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Schweinfurt
Streit um Schweinfurts Tauben: Tierschützer stellen sich vehement gegen Vorwürfe der Stadt
Die Ausnahmeregel ist vorbei, der Stadtrat hat das Fütterungsverbot bestätigt. Das und die Kritik an der Stadttaubenhilfe "White Angels" macht manche fassungslos. Auch Ärzte warnen.
Nicht viel zu holen gibt es für Schweinfurts Stadttauben. Weniger Menschen bedeutet auch weniger Brösel, die liegen bleiben. Doch Füttern bleibt verboten, seit kurzem auch für die Stadttaubenhilfe.
Foto: Anand Anders | Nicht viel zu holen gibt es für Schweinfurts Stadttauben. Weniger Menschen bedeutet auch weniger Brösel, die liegen bleiben. Doch Füttern bleibt verboten, seit kurzem auch für die Stadttaubenhilfe.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 21:30 Uhr

Die Fronten sind verhärtet, der Streit auf dem Siedepunkt – vor allem zwischen Rathaus und Stadträtin Ulrike Schneider. Ihr Antrag, die Ausnahmeregelung für das Füttern bis zum Bau betreuter Taubenschläge in Schweinfurt zu verlängern, wurde in der letzten Sitzung des Jahres von der Mehrheit des Stadtrats abgelehnt. Auch in der Verwaltung gibt es dazu eine klare Haltung: Das Fütterungsverbot gilt weiter, die Tauben könnten schon genügend Futter finden, auch außerhalb des Stadtzentrums. So sieht es das Veterinäramt, so sehen es Oberbürgermeister Sebastian Remelé und auch Umweltreferent Jan von Lackum. Aber stimmt das wirklich?

Nicht nur die deutsche Tierhilfe warnt vor den Folgen von Fütterungsverboten in der Corona-Krise und verweist darauf, dass Stadttauben eben nicht aufs Land fliegen, um Futter zu finden, sondern wegen ihrer Standorttreue in den Innenstädten bleiben. Koste es, was es wolle. Auch Tierärzte warnen vor einem Stopp der Fütterung, gerade zu diesem Zeitpunkt, in dem die Städte leer sind und der Winter das Überleben noch schwerer macht. Darunter ist auch Dr. Michael Göde, Tierarzt in Schweinfurt. Er geht davon aus, "dass ich auch in diesem Winter wieder viele ausgemergelte, verhungernde Tauben in die Praxis gebracht bekomme. Vielleicht sogar noch mehr, denn Corona bedingt sind wenig Menschen in der Stadt und uns steht ein kalter, harter Winter bevor". Er rät "sehr zur artgerechten Fütterung an mehr als einer Stelle in der Stadt". 

Auch Tierschützer aus der Region bringen genau diese Argumente vor. Dass sich, wie OB Remelé es nannte, die Stadttauben "schon durchschlagen werden",  ziehen sie mehr als in Zweifel. Nadine Hofmann-Voigt zum Beispiel. In vielen Tierschutzvereinen, auch Initiativen für Stadttauben, ist sie aktiv, unter anderem in Würzburg oder der Stadttaubenhilfe Unterfranken. Sie hat die Schweinfurter Gruppe mitbegründet. Wohlgemerkt Gruppe, denn ein Verein ist die Initiative "White Angels" nicht.

Die Stadttauben, schreibt Hofmann-Voigt in einem Brief an die Redaktion, sind keine Wildtiere, sondern "herrenlose Nachkommen von Zuchttauben, die vom Menschen abhängig sind" und sich in maximal 500 Meter Entfernung von ihrem Nistplatz Nahrung suchen. Ein Fütterungsverbot bedeute fahrlässig verschuldetes Tierleid. Ähnlich sieht es übrigens auch der Deutsche Tierschutzbund.

Die Stadt, sagt die Tierschützerin, müsse ihrer Fürsorgepflicht nachkommen, ausreichend betreute Taubenschläge errichten, die Tauben dort artgerecht füttern und mit dem Austausch von Eiern gegen Attrappen die Population sanft in den Griff bekommen. Denn, auch wenn es paradox klingt: als Nachfahren von Zuchttieren brüten Stadttauben nicht nur, wenn die Voraussetzungen stimmen. Laut Hofmann-Voigt sind sechs bis siebenmal im Jahr normal. Noch höher sei die Brutrate, wenn viele Tiere sterben. Unverständlich findet sie es, dass diese Fakten noch immer nicht bei der Stadt angekommen seien, man weiter "Fehlinformationen" herausgebe.

Tierschützerin: Vorwürfe der Stadt an die Stadttaubenhilfe sind "unhaltbar"

Was nicht nur Hofmann-Voigt klar verurteilt, sind die Vorwürfe an die Stadttaubenhilfe "White Angels". Diese seien "unhaltbar und haben praktisch keine Grundlage". Umweltreferent Jan von Lackum hatte in den Sitzungen zu dem Thema wiederholt auf Vorfälle hingewiesen, darauf, dass sich Anwohner des Martin-Luther-Platzes massiv beschwert hätten, dass die Stadttaubenhilfe Abmachungen nicht eingehalten habe, zu viel gefüttert worden sei und die Zusammenarbeit bei der Suche nach einem Taubenschlag nicht wie verabredet funktioniere.

Aus für die artgerechte Fütterung: Auch die Stadttaubenhilfe 'White Angels' darf nicht mehr füttern. Ausnahmsweise hatte die Stadt dies erlaubt und dafür den Martin-Luther-Platz als Futterstelle benannt.
Foto: Katja Beringer | Aus für die artgerechte Fütterung: Auch die Stadttaubenhilfe "White Angels" darf nicht mehr füttern. Ausnahmsweise hatte die Stadt dies erlaubt und dafür den Martin-Luther-Platz als Futterstelle benannt.

Aussagen, die Peter Ring aus Wiesentheid, nicht nachvollziehen kann. Ring ist Gründer der Tierrettung "Wildvogel-/Kleintierhilfe Kitzinger Land", hat schon öfter mit der Stadttaubenhilfe Schweinfurt zusammengearbeitet und selbst an den Fütterungsaktionen am Martin-Luther-Platz teilgenommen. Die Initiative sei stets darauf bedacht gewesen, den Platz sauber zu hinterlassen, sagt er. Auch habe sich der Taubenbestand nicht wie behauptet vergrößert, sondern allenfalls auf diesen Fleck konzentriert. 

"Das ist ein offener Feldzug gegen unbequeme Menschen mit unbequemen Themen."
Peter Ring, Gründer der Tierrettung Wildvogel-Kleintierhilfe Kitzinger Land

Die Stadt habe die Stadttaubenhilfe immer wieder um Unterstützung gebeten und diese auch bekommen. Es sei verwerflich, dass die Initiative keinerlei Unterstützung bekäme und alles aus eigener Tasche finanzieren müsse. "Dies sind Kosten, die eigentlich die Stadt zu tragen hat, da sie für die Tauben verantwortlich ist", sagt Ring. Sein Eindruck: Hier werde "eine Gruppe und eine Person diffamiert, die öffentlich den Finger in die Wunden legt und Fehler der Stadt anprangert". Dies sei "ein offener Feldzug gegen unbequeme Menschen mit unbequemen Themen".

Eine Auffassung, die auch andere teilen. In etlichen Leserbriefen an die Redaktion unterstützen Menschen aus der Region die Stadttaubenhilfe und kritisieren die Haltung der Stadt, vor allem die Kritik und die Vorwürfe an die Initiative. Man habe, so der Tenor der Briefe, den Eindruck, dass die Stadt gar nicht an einer Lösung des Problems interessiert sei.

Mitglieder der Schweinfurter Stadttaubenhilfe sind enttäuscht

Auch Mitglieder der Initiative melden sich zu Wort, darunter David Socha aus Rundelshausen. Er war selbst in der Sitzung, habe falsche Schuldzuweisungen mit anhören müssen und den Versuch der Stadt sich damit reinzuwaschen, wie er schreibt. Die Initiative habe drei Plätze für das Füttern vorgeschlagen, die Stadt habe nur einen in der Innenstadt erlaubt. Der Bau eines Taubenschlags sei Sache der Stadt, nicht einer Initiative. "Wir unterstützen, wir sammeln kranke Tauben ein, bringen sie zum Tierarzt, päppeln sie. Aber wir können nicht alles leisten."

Auch Jasmin Poyotte, die bisher an der Spitze der Initiative stand, meldet sich zu Wort – auf Facebook. Aktuell ist sie im Ausland, hat eine Stellvertreterin. Die Zusammenarbeit funktioniere nicht mehr, hatte der Umweltreferent festgestellt. Poyotte sieht das auch so, aber aus anderen Gründen. In ihrem Post zeigt sie sich enttäuscht über die Vorwürfe, hält dagegen, dass die Stadt zugesichert habe, einen Taubenschlag bauen zu wollen. Das werde man auch unterstützen.

Sie verweist darauf, dass die Entscheidung für eine Futterstelle von der Stadt getroffen worden sei, die das freiwillige Engagement der Gruppe immer wieder gerne in Anspruch genommen habe – auch über ihre Stellvertreterin, die das Ordnungsamt gebeten hätte, 14 Tauben aus einer Hausräumung zu übernehmen.

In drei Monaten habe die Initiative insgesamt 90 Tauben geholfen – alles auf eigene Kosten. Am Ende bleibt für sie ein bitteres Fazit. Unter diesen Voraussetzungen sei tatsächlich eine Zusammenarbeit mit der Stadt nicht möglich, so Poyotte in ihrem Post.

 
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    Wer hier von Natur und der Natur überlassen redet, hat noch nicht kapiert, dass die Stadttauben durch den Menschen mittels jahrtausendelanger Zucht aus der "Natur" und dem Wildtierkreislauf herausgenommen wurden. Daher muß auch der Mensch weiter für sie sorgen!
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  • hoffmann-voigt@web.de
    und desweiteren, "einFranke", ist die Ansiedelung von "Wanderfalken" nur dann sinnvoll, wenn sie auch einen artgerechten Lebensraum haben. Und die Stadttrauben ziehen aufgrund ihrer Ortstreue und Abhängigkeit von Menschen nur minimal in die benachbarten Stadtteile - also eine Verlagerung des Problems mit zeitlich begrenzter Wirkung. Dann liebe gleich auf fragwürdige Aktionen verzichten und ausreichend betreute Taubenschläge dorthin setzen, wo die Tauben eh sind und mit artgerechtem Futter und sanfter Geburtenkontrolle für eine gesunde und auf Dauer auch kleinere Population sorgen. Damit wird die Stadt (in Vertretung ihrer Bürger) ihrer Verantwortung gerecht und nicht durch fragwürdige Tötungs- und Vertreibungsmaßnahmen.
    Nadine Hoffmann-Voigt, Stadttaubenhilfe-Unterfranken
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    falls Wanderfalken eine mögliche Nisthilfe längerfristig annehmen bedeutet das, dass sie den Lebensraum und das Futterangebot als passend erachten. Wildvögel sind ja nicht blöd. Es wird auch nicht jedes Storchennest angenommen, was manches Mal auch am Standort liegt. Man müsste es eben mit möglichst fachkundiger Hilfe ausprobieren, entscheiden werden letztlich die Tiere.
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  • hoffmann-voigt@web.de
    nun ja, doch das ändert nichts daran, das die Stadttauben immer noch vom Menschen abhängig sind und nicht einfach dem Elend und der Not überlassen werden dürfen! Vertreiben schafft nur zusätzliche Probleme!
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  • Funkenstern
    Man kann es halten wie man will, die Schäden sind nicht wegzudisktutieren. Da man dem Problem nur mit harten Massnahmen beikommen kann, ist es eben unpopulär. Die Natur hat für jeden Lebensraum Bewohner parat. Kommen diese Bewohner nicht mehr mit diesem Lebensraum zurecht, müssen sie sich verändern. Tun sie das nicht, gehen sie ein.
    Tierschutz ist ohne Diskussion sinnvoll, aber in Bezug auf Taubenproblematik bin ich zweigespalten. Die Verunreinigungen fallen nun mal an, je mehr gefüttert wird, eben auch mehr Verunreinigung. Leider füttern die Menschen in vielen Dingen zu viel. Sich selbst und auch ihre Tiere. Die daraus resultierenden Probleme will keiner haben. Die Stadt bekleckert sich hier aber auch nicht mit kooperativem Wissensstand. Gerade die Argumentation von gewissen Personen zählt wahrlich nicht zu professionellem Denken.
    Gerade das Schwarz-Weiss-Denken beider Fraktionen ist dümmlich.
    Ein wenn auch befristetes Aufeinanderzugehen wäre für alle sinnvoller gewesen.
    So aber .
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  • Schmetterling
    Irgendwie stehen die Tauben stellvertretend für die Bürger der Stadt.
    Die werden auch langsam aber sicher vertrieben, haben keine Chance auf eine lebenswerte Innenstadt. Die sollte aus Bolzplätze, Cafés,Parks, Sitzplätzen unter Bäumen, Spielplätzen etc. bestehen. Eine Innenstadt lebt von den Menschen, die dort leben und sich dort auf halten wollen, keinen leeren betonierter Platz.
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  • cbretscher
    Eine gute komplexe Darstellung über das Verhalten zu den Tauben in SW. Durch das Fütterungsverbot durch Stadtrat, OB und Ordnungsreferent haben die Befürworter von harten Antitaubenmassnahmen genügend Öffentlichkeit bekommen, im Artikel bekommen Taubenschützer ein Forum. Finde ich gut. Eine Neigung zu eindimensionaler juristischer Blicklage der politisch Verantwortlichen in SW ist ja auch in anderen Bereichen nicht zu übersehen. Einige Argumente der Taubenfreunde sind überzeugend, obwohl ich kein Freund von Stadttauben wegen z.T. nicht unerheblicher Gebäudeschäden in SW bin.
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Das es schwer ist einen Standort für einen Taubenschlag zu finden bestreiten sicherlich weder die Stadt noch die Tierfreunde.

    Eine interessante, alternative Möglichkeit wäre es wenn die Stadt versucht Nisthilfen für Wanderfalken zu schaffen. Das wäre sicher auch eine gute Lösung in der sich sowohl die Freunde der Natur, die Stadt und die Anwohner wiederfinden könnten. Ein Artikel aus der Region dazu:
    https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/wanderfalken-sind-da-kaum-noch-tauben-in-der-altstadt-art-10588083
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Dass der Mensch immer wieder versuchen muss in die Natur einzugreifen macht sprachlos! Erst erschafft er diese Kreaturen als Haustiere die dann verwildern, später versucht er wieder einzugreifen wenn die Natur versucht diesen Fehler rückgängig zu machen! Das ist doch irgendwie pervers.

    Sonderbar finde ich auch diesen sehr einseitigen Bericht in dem nur einer Seite "das Wort erteilt" wird. Es gibt nämlich auch zahlreiche gegensätzliche Meinungen und Aussagen. Warum wird das hier verschwiegen?
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  • hoffmann-voigt@web.de
    Hallo "einFranke", bisher kam praktidh nur die andere Seite zu Wort - jetzt, wo es auch mal anders herum geht, da finden sie es sonderbar?
    Allerdings sind auch die heute genannten Argumente der Tierschützer fundierter und zutreffender als die der Stadtverwaltung/Ordnungsamt/Veterinäramt, incl. OB und Umweltreferent es bisher waren.
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