Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) hat damit begonnen, ein Potenzialgutachten zu erarbeiten, um die grundlegende Frage zu klären, ob die für eine Reaktivierung der Steigerwaldbahn zwischen Schweinfurt und Großlangheim notwendige Mindestauslastung an Fahrgästen erreicht werden kann. Dies bestätigte auf Nachfrage dieser Redaktion der Leiter von Qualitätsmanagement, Marketing und Presse bei der BEG, Wolfgang Oeser. Die staatseigene BEG ist der Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr im gesamten Freistaat und plant, finanziert und kontrolliert diesen Verkehr.
Auslöser für das Gutachten war der Wunsch nahezu aller Anliegergemeinden entlang der Trasse zwischen Sennfeld und Großlangheim (außer Gerolzhofen, hier will man erst das Gutachten abwarten), die seit 2016/2017 stillgelegte und inzwischen an ein Privatunternehmen verkaufte Strecke endgültig zu entwidmen und ihr damit den rechtlich Sonderstatus zu nehmen. Zuständig für das Entwidmungsverfahren ist die Regierung von Mittelfranken. Der restliche Abschnitt zwischen Großlangheim und Etwashausen ist bereits seit vier Jahren entwidmet.
Im Rahmen des laufenden Verfahrens wurden auch die kreisfreie Stadt Schweinfurt und die Landkreise Schweinfurt und Kitzingen in ihrer Eigenschaft als Träger des Öffentlichen Personennahverkehrs gehört. Alle drei Körperschaften haben im Gegensatz zu den Anrainergemeinden ein "Verkehrsbedürfnis" für die Bahnstrecke gesehen und damit einen möglichen Hinderungsgrund für eine Entwidmung geltend gemacht. Die Regierung von Mittelfranken hat daraufhin angekündigt, mit ihrer endgültigen Entscheidung über eine mögliche Entwidmung warten zu wollen, bis tatsächlich von der BEG geklärt ist, ob ausreichend Potenzial für eine Reaktivierung der Strecke da ist und es zu einer Wiederbelebung kommen könnte.
Mindestens 1000 "Reisenden-Kilometer"
Damit nicht unnütz Steuergelder bei der Reaktivierung einer Bahnstrecke verbrannt werden, die dann vielleicht nur spärlich genutzt wird, hat die BEG als wichtigste Voraussetzung für alle zur Reaktivierung anstehenden Strecken festgelegt, dass als erster Schritt in einem Gutachten die potenzielle Fahrgast-Nachfrage ermittelt wird. Gefordert werden als Mindestwert 1000 "Reisenden-Kilometer". Dieser Fachbegriff drückt die durchschnittliche Auslastung einer Bahnstrecke auf ihrer ganzen Länge aus. Die "Reisenden-Kilometer" sind aber nicht identisch mit der tatsächlichen Anzahl der Fahrgäste. In der Realität sind täglich deutlich mehr als 1000 Fahrgäste, nämlich gut 1500 Personen nötig, um auf einer Strecke mit mehreren Haltepunkten auf den Wert von 1000 "Reisenden-Kilometer" zu kommen.
Diese gutachtliche Ermittlung der "Reisenden-Kilometer" hat nun begonnen. "Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat die BEG mit einer Nachfrageabschätzung zur Reaktivierung der Steigerwaldbahn beauftragt. Das Gutachten ist in Bearbeitung", teilt BEG-Pressesprecher Wolfgang Oeser mit.
Gemeinden werden angeschrieben
In einem ersten Schritt werden jetzt aktuelle Daten recherchiert. "Im Rahmen der Potenzialprognose bittet die BEG die betroffenen Landkreise und Kommunen, die Daten aus den allgemein zugänglichen Statistiken zu prüfen und zu verifizieren. Weiterhin werden regionalspezifische Informationen, wie zum Beispiel weiterführende Schule, zentrale Einrichtungen etc., abgefragt." Wann das Gutachten abgeschlossen ist und das Ergebnis vorliegt, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Wolfgang Oeser: "Die Bearbeitungszeit ist unter anderem abhängig von der Verfügbarkeit dieser Daten."
Welchen Streckenabschnitt untersucht die BEG nun genau? Bezieht sich das Gutachten nur auf die Reststrecke von Schweinfurt bis Großlangheim oder wird auch eine fiktive Fahrgast-Nachfrage bis Kitzingen-Hauptbahnhof untersucht (mit der Annahme, dass es irgendwann einmal mit einem Planfeststellungsverfahren zu einem Neubau einer Bahnstrecke zwischen Großlangheim und dem Kitzinger Hauptbahnhof kommen könnte)? Die Antwort der BEG ist unmissverständlich: Das Potenzialgutachten untersuche nur "den eisenbahnrechtlich gewidmeten Streckenbereich", macht Oeser deutlich, also nur die Trasse von Schweinfurt bis Großlangheim. Bei der Untersuchung könnten allerdings auch sinnvolle Teilabschnitte betrachtet werden, beispielsweise der Abschnitt von Schweinfurt bis Gerolzhofen.
1500 Meter um die Haltestellen
Wie groß ist der Einzugsbereich für mögliche Fahrgäste der Bahn, den die BEG in ihrer Erhebung als realistisch erachtet? "Für das Grundpotenzial werden die Einwohner und Arbeitsplätze im Einzugsbereich von 1500 Meter rund um die geplanten Regionalzughaltestelle ermittelt", erklärt Pressesprecher Oeser. Angesichts dieses doch überraschend geringen Radius schiebt er als Erklärung nach: "Zusätzlich werden auch mögliche Potenziale berücksichtigt, die über einem Einzugsbereich von 1500 Meter entfernt liegen. Die Entscheidung darüber, ob diese Potenziale erschlossen werden können, liegt jedoch nicht alleine beim Freistaat."
Denn für die Anpassung des allgemeinen Öffentlichen Verkehrs, für den Schülerverkehr sowie die Errichtung von "Park & Ride"-Parkplätzen seien die Landratsämter beziehungsweise die Kommunen entlang der Strecke zuständig. Und: Bei der Nachfrageabschätzung berücksichtige die BEG hier "ausschließlich verbindliche Zusagen der betroffenen Ämter".
Bei der Berechnung des Potenzials werde überprüft, so Oeser weiter, "welche realistischen Verkehrsbeziehungen unterstellt werden können". Grundsätzlich werde bei der Analyse der Verkehrsbeziehungen die Attraktivität der Bahnlinie bewertet. "Dazu gehört eine Untersuchung und Bewertung der Fahrtzeit, der Erreichbarkeit der Haltestellen und der Umsteigebeziehungen."
Straßen als Konkurrenz?
Interessant ist auch, dass die BEG in ihrem Gutachten auch die aktuelle Straßensituation entlang der Bahnstrecke als mögliche Konkurrenz zur Bahnlinie berücksichtigen wird – und hier insbesondere die B 286 zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt, die in großen Teilen dreispurig ausgebaut ist oder es noch wird und zwischen Schwebheim und Schweinfurt bald sogar vierspurig daherkommt. Wolfgang Oeser drückt dies so aus: "Bei der Bewertung der Verkehrsbeziehungen, die für die Nutzung des Schienenpersonennahverkehrs in Frage kommen, werden konkurrenz-zierende Rahmenbedingungen wie auch die Straßeninfrastruktur berücksichtigt." Soll heißen: Ein guter Ausbau-Zustand "ziert" die mit der Eisenbahnlinie konkurrierende Straße und wird im Gutachten berücksichtigt.
Wird wenigstens Zubringer-ÖPNV berücksichtig - auch wenn es den aktuell noch nicht gibt?
Wird denn wenigstens mit eingerechnet, dass Schüler und Azubis in Zukunft vielleicht auch so ein 365 Euro Ticket wie in Nürnberg nutzen könnten und sich deren Nutzung dann vervielfachen dürfte? (vgl. https://www.nuernberg.de/internet/schulen_in_nuernberg/365euroticket.html)
Am 21.07.20 telefonierte ich mit dem bei der BEG zuständigen Mitarbeiter für die Erstellung der Potenzialprognose der Steigerwaldbahn Herrn Simone.
Er nannte einen Grund kontra Reaktivierung: hohe Kosten, da die gesamte Strecke neu erstellt werden müsse. Aber einen von mir angesprochenen Grund pro Reaktivierung stimmte er nicht zu: dass im erweiterten Verkehrsverbund Mainfranken, mit einem Labyrinth von Buslinien, die Steigerwaldbahn Teil einer 100 km langen Nord-Süd-Achse Mellrichstadt-KT wäre. Seine Antwort: ab SW kann man mit der Bahn über WÜ nach KT fahren.
Der Vorschlag von Wittek-Brix kommt nicht in die Potenzialprognose, da die BEG für Straßenbahnbetrieb nicht zuständig ist und der Vorschlag bei Planung & Genehmigung zu langwierig und nicht umsetzbar sei. Darauf sprach ich das Karlsruher Modell an und fragte ihn: ist BW innovativer als Bayern. Seine Antwort: Schweigen
Fragwürdig bis dorthinaus
Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier jemand im Hintergrund einmal mehr an Schrauben dreht.
Wenn dem so ist, sollte der zuständige Referent tätig werden, an die Öffentlichkeit treten und ein Signal setzen: "So nicht!".
ihr Kommentar entkräftet gerade mal eines der angeblich besten Argumente der Gegner. Niemand fährt mit dem Auto, Fahrrad oder zu Fuß zum Bahnhof! Doch das praktizieren Millionen Pendler pro Tag.
Herr Braun👍👍👍👍
Ich find es auch nicht gut, dass die "staatseigene BEG" dieses Gutachten erstellt. Das wird dann schon so hingerechnet, wie es der Eigentümer Freistaat Bayern gerne hätte!
>> Freistaat Bayern gerne hätte!
das befürchte ich auch. Da sind wir uns einig. Der südliche Teil ist definitiv unrentabel und mit der fehlenden Strecke ab Großlangheim auch eher unmöglich.
Aber dass im nordlichen Abschnitt dann die Busse wegfallen (was ja schon seitens der Regierung angekündigt wurde) würden und vor allem im Bereich Sennfeld /Schweinfurt Firmen unter der Reaktivierung zu leiden hätten: das ist "irrelevant".
selbst wenn die BEG die 1000 "errechnet" - heisst das ja nicht, dass a) die Bahn kommt und b) die Realität so aussieht... man muss nur nach Viechtach sehen... dort wurde auch die 1000 errechnet.. und jetzt wird der Betrieb wieder eingestellt.... Die aktuell vorherrschende "alles der Ökologie unterordnen & Geld verbrennen"-Mentalität... lässt einfach Fakten aussen vor.
Und wenn das Gutachten "9oo" berechnet kommt das "Argument": Realität ist immer höher als Prognose.. und wieder keine Ruhe *seufz*
@steigerwaelder sehr richtig. 👍
@widdi, kurze Frage an einen der alles weis.
Woher wollen Sie dass den alles wissen?
Laufen Sie durch den Hafen zu allen Firmen und sagen die Bahn ist scheiße?
Wo stören 2 Züge in der Stunde die Firmen?
Ob die Bahn kommt wenn die Analyse positiv ausfallen sollte, wissen Sie anscheinend auch?
Und jetzt @widdi zu dem möchtegern Argument Gotteszell Viechtach. Da passt ihre Aussage ebenfalls nicht. Da wurde nie eine Analyse erstellt! Die Strecke läuft unter Probebetrieb. Dort haben die Verantwortlichen Lokalpolitiker allen voran die der CSU und wütende Bürger Frau Schreier zur Rücknahme dieser Entscheidung bewegt. https://www.br.de/nachrichten/bayern/waldbahn-aus-vom-tisch-ministerin-entschuldigt-sich-fuer-panne,S9v9X6r
Ansonsten erst richtig informieren und dann schreiben.
Mich auch!