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Schweinfurt
Sterbebegleitung während Corona: Menschlichkeit eingefordert
Die Schwestern Gisela Herzig und Karin Strobel berichten über die coronabedingt erschwerte Sterbebegleitung ihrer Mutter in einem Seniorenheim. Was sie kritisieren.
Zwei Schweinfurter Schwestern verloren im Sommer ihre Mutter und schilderten den Prozess der Sterbebegleitung in einem Seniorenheim während der Corona-Krise, der aus ihrer Sicht zu wenig Raum für Menschlichkeit lässt.
Foto: Daniel Peter | Zwei Schweinfurter Schwestern verloren im Sommer ihre Mutter und schilderten den Prozess der Sterbebegleitung in einem Seniorenheim während der Corona-Krise, der aus ihrer Sicht zu wenig Raum für Menschlichkeit lässt.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:24 Uhr

Zwei Schwestern aus Schweinfurt wandten sich im Sommer dieses Jahres an die Redaktion und schilderten, wie bedrückend sie die Hygiene- und Besuchsregeln in Seniorenheimen während der Corona-Pandemie empfanden als ihre Mutter starb. Zu diesem Thema nahm später auch die Pflegedienstleiterin des St. Elisabeth-Heimes in Schweinfurt, Irmi Brand, Stellung. Diese Stellungnahme wollen Gisela Herzig und ihre Schwester Karin Strobel nicht unwidersprochen lassen.

In einem Schreiben an die Redaktion schildern sie noch einmal, was sie damals neben dem schmerzlichen Tod der Mutter an den coronabedingt aufgestellten Regeln des Pflegeheimes störte und wie belastend sie diese empfanden. Herzig und Strobel fordern gerade in der belastenden Situation, einen sterbenden Angehörigen zu begleiten, mehr Menschlichkeit und verweisen darauf, dass ihre Geschichte auch exemplarisch für Erlebnisse anderer Menschen in der Region steht.

Herzig und Strobel schreiben zur Stellungnahme der Pflegedienstleitung des Seniorenheims St. Elisabeth: "Nach der von der Heimleitung angeordneten 8-tägigen Rückwärtsquarantäne, auf die trotz Vorliegen mehrerer negativer Testergebnisse bestanden wurde, konnte ich meine Mutter nur noch ein einziges Mal vor ihrem Tod sehen. Die Anmeldung zu diesem Besuch sollte bereits eine Woche im Voraus erfolgen. Meine Schwester musste ihre zwei halbstündigen Besuche bei der Heimleitung ebenfalls regelrecht erkämpfen. Am Sterbetag selbst erfuhr ich bei meinem Anruf um 7.40 Uhr, dass es meiner Mutter sehr schlecht ginge. Die Bitte, sie besuchen zu dürfen, wurde abgelehnt, da erst um 9 Uhr eine Besuchserlaubnis eingeholt werden könne. Gegen 8 Uhr wurden wir dann erneut angerufen, um uns mitzuteilen, dass unsere Mutter im Sterben läge. Obwohl meine Schwester und ich sofort aufbrachen, erreichte uns der Anruf zu spät. Von angemessener Regelauslegung und der Möglichkeit unsere Mutter 'in der Sterbephase [zu] begleiten' kann demnach nicht die Rede sein."

"Es gilt, vor allem im Bereich der Palliativpflege, genau abzuwägen, ob das Leid, das einem Sterbenden durch Zwangsisolation zugefügt wird, noch im Verhältnis zum durch Besuche entstehenden Infektionsrisiko steht."
Gisela Herzig und Karin Strobel in ihrer Stellungnahme.

Verwundert sei man darüber hinaus, dass das Heim aus der Pflegedokumentation der Mutter zitiert habe, die aus Sicht von Strobel und Herzig "in höchstem Maße dem Datenschutz" unterliege. Die Schwestern betonen: "Wir hatten gehofft, mit unserem ersten Artikel einen Denkanstoß zu liefern, der die Heimleitung dazu ermutigt – natürlich stets im Rahmen der geltenden Hygieneregeln – über weitere Möglichkeiten zur Wahrung von Menschlichkeit und Menschenwürde nachzudenken, nicht zuletzt im Sterbeprozess. Auch wir wissen und verstehen, dass alle Bewohner geschützt werden müssen. Dennoch gilt es, vor allem im Bereich der Palliativpflege, genau abzuwägen, ob das Leid, das einem Sterbenden durch Zwangsisolation zugefügt wird, noch im Verhältnis zum durch Besuche entstehenden Infektionsrisiko steht."

Ein separater Eingang und das Einzelzimmer hätten Besuche der Mutter ermöglicht, ohne dabei andere Bewohner zu gefährden. "Unserer Mutter und uns hätte mehr gemeinsame Zeit zugleich viel Leid erspart. Bei der Entscheidung über das Schicksal eines Menschen kann und darf man sich nicht stets auf das große Ganze berufen, denn dadurch wird jedem Einzelnen jeder Anspruch auf menschenwürdiges Leben und Sterben aberkannt. Wie sonst kann und soll man über ein menschliches Leben mit all seinen Facetten entscheiden, als stets im Einzelfall?", schließt die Stellungnahme.

 
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