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Schweinfurt
Trotz Angst vor Corona: Warum man dennoch zum Arzt sollte
Aus Angst vor Corona nicht mehr zum Arzt gehen? Chefarzt Stephan Kanzler aus dem Leopoldina in Schweinfurt erklärt, wann eine Untersuchung dringend erforderlich ist.
Stephan Kanzler ist Chefarzt der Medizinischen Klinik II und Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämatologie und Onkologie am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt.
Foto: Lisa Marie Waschbusch | Stephan Kanzler ist Chefarzt der Medizinischen Klinik II und Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämatologie und Onkologie am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:01 Uhr

Gehen die Menschen aus Angst, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, nicht mehr zum Arzt? Diese Schlussfolgerung lässt zumindest eine Analyse der Frühinformationen der Abrechnungsdaten der bayerischen Praxen aus dem ersten Quartal 2020 vermuten. Seitdem in Bayern der Katastrophenfall ausgerufen wurde, sei die Zahl der Behandlungsfälle massiv zurückgegangen, schreibt der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns kürzlich in einem Positionspapier. Bei Fachärzten sei die Situation besonders kritisch. Doch: Es gebe "keinen Grund, aus Angst vor einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus den Praxisbesuch aufzuschieben", gibt der Vorstand Entwarnung.

Dass das bei vielen Patienten der Fall gewesen sein könnte, beobachtet Stephan Kanzler, Facharzt für  Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämatologie und Onkologie am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt, seit in dem Krankenhaus der Normalbetrieb wieder läuft. "Wir merken, dass Patienten mit weit fortgeschrittenen Symptomen kommen, die man hätte wirklich abklären müssen", sagt Kanzler. Vor zwei Monaten, so vermutet es der Mediziner, hätte man die Erkrankungen vielleicht noch mit Heilungsaussicht behandeln können, nun sei das schwieriger, da sie bereits verschleppt seien. Ähnliche Beobachtungen machten auch seine Kollegen aus den anderen Krankenhausbereichen. Auch Herzinfarkte oder Schlaganfälle beispielsweise seien teils später erkannt worden.

Krankenhäuser trotz Corona für Patienten da

Als Grund dafür nennt Kanzler, dass viele Patienten offenbar missverständlich gedacht haben, die Krankenhäuser hätten in der Corona-Krise "andere Probleme oder versorgen die Patienten gar nicht". Zudem seien auch Gerüchte im Umlauf, man könne im Krankenhaus nur mit einem aktuellen Covid-Test ambulant behandelt werden. "Das ist falsch", erklärt Kanzler. Zwar teste man im Leopoldina alle stationären Patienten und auch Notfallpatienten auf das Virus, bei ambulanten Patienten allerdings frage man nach entsprechenden Symptomen und Kontakten. "Es ist ja auch absolut widersinnig", sagt Kanzler. "Sie gehen in den Supermarkt oder setzen sich zwei Stunden zum Friseur und hier können Sie keine zehn Minuten eine Abklärung mit einem Arzt machen?"

Kanzler spricht explizit von "neuen Symptomen bei nicht vorerkrankten Menschen", bei denen man dringlichst einen Arzt aufsuchen sollte. "Wenn Sie einen unklaren Gewichtsverlust haben, wenn Sie Fieber oder Nachtschweiß haben, dann sind das immer Alarmsymptome, die es nicht erlauben, dass man drei Monate wartet", sagt der Mediziner. Gleiches gelte, wenn man Bluthusten habe, Knoten oder Schwellungen am Körper taste oder auffällige Laborbefunde bekomme. Genauso: "Wenn Sie im Januar das erste Mal Blut im Stuhl gesehen haben und das unklar ist, dann kann das etwas harmloses sein, es kann aber auch ein Darmtumor sein."

Untersuchungen finden alle statt

Während der Akutphase der Corona-Krise hätten zwar einige Vorsorgetermine nicht stattgefunden, weil das Krankenhaus sie "im Sinne der Allgemeinverfügung geschoben" hatte, berichtet Kanzler. Aktuell könne man aber "ohne Wenn und Aber" alle Untersuchungen wieder durchführen. Ihm gehe es darum, dass "die Nicht-Covid-Patienten nicht hinten runterfallen". Es könne nicht sein, "dass wir am Ende mehr Nicht-Covid-Schadensfälle haben als Covid-Schadensfälle im Gesundheitswesen", zeigt sich Kanzler besorgt. "Was ich da sehe im Moment, macht mir ein bisschen Sorgen." Aktuell gibt es im Leopoldina-Krankenhaus keine nachgewiesenen Covid-Patienten.

Weil viele Menschen die Untersuchungen aufgeschoben haben, sieht der Mediziner nun noch ein weiteres Problem: "Viele Patienten kriegen erst Termine in zwei, drei Monaten." Er ist sich sicher, es werde eine zweite Corona-Welle geben, "wie es auch eine Grippewelle geben wird", und deshalb müsse man schauen, dass so etwas nicht wieder passt. Der Mediziner appelliert sowohl an die Ärzte, die Symptome vorrangig abzuklären, als auch an die Patienten, sich nicht mit langen Wartezeiten auf Termine abspeisen zu lassen "Innerhalb von zehn Tagen sollte man mit den spezifischen Symptomen eine Abklärung hinkriegen."

 
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Kommentare
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  • gowell70@yahoo.de
    Für mich hört sich das Ganze etwas so an, als ob die notleidende Fachärzteschaft um ihren üppigen, bisherigen Umsatz bangt....
    Oder andersrum:
    Der deutsche Mensch ist in den letzten Jahren halt wegen jedem nichtigen Wehwehchen zum Facharzt gerannt, und wurde auch noch in diesem Vorgehen bestätigt...lieber einmal zu oft, als zu wenig ..blabla....
    Wenn Mensch sich artgerecht verhalten würde und ernähren würde bräuchte Mensch deutlich weniger Arztbesuch.
    Aber dann würde das medizinische Fachpersonal ja am Hungertuch nagen !
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