Ist das Fütterungsverbot in Schweinfurt rechtswidrig? Ja, sagt Dr. Christian Arleth. Der Jurist aus Berlin ist ein Vertreter einer Expertenrunde, die sich den Schweinfurter Taubenschützern angeschlossen hat: von Tierärzten bis hin zu engagierten Tierschützern.
Manche wohnen in Schweinfurt, manche sind hier geboren, manche hat der Streit um Schweinfurts Stadttauben, der mittlerweile seit Jahren immer wieder hochkocht und bis heute ungelöst ist, auf das Thema aufmerksam gemacht. In einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz bewerteten sie die Situation in Schweinfurt, die juristische Seite und boten auch praktische Hilfe an.
Christian Arleth ist gebürtiger Schweinfurter und Tierschutzjurist und "schämt" sich als solcher, wie er sagt, "extrem für den Umgang meiner Heimatstadt mit diesen Tieren." Für ihn ist klar: Ein "isoliertes und ausnahmsloses Fütterungsverbot" wie in Schweinfurt, also dort, wo keine betreuten Taubenschläge existieren und es damit keine Alternative für die Tiere gibt, ist rechtswidrig. Arleth sieht die Städte in der Pflicht, sich um die Stadttauben zu kümmern und betreute Schläge zu etablieren und zu finanzieren. Einmal aus Gründen des Tierschutzes, der auch im Grundgesetz verankert ist, aber auch, weil die Stadttauben mit Fundtieren gleichzusetzen seien.
Zu eben diesen Schlüssen kommt der Jurist aus Berlin auch in einem Gutachten, das er gemeinsam mit einem Tierarzt für die Landestierschutzbeauftragte in Berlin verfasst hat. Grundtenor: Städte können keine Fütterung verbieten, sie sind sogar dazu verpflichtet. Inzwischen denken laut Arleth auch Gerichte um. Es gebe erste Urteile, wie das des Verwaltungsgerichts Schwerin, das das Fütterungsverbot in Rostock für rechtswidrig befunden habe. Die Stadt Schweinfurt berufe sich in ihrer Verordnung auf alte Urteile, die auch nicht vergleichbar seien, sagt der Berliner Jurist.
Auch ein Amtstierarzt sieht ein Fütterungsverbot als problematisch an
Dass Schweinfurt nach zehn Monaten im Dezember 2021 die Ausnahmeregelung für eine Fütterung der Tiere am Martin-Luther-Platz widerrufen hat, bezeichnet Arleth sogar als Tierquälerei. Gemeinsam mit einer Vertreterin der Schweinfurter Stadttaubenhilfe hat er Aufsichtsbeschwerde gegen diesen Widerruf eingelegt. Interessantes Detail: Auch der Amtstierarzt, den die Stadt 2020 um eine Stellungnahme gebeten hatte, sah ein Fütterungsverbot dann als problematisch an, "wenn es auf eine an die Zufütterung gewohnte Population ohne eine entsprechende vorherige Bestandsreduktion angewendet würde". Außerdem hält der Amtstierarzt betreute Taubenschläge für sinnvoll, heißt es in der Stellungnahme, die der Redaktion vorliegt.
Diese Punkte, sagt Stadträtin Ulrike Schneider (Zukunft./ödp), seien dem Stadtrat nicht mitgeteilt worden. Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Ordnungsreferent Jan von Lackum hätten nur stellenweise zitiert und den Stadtrat nicht umfassend informiert. "Hätten wir das gewusst, ich glaube, die Abstimmung im Stadtrat wäre anders ausgefallen." Statt dessen sei die Ausnahmeregelung widerrufen worden. Laut Schneider hat eine Bürgerin deswegen Anzeige gegen die Stadt erstattet.
Jasmin Poyotte: Die Sterben der Stadttauben geschieht leise und unbemerkt
43 tote Tauben haben Mitglieder der Schweinfurter Stadttaubeninitiative "White Angels" seit September 2021 gefunden. 600 Tiere nimmt die Initiative im Jahr auf, hilft den halb verhungerten oder verletzten Tieren. Allein seit September waren es über 100 Tauben. 80 Prozent von ihnen könnten aufgrund ihres Zustands nicht mehr frei gelassen werden, sagt Jasmin Poyotte von der Initiative. Das Sterben der Stadttauben geschehe leise, für die meisten nicht sichtbar. "Die Tiere ziehen sich zum Sterben zurück in irgendwelche Ecken." Auch der Schweinfurter Tierarzt Dr. Michael Göde, der die Taubenhilfe unterstützt, fürchtet die Folgen der Entscheidung, mitten im Winter das kontrollierte Füttern zu stoppen.
Ein Verein bietet seine Hilfe an und will das Taubenmanagement übernehmen
Dass sich Städte wie Schweinfurt ihrer Verantwortung stellen müssen und warum, war ein wesentlicher Punkt der Pressekonferenz. Die Frage, wie es weiter gehen kann, eine andere. In diesem Punkt gibt es eine neue Entwicklung: Der Verein Pro Animale für Tiere in Not, mit Sitz in Schweinfurt, hat angeboten, das Stadttauben-Management zu übernehmen. Im Februar gibt es einen Gesprächstermin mit der Stadt, so die stellvertretende Vorsitzende und Mitgeschäftsführerin Natascha Wothke. Wie sie sagt, würde Pro Animale nicht nur für ein Jahr die Kosten für artgerechtes Futter zahlen, sondern auch die Lohnkosten für zwei Tierpfleger.
Für Schweinfurts Stadttauben engagieren will sich auch Axel Kröner. Der gebürtige Schweinfurter ist in der Stadttaubenhilfe Frankfurt aktiv und weiß, dass Tierschutz das Spannungsfeld rund um die Stadttauben auch befrieden kann. Eine erste Aktion in Schweinfurt hat er schon hinter sich: Aus versteckten Nestern unter einer Schweinfurter Brücke hat er 21 Taubeneier geholt und durch Attrappen ersetzt. Genau so könnte in betreuten Schlägen die Population kontrolliert werden. Denn eines liegt den Stadttauben, die nach Ansicht aller Experten in der Runde keine Wild-, sondern verwilderte Haustiere und vom Menschen abhängig sind, in den Genen: der Brutzwang, selbst bei schlechtesten Bedingungen.
Das beste, was eine Stadt tun kann, sei deshalb, betreute Taubenschläge einzurichten und artgerecht zu füttern, sagt Dr. Kirsten Toennies, Expertin für Vogelheilkunde. Dass bei einer Lösung nicht nur der Verein Pro Animale an den runden Tisch gebeten wird, sondern auch die Stadttaubenhilfe, der Berliner Jurist, der Schweinfurter Tierarzt Dr. Michael Göde und Tierschützer Axel Kröner, darauf hofft Stadträtin Ulrike Schneider.
Verursachen Schäden = Schädling
Juristisch formuliert:
Schädlinge i.S.d. Tierschutzgesetzes
Auch wenn Tauben als Haustauben einmal Nutztiere waren haben sie nachdem sie entflogen sind keinerlei Nutzen mehr.
Daran ändert sich Nichts auch wenn man noch so viel liest.
Für Nutztiere, die der Mensch hält, hat er Verantwortung. Dazu gehört auch möglichst artgerechte Haltung.
Die Natur sollte grundsätzlich weit mehr geschützt werden.
Verwilderte Tiere sind aber Nichts von beidem.
In der Bibel steht etwas von „Erde untertan machen“ aber nichts von Taubenfüttern.
Soll ich vielleicht auch mal in den Veden, dem Koran, der Avesta oder dem Talmud nachschauen?
Ich bin regelmäßig in der Natur, nehme mir Zeit zum Lesen und Diskutieren und bin in gewissem Maße lernfähig.
Deswegen sage ich auch ganz bewusst dass Stadttauben nicht gefüttert werden sollen.
Und lassen Sie bitte die Appelle an die Menschlichkeit. Schädlinge füttern hat rein gar Nichts mit Menschlichkeit zu tun.
"Straßen sauber halten und Nistmöglichkeiten beseitigen wäre die logische Lösung." - Wenn die Tauben endlich betreute Häuser hätten mit ausreichend artgerechtem Futter und sanfter Geburtenkontrolle - dann wären sie zu 80% ihrer Zeit im Taubenschlag und weg von den Strassen!
Dann müssten eh die wilden Nistplätze dichtgemacht werden, um die Nutzung durch neu gestrandete Brief-, Hochzeits-, und sonstiger ausgesetzter Zuchtauben zu verhindern.
@deweka; Sie wollen weder den Artikel noch sonst die genannten Fakten richtig wahrnehmen, scheint mir. Schade.
Tierarten sterben aus, Menschen verhungern, und hier sollen Schädlinge verwöhnt werden.
"Und wenn es kein Futter gibt gibt es auch weniger Tauben." Falsch, da sie durch die Zucht gezwungen sind 6-8x zu brüten wird nur ihr Leben zur Tierqual ohne ausreichend artgerechte Nahrung! Tatsächlich brüten sie im verzweifelten Versuch der populationerhaltung bei schlechten Lebensumständen sogar noch mehr - hier kollidiert Zucht und Trieb.
Menschen haben ihr Leid verursacht und Menschen müssen für sie sorgen.
Wegen der ständig dazukommenden verirrten Brief- und ausgesetzten Zuchttauben (Hochzeitstauben!), sollten auch Züchter endlich zur Verantwortung gezogen werden!
Andere Tierhalter müssen für die Schäden die ihre Tiere anrichten haften.
So gesehen wäre es logisch Züchter zur Verantwortung ziehen.
Oder suchen die Tauben selbstständig die Blumentöpfe auf?
Selbst wenn der Kot bei artgerechter Fütterung leichter zu entfernen sein sollte ist er wohl für die Meisten ein Ärgernis und nicht Blumendünger.
So sind Tauben für viele einfach nur ein Ärgernis. Schließlich sind sie ja auch offiziell Schädlinge.
Echt interessant.
"Dann sammeln Sie doch die ausgesetzten und entflogenen Täubchen ein und geben ihnen ein Zuhause."
Genau das sollen ja die betreuten Taubenschläge sein - nur leider bekommen wir zu wenig Unterstützung - weder durch die Stadt und noch durch Bürger wie Ihnen.
Nadine Hoffmann-Voigt, Stadttaubenhilfe Unterfranken
Befürchtungen für die Zukunft.
Gerade wenn eine Bewegung von vielen Ehrenamtlichen getragen wird ist sie nicht stabil da sich die Lebensumstände schnell ändern können und das Ehrenamt nicht die höchste Priorität besitzt.