Derzeit laufen bundesweit die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag im öffentlichen Dienst. Zuletzt hatte man das auch als Bürger in Schweinfurt gemerkt, als am 29. September unter anderem der Busverkehr bestreikt wurde.
Der Schweinfurter Stadtrat entschloss sich nun zu einem ungewöhnlichen Schritt: Man beauftragte Oberbürgermeister Sebastian Remelé, einen Brief an den Verhandlungsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, den Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge, sowie an ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke und den dbb-Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach zu schicken. Inhalt: Die Bitte, "konstruktiv und vertrauensvoll" zu verhandeln und vor allem sich schnell zu einigen, damit bundesweit die Kommunen vor Beginn der Haushaltsberatungen für 2021 Klarheit haben, mit welchen Lohnsteigerungen sie in der Corona-Pandemie rechnen müssen.
Den Antrag für diese Resolution hatten die Fraktionssprecher der Linken, der SPD, der CSU, der Freien Wähler und der Grünen sowie Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) unterschrieben. Im Stadtrat schlossen sich dann noch Georg Wiederer (FDP) und Christiane Michal-Zaiser (proschweinfurt) an. Nur die AfD-Fraktion stimmte geschlossen dagegen.
Die ursprüngliche Resolution war nur an Ulrich Mädge gerichtet, was der OB nicht nachvollziehen konnte. Er fand das Ansinnen "begrüßenswert", wollte aber angesichts aus seiner Sicht geäußerter "Selbstverständlichkeiten und Allgemeinplätze" in dem Schreiben wissen, was damit bezweckt werde. Dem vom OB vorgeschlagenen Kompromiss, beide Seiten zu fairen Verhandlungen aufzufordern, verschlossen sich die Antragsteller nicht.
Remelé bemerkte, aus seiner subjektiven Sicht "wäre eine Nullrunde in diesem Jahr die richtige Antwort auf die Coronakrise." Es sei wichtig, dass der Tarifabschluss so gestaltet werde, dass er für Schweinfurt mit seinen über 1000 Mitarbeitern in der Verwaltung und rund 3000 im so genannten Konzern Stadt Schweinfurt mit den Tochtergesellschaften "sich im stemmbaren Bereich bewegt", so der OB.
Wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie zahlen viele Unternehmen in Schweinfurt in diesem Jahr kaum oder keine Gewerbesteuer. Der Ausfall beträgt weit über 30 Millionen Euro, wird aber dank eines Rettungsschirmes des Freistaates und des Bundes für die Kommunen Ende des Jahres teilweise ersetzt. Offen ist, wie es in 2021 und 2022 weitergeht und ob es auch da kommunale Rettungsschirme geben wird. Je höher die Belastung durch Personalkosten, desto geringer der Handlungsspielraum für die Kommune. Die Verwaltung hat in der Stadtratssitzung bereits angekündigt, bei den Haushaltsberatungen vorzustellen, wo man einsparen und welche Projekte wann realisiert werden könnten.
Grünen-Fraktionssprecher Reginhard von Hirschhausen begrüßte den Vorschlag Remelés, beide Seiten anzuschreiben, eine einseitige Einmischung sei nicht adäquat. CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Funk, beruflich selbst Geschäftsleiter in Nüdlingen, betonte, es brauche "ein faires und tragbares Angebot beider Seiten". Man brauche als Kommune Planungssicherheit und der Brief diene dazu, an beide Seiten zu appellieren, sich zu einigen. Auch SPD-Stadträtin Marietta Eder sah ihn als "gutes Signal des Stadtrates." Eder und Frank Firsching, Linken-Fraktionschef, betonten die Bedeutung für Schweinfurt, da mehrere tausend Menschen betroffen seien. Die Stadt als Teil der kommunalen Familie und Arbeitgeber bitte um "zielgerichtete Verhandlungen. Das hat Wirkung", so Firsching.
AfD-Fraktionsvorsitzender Richard Graupner kritisierte, durch die Resolution werde Gewerkschaftspolitik in den Stadtrat gezogen. Es gelte, die Tarifautonomie zu achten. Er bezweifelte den Sinn des Schreibens, das für ihn "Schaufensterpolitik" darstellte.