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Schweinfurt
Streit zwischen Teenagern eskaliert, als sich Väter einschalten: In Schweinfurt geht es nun um versuchten Totschlag
Erst ist die Auseinandersetzung verbal, dann soll einer der Männer ein Messer gezückt und zugestochen haben. Das Landgericht muss klären: War es Notwehr oder nicht?
Vater und Sohn müssen sich vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten, weil sie versucht haben sollen, einen Mann gemeinschaftlich umzubringen.
Foto: Anand Anders | Vater und Sohn müssen sich vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten, weil sie versucht haben sollen, einen Mann gemeinschaftlich umzubringen.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 28.09.2024 02:36 Uhr

Eigentlich, so scheint es zumindest, war es eine harmlose Auseinandersetzung zwischen zwei Heranwachsenden in Bad Kissingen. Doch dann eskalierte der Streit an Weihnachten 2023, als sich die beiden Väter einschalteten. Die Auseinandersetzung endete mit zahlreichen Messerstichen und einem Schwerverletzten. Wie konnte das passieren?

Dieser Frage geht das Landgericht Schweinfurt nun nach. Auf der Anklagebank sitzen einer der Väter, 46, und sein Sohn, 19. Der Vorwurf: versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung in Mittäterschaft, (versuchte) Nötigung und Bedrohung. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft spielte sich der Vorfall, es war nach Mitternacht am 26. Dezember, wie folgt ab: Nach einem verbalen Streit vor dem Wohnhaus der Angeklagten, schlug der angeklagte Vater den Vater einer 15-Jährigen. Weitere Angriffe – auch des Sohnes – sollen gefolgt sein.  

Staatsanwaltschaft geht von Tötungsentschluss aus

Als der Vater des Mädchens ankündigt, Unterstützung zu holen, holt sich der angeklagte Vater in seinem Wohnhaus ein Messer. Der 19-Jährige zieht laut Anklageschrift die 15-Jährige aus einem Auto, während der 46-Jährige den Vater des Mädchens auf der Fahrerseite erst mit Fäusten, dann mit einem Messer angreift. Mindestens sechsmal soll er in dessen Hüft- und Brustbereich gestochen haben, während der sich mit einem Schlüsselbund wehrte. Laut Staatsanwaltschaft hatte der 46-Jährige den Entschluss gefasst, den anderen Vater umzubringen, sein Sohn soll dies erkannt haben.

Der 19-Jährige soll der 15-Jährigen gedroht haben, es werde schlimmer für alle werden, wenn sie Hilfe rufe. Und: Im Anschluss an den Vater würde man auch sie umbringen. Kurze Zeit nach dem Vorfall soll der 46-Jährige aus der Justizvollzugsanstalt heraus den anderen Vater angerufen und ihn aufgefordert haben, keine Aussage bei der Polizei zu machen.

Angeklagter Vater spricht von "Angst um mein Leben"

Vater und Sohn erzählen auf der Anklagebank eine andere Version: Der Vater gibt an, er sei zuerst von dem anderen Vater geschlagen worden. Nach der Rangelei sei der Vater des Mädchens aufgestanden und habe gesagt, er "hole jetzt seine Leute". Dass er sich daraufhin ein Messer geholt habe, habe sein Sohn nicht mitbekommen. Wieder am Auto habe der andere Vater mit einem Metallgegenstand auf ihn eingeschlagen. "Ich hatte Angst um mein Leben", lässt der 46-Jährige seinen Verteidiger vortragen. Ihm sei dann das Messer eingefallen. "Ich wollte, dass er merkt, dass ich bewaffnet bin."

Der 19-Jährige gibt über seinen Verteidiger an, dass ihm der Ablauf leidtue. Er habe eine derartige Eskalation nicht vorhergesehen und gewollt. In seiner Einlassung schildert er auch, wie es überhaupt zu dem Treffen gekommen sein soll: Er habe etwas Schlechtes über die Tochter der anderen Familie gesagt und sich anschließend telefonisch entschuldigen wollen. Die andere Familie habe trotz der Entschuldigung aber auf ein Treffen bestanden.  

In dem Streit selbst habe er versucht, mit seinem Knie zwischen die beiden Väter zu gehen. Irgendwann habe der andere Vater seinen Vater mit einem Schlagstock angegriffen. Dass sein Vater ein Messer habe, habe er nicht gewusst. Er sei "gelähmt, erschrocken und entsetzt" gewesen. Es sei eine "absolute Lüge, dass ich selbst ein Messer dabei hatte", lässt der 19-Jährige seinen Verteidiger vorlesen und bezieht sich damit auf eine Aussage der 15-Jährigen bei der Polizei. Auch, dass er das Mädchen bedroht habe, sei eine Lüge. "Ich hatte noch nie so viel Angst in meinem Leben."

Verletzter gibt zu, zuerst geschlagen zu haben

Sichtlich aufgebracht sagt dann der Verletzte aus. Er habe zuerst zugeschlagen, gesteht er. Warum er überhaupt bei dem Treffen dabei war, will die Richterin wissen. Die Mutter des Mädchens habe gewollt, dass er mitkomme, antwortet er. Als er immer wieder seine Aussage ändert, droht ihm das Gericht ein Ordnungsgeld an. "Ich habe die Wahrheit gesagt", beteuert er. "Es kann nicht alles wahr sein, weil sie unterschiedliche Sachen gesagt haben", entgegnet der Beisitzer.

Ähnlich schwierig gestaltet sich die Aussage der Tochter vor Gericht. Sie gibt an, das Treffen sei vom Sohn der anderen Familie ausgegangen. Auf die Nachfrage, was ihr Vater damit zu tun habe und warum der 19-Jährige auch seinen Vater dabei haben wollte, sagt sie: "Weiß ich nicht." Mehrere Aussagen tätigte die 15-Jährige bereits bei der Polizei – mit zahlreichen Widersprüchen. Ihre Erklärung: Die Polizei habe vieles falsch aufgeschrieben. Die Aussage des Mädchens wird unterbrochen, ihr wird ein Zeugenbeistand beigeordnet.

In der Tatnacht hatte die Tochter den Notruf abgesetzt. Gleich darauf nahm die Polizei Vater und Sohn der anderen Familie fest. Beamte sagten jetzt vor Gericht, der 46-Jährige habe ihnen bei seiner Festnahme verraten, dass das Tatmesser in der Küchenspüle liege, wo sie es auch fanden. Der Hauptsachbearbeiter der Polizei spricht von einem "Treffen im Hinblick auf eine körperliche Auseinandersetzung".

Aufgrund der "fehlenden Aussagekonstanz" der Zeugenaussagen beantragt der Verteidiger des 19-Jährigen, den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen. Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts. Das Gericht folgt dem Antrag gleich am ersten Prozesstag. Es sind noch zwei weitere Prozesstage angesetzt.

 
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