Kritik: billige Polemik ist hier nicht angebracht. Wenn ein Baugebiet 38000 qm umfasst, heißt das nicht, dass 38000 qm „unter Beton verschwinden“. Versiegelt wird vielleicht ein Drittel davon, der Rest sind Gärten. Immer noch genug Versiegelung, aber von einer Tageszeitung erwarte ich neutrale Berichterstattung und keine Polemik.
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  • Ulrike Schneider
    Dieser Artikel ist fundiert recherchiert und ganz gewiss nicht billige Polemik! Der Artikel sollte Sie wachrütteln, Herr Bauer! Stattdessen fangen Sie an, Erbsen zu zählen….
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  • Edith Kram
    @GF:
    Leerstehende Gebäude, ungenutzte Bauplätze - es wäre viel Platz da, wenn sich der Gesetzgeber endlich mal dieser Spekulationsobjekte annehmen würde.

    Abgesehen davon darf man schon fragen, welcher "Halb-Venezianer" in diesem Wasserloch sein Haus auf Stelzen bauen will?
    Oder wird das gar die "neue Art zu Bauen", um dem Vorwurf der Flächenversiegelung zu umgehen?

    Andererseits finde ich es schon merkwürdig, dass man beim dringend benötigten Wohnungsbau jedes Detail in Zweifel zieht, bei der Versiegelung mit stundenweise wirksamer Photovoltaik aber großzügig umgeht.
    Auch bei den Autobahnen wird, vorallem für den Reiseverkehr unserer Nachbarländer, großzügig ausgebaut.

    Meine Hoffnung ruht auf der Grundsteuerreform, welche den Gemeinden die Gelegenheit geben könnte, die Hebesätze für Leerstände und Spekulationsobjekte sehr deutlich nach oben zu schrauben.

    Dann müßte man auch nicht auf Stelzen bauen....
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  • Uwe Luz
    Manche Kommunalpolitiker haben den Schlag noch nicht gehört.

    So planen die Gemeinde Schonungen und der Landkreis SW die Versiegelung eines Ackers in einem vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausgewiesenen Wildlebensraum-Modellgebiet für den ca. 112 m langen und über 60 m breiten Neubau eines Schulgebäudes, anstatt Baumöglichkeiten im Innenbereich zu nutzen.

    Wo man hinsieht: "Flächenversiegelung nein, aber bei uns die Ausnahme". Und währenddessen geht der natürliche Wasserhaushalt vor die Hunde.

    Wir müssen anfangen, damit aufzuhören.
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  • Gerald Effertz
    "W1eitere Wohn- und Gewerbegebiete rund um unser kleines Hundelshausen – enden wir dann wie die hässlich ausfransenden Ortschaften Dingolshausen und Gerolzhofen?" Lieber Herr Kuhn, ich bin gebürtiger Dingolshäuser, ich finde nicht dass Dingolshausen hässlich ist. Zudem sich auch viele neue Mitbürger ins Dorfgeschehen einbringen. Ich sehe das als großen Gewinn. Viele liebe Grüße!
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  • Ulrike Schneider
    @Effertz… Gerolzhofen etc. die Liste der durch Gewerbegebiete verbauten, regelrecht verhunzten fränkischen Ortschaften ließe sich endlos fortsetzen. Viele Bürgermeister und Gemeinderäte priorisieren Baugebiete und Einkaufszentren - Natur und Kulturlandschaften interessieren nur wenige. In mein eigenes Heimatdorf Gochsheim würde ich zum Beispiel nie mehr zurückziehen, weil es sich wie eine Krake ausgebreitet hat und dabei hässlich geworden ist. Wir sind dabei, unsere fränkische Heimat zu verbauen… und damit unsere Zukunft! Und leider kommt dazu ausgerechnet von den Politikern, die so gerne das Wort Heimat bemühen und mit Dirndln und Lederhosen schaulaufen, kein kritisches Wort!
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