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Schweinfurt/Würzburg
Streit um Kassen-Reformpläne: AOK Bayern attackiert Spahn
Sich als Franke bei der AOK Sachsen-Anhalt versichern? Geht es nach dem Gesundheitsminister, ist das künftig kein Problem. Im Freistaat wird Spahn dafür scharf kritisiert.
Mit seinen Plänen zur bundesweiten Öffnung der Ortskrankenkassen bringt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die AOK gegen sich auf.
Foto: Tobias Schwarz, afp | Mit seinen Plänen zur bundesweiten Öffnung der Ortskrankenkassen bringt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die AOK gegen sich auf.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:23 Uhr

Mit seinem "Gesetz für eine faire Kassenwahl" will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Krankenkassenlandschaft reformieren und den Markt bundesweit öffnen. Im Freistaat sorgt das für massive Proteste. Das geplante "Faire-Kassenwahl-Gesetz" schaffe neuen Zentralismus statt gute Versorgung vor Ort zu stärken, kritisierte die Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Irmgard Stippler, bei einer Verwaltungsratssitzung in Schweinfurt. "Passgenaue Gesundheitslösungen sehen in der Rhön anders aus als in Schweinfurt oder Nürnberg" und könnten "nicht von Berlin vorgegeben werden".

Spahns Ziel ist es, den Kassen mehr Wettbewerb zu verordnen. Unter anderem sollen die bisher regional gebundenen Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) künftig Versicherte aus ganz Deutschland aufnehmen. Wer in Franken wohnt, könnte sich dann beispielsweise statt bei der AOK Bayern auch bei der AOK Sachsen-Anhalt versichern – und so einen niedrigeren Beitragssatz zahlen.

Die AOK Bayern kritisiert Spahns 'Faire-Kassenwahl-Gesetz' bei einer Pressekonferenz in Schweinfurt scharf. Im Bild (von links): Sprecher Lothar Zachmann, Frank Dünisch (Direktor AOK Schweinfurt), Frank Firsching (Verwaltungsrat), Gerd Sachs (Verwaltungsrat) und Irmgard Stippler (Vorstandsvorsitzende AOK Bayern).
Foto: Anand Anders | Die AOK Bayern kritisiert Spahns "Faire-Kassenwahl-Gesetz" bei einer Pressekonferenz in Schweinfurt scharf. Im Bild (von links): Sprecher Lothar Zachmann, Frank Dünisch (Direktor AOK Schweinfurt), Frank Firsching ...

Die Ortskrankenkassen wehren sich gegen den "knallharten Preiswettbewerb" und sehen die Gesundheitsversorgung auf dem Land bedroht. Denn um die Versicherten individuell betreuen zu können, brauche es Berater vor Ort, die aktiv mit Ärzten, Kliniken oder Pflegekräften zusammenarbeiten, so AOK-Chefin Stippler. Ein Netzwerk, das Spahn gefährde.

"Das Gesetz ist für niemanden sinnvoll."
Dr. Christian Pfeiffer, Hausarzt und KVB-Vorstandsbeauftragter für Unterfranken

In Unterfranken betreibt die Kasse nach eigenen Angaben 34 Geschäftsstellen. Rund 26 000 Kunden würden dort pro Monat das persönliche Gespräch suchen, sagt Frank Dünisch, Direktor der AOK-Direktion Schweinfurt. Trotz Digitalisierung. Gerade ältere Versicherte würden das schätzen. 

Ähnlich sieht es der Würzburger AOK-Direktor Horst Keller. Durch eine bundesweite Öffnung würde Geld für regionale Versorgungsverträge und Geschäftsstellen verloren gehen, befürchtet er. Rund 90 Prozent seiner Beschäftigten kämen aus der Region. Die geplante Kassen-Reform gefährde so nicht nur die Qualität der Versorgung, sondern auch Arbeitsplätze.

Kritik kommt auch von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). "Das Gesetz ist für niemanden sinnvoll", sagt Hausarzt Dr. Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Mit regionalen Kassen könnten Ärzte deutlich leichter Verträge abschließen als mit Bundeskassen, so der KVB-Vorstandsbeauftragte für Unterfranken. Sie würden die Besonderheiten und Bedürfnisse einer Region besser kennen.

"Eine Bundeslandgrenze als Entscheidungskriterium der Versicherten für die Krankenkassenwahl verliert immer mehr an Bedeutung."
Christian Bredl, Leiter der TK-Landesvertretung Bayern

Im Konflikt um Spahns Pläne geht es jedoch nicht nur um die Abschaffung der regionalen Begrenzungen. Eine Öffnung der Kassen brächte auch eine zentrale Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt, wie jetzt schon für Barmer, DAK und Co. Noch werden die AOKs meist von Landesbehörden überprüft. 

Ziel der geplanten Reformen ist laut Spahn ein fairer Wettbewerb. Die bundesweit geöffneten Kassen begrüßen das.
Foto: Jens Kalaene, dpa | Ziel der geplanten Reformen ist laut Spahn ein fairer Wettbewerb. Die bundesweit geöffneten Kassen begrüßen das.

Unterstützung bekommt Spahn von bundesweit geöffneten Kassen. Mehr Fairness im Wettbewerb werde von der Techniker Krankenkasse (TK) "ausdrücklich" begrüßt, sagt Christian Bredl, Leiter der TK-Landesvertretung Bayern. Grundsätzlich erweitere das Gesetz den "Wettbewerb um die beste medizinische Versorgung". Eine Bundeslandgrenze als Entscheidungskriterium für die Kassenwahl verlierein Zeiten der Digitalisierung an Bedeutung.

Auch der Würzburger Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann (FDP) sieht eine Öffnung der Ortskrankenkassen durchaus positiv. Damit würden "die Wahlrechte der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert", so der Facharzt. 

Krankenkassen in Deutschland
In Deutschland gibt es mehr als 100 gesetzliche Krankenkassen. Die großen Ersatzkassen wie Barmer, DAK Gesundheit oder Techniker Krankenkasse (TK) sind bundesweit wählbar. Daneben bestehen zahlreiche kleinere Betriebs- und Innungskrankenkassen, viele ebenfalls bundesweit geöffnet. Die elf AOKen hingegen sind regional beschränkt, die Gebiete entsprechen in etwa den Ländern.
In Bayern ist die AOK nach eigenen Angaben an 250 Standorten vertreten und für 4,5 Millionen Versicherte zuständig. In Unterfranken sind rund 435 000 Menschen bei dieser Kasse versichert. (sp) 
 
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