Wer "Lucky" und "Luis" sieht, versteht auf Anhieb, weshalb Menschen die beiden so schnell ins Herz schließen. "Lucky", der Goldendoodle, ähnelt mit seinem lockigen Kuschelfell einem zu groß geratenen Teddybär. Und "Luis", mit seinem hellen Fell, zählt als Labrador ohnehin zu den beliebtesten Hunden. Dass beide Rüden nicht nur handzahm, sondern auch anschmiegsam und stark kuschelbedürftig sind, macht ihnen eine besondere Aufgabe, die sie haben, noch leichter: Beide sind als Therapiehunde im Einsatz, "Lucky" im Wohnstift Steigerwald in Gerolzhofen, "Luis" im Gerolzhöfer Pflegestift.
Eine Trainerin in der Hundeschule hatte Sabine Maier darauf gebracht, mit "Lucky" im Anschluss an den Benimmkurs für Hunde "noch irgendetwas zu machen". Im Wesen des Hundes stecke einfach zu viel Potenzial. Dies hatte sein Frauchen ebenfalls bereits erkannt. "Ein sportliches Angebot hat mich nicht so gereizt", erzählt die 53-Jährige aus Gerolzhofen. So sei sie auf die Idee gekommen, ihren "Lucky" als Therapiehund einzusetzen. "So kann ich auch etwas Soziales einbringen", sagt Maier. Dies liegt ihr.
Gerty Fischer aus Michelau hat ähnliche Erfahrungen mit ihrem "Luis" gemacht. Als der Welpe zu ihr kam, war es nicht ihr erster Hund. Doch sie hat gleich erkannt, "wie unheimlich freundlich" der Kleine war. "Vom Käfer im Garten bis zum Menschenbaby: Luis liebt alle und alles", sagt die 59-Jährige, die neben "Luis" drei weitere Therapiehunde besitzt.
Doch allein aus einer Idee seines Besitzers heraus, ist ein Hund natürlich noch lange kein Therapiehund. Davor steht eine Ausbildung. Und bevor diese startet, muss ein Hund zunächst einmal einen Wesenstest bestehen und beweisen, dass er auch geduldig und ruhig genug für seine künftige Aufgabe ist, schildern Ilse und Klaus Wanka. Die beiden aus dem Üchtelhäuser Ortsteil Weipoltshausen sind die Bereichsleiter für Unter- und Oberfranken des bundesweit tätigen Vereins Therapiehunde Deutschland, für den auch Sabine Maier und Gerty Fischer als Ehrenamtliche im Einsatz sind.
"Beim Wesenstest rollt beispielsweise jemand mit einem Rollstuhl voll auf den Hund zu", erläutert Ilse Wanka. Oder es scheppern Gehhilfen neben dem Tier auf den Boden. "Dies muss der Hund aushalten und ruhig bleiben." Wenn das Tier den Test besteht, dann folgt ein zweitägiges Basisseminar, bei dem der Hundebesitzer unter anderem lernt, die Äußerungen seines Tiers in bestimmten Situationen eindeutig zu erkennen, etwa, wenn es sich unwohl fühlt. Auch rechtliche Frage des Einsatzes in Einrichtungen stehen auf dem Stundenplan. Erst nach bestandener Prüfung steht für Hundeführer und Therapiehund der erste Einsatz an. Anfangs begleitet noch ein erfahrener Hundeführer das neue Team, sagt Ilse Wanka.
Einrichtungen, in denen Therapiehunde aktiv sind, können neben Alten- und Pflegeheimen beispielsweise Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sein, oder Schulen und Kindergärten, aber auch Privathaushalte. Es gibt bei den "Therapiehunden Deutschland" auch speziell ausgebildete Teams, die als Hospizbegleiter Sterbenden zur Seite stehen, berichtet Sabine Maier.
Sie hat mit ihren monatlichen Besuchen im Wohnstift Steigerwald im August 2019 begonnen. Im März 2020 folgte dann die Zwangspause wegen der Corona-Pandemie, die bis heute anhält. "Ich scharre mit den Füßen, dass es wieder losgeht", sagt Sabine Maier. Wann dies soweit ist, weiß Doris Platzöder, die kommissarische Leiterin des Wohnstifts, derzeit nicht; aktuell ließen die Sicherheitsregeln noch keinen Besuch im Heim zu. Doch würden sich schon alle – Mitarbeiter und die Bewohner – auf diesen Moment freuen. Denn: "Der Therapiehund kommt sehr gut an." Gerade auch für Demenzerkrankte sei der Besuch des Tieres "goldwert".
Gerty Fischer ist da schon einen Schritt weiter. Seit Januar darf sie mit "Luis" das Pflegestift Gerolzhofen wieder besuchen, wenn sie einen aktuellen negativen Corona-Test vorlegt. Die Einrichtungsleiterin dort, Silke Pfister, ist von dem Angebot begeistert: "Die Bewohner freuen sich darauf, am liebsten würden alle teilnehmen." Selbst ängstliche Bewohner fassten oft Vertrauen und trauten sich, den Hund zu streicheln.
Während der Besuche begegnen sich Therapiehund und Bewohner in der Regel in Gruppen von bis zu zehn Menschen – aber nicht mehr, denn das Tier darf auf keinen Fall überfordert werden. "Wenn sich der Hund unwohl fühlt, dann brechen wir den Einsatz ab", sagt Sabine Maier. Denn auf den Hund warten in der Einrichtung nicht nur jede Menge Streicheleinheiten und Leckerli, sondern auch ungewohnte Geräusche, eine fremde Umgebung und Gerüche, die er sonst nicht gewohnt ist.
Doch wenn alles passt für Tier und Mensch, dann erleben alle Beteiligten teils wundersame Szenen. Viele Bewohner erinnern sich an eigene Haustiere, die sie einst hatten, sagt Maier. Und Gerty Fischer bestätigt: "Die können stundenlang von früher erzählen, und das, obwohl sie manchmal nicht mehr wissen, was sie zu Mittag gegessen haben." Auch körperlich passiert etwas mit den Bewohnern, sobald der Hund im Raum ist. So habe sie etwa erlebt, wie eine Frau, die einen Schlaganfall hatte, mit größter Anstrengung versucht habe, den Hund zu streicheln.
Ein Hund spreche schnell die Emotionen des Menschen an. Doch auch das Tier merke sofort, wer im Raum am meisten seiner Nähe bedarf. "Manchmal weicht der Hund dann diesem einen Menschen nicht mehr von der Seite", beschreibt Sabine Maier.
Letztlich, bestätigen Sabine Maier und Gerty Fischer, würden sie beide selbst von ihren Besuchen in den Einrichtungen profitieren. Sie erlebten dabei so viel Freude und so schöne Momente, dass sie selbst gestärkt nach Hause gingen. "Es ist Wahnsinn, mit wie wenig Aufwand man so viel erreicht", sagt Sabine Maier. "Die eigentliche Arbeit macht schließlich der Hund", meint Gerty Fischer.