
Mit seinem "Gesetz für eine faire Kassenwahl" will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Krankenkassenlandschaft reformieren und den Markt bundesweit öffnen. Im Freistaat sorgt das für massive Proteste. Das geplante "Faire-Kassenwahl-Gesetz" schaffe neuen Zentralismus statt gute Versorgung vor Ort zu stärken, kritisierte die Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Irmgard Stippler, bei einer Verwaltungsratssitzung in Schweinfurt. "Passgenaue Gesundheitslösungen sehen in der Rhön anders aus als in Schweinfurt oder Nürnberg" und könnten "nicht von Berlin vorgegeben werden".
Spahns Ziel ist es, den Kassen mehr Wettbewerb zu verordnen. Unter anderem sollen die bisher regional gebundenen Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) künftig Versicherte aus ganz Deutschland aufnehmen. Wer in Franken wohnt, könnte sich dann beispielsweise statt bei der AOK Bayern auch bei der AOK Sachsen-Anhalt versichern – und so einen niedrigeren Beitragssatz zahlen.

Die Ortskrankenkassen wehren sich gegen den "knallharten Preiswettbewerb" und sehen die Gesundheitsversorgung auf dem Land bedroht. Denn um die Versicherten individuell betreuen zu können, brauche es Berater vor Ort, die aktiv mit Ärzten, Kliniken oder Pflegekräften zusammenarbeiten, so AOK-Chefin Stippler. Ein Netzwerk, das Spahn gefährde.
In Unterfranken betreibt die Kasse nach eigenen Angaben 34 Geschäftsstellen. Rund 26 000 Kunden würden dort pro Monat das persönliche Gespräch suchen, sagt Frank Dünisch, Direktor der AOK-Direktion Schweinfurt. Trotz Digitalisierung. Gerade ältere Versicherte würden das schätzen.
Ähnlich sieht es der Würzburger AOK-Direktor Horst Keller. Durch eine bundesweite Öffnung würde Geld für regionale Versorgungsverträge und Geschäftsstellen verloren gehen, befürchtet er. Rund 90 Prozent seiner Beschäftigten kämen aus der Region. Die geplante Kassen-Reform gefährde so nicht nur die Qualität der Versorgung, sondern auch Arbeitsplätze.
Kritik kommt auch von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). "Das Gesetz ist für niemanden sinnvoll", sagt Hausarzt Dr. Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Mit regionalen Kassen könnten Ärzte deutlich leichter Verträge abschließen als mit Bundeskassen, so der KVB-Vorstandsbeauftragte für Unterfranken. Sie würden die Besonderheiten und Bedürfnisse einer Region besser kennen.
Im Konflikt um Spahns Pläne geht es jedoch nicht nur um die Abschaffung der regionalen Begrenzungen. Eine Öffnung der Kassen brächte auch eine zentrale Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt, wie jetzt schon für Barmer, DAK und Co. Noch werden die AOKs meist von Landesbehörden überprüft.

Unterstützung bekommt Spahn von bundesweit geöffneten Kassen. Mehr Fairness im Wettbewerb werde von der Techniker Krankenkasse (TK) "ausdrücklich" begrüßt, sagt Christian Bredl, Leiter der TK-Landesvertretung Bayern. Grundsätzlich erweitere das Gesetz den "Wettbewerb um die beste medizinische Versorgung". Eine Bundeslandgrenze als Entscheidungskriterium für die Kassenwahl verlierein Zeiten der Digitalisierung an Bedeutung.
Auch der Würzburger Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann (FDP) sieht eine Öffnung der Ortskrankenkassen durchaus positiv. Damit würden "die Wahlrechte der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert", so der Facharzt.