Es wird die größte Gewerbeansiedelung der vergangenen Jahrzehnte in Gerolzhofen: Nach zweistündiger intensiver Diskussion hat der Stadtrat am Montagabend in seiner Sitzung in der Stadthalle den Grundsatzbeschluss gefasst, dass der Lebensmittelkonzern Norma eine Regionalgesellschaft im Norden der Stadt bauen darf. Die neue Niederlassung soll künftig rund 150 Norma-Filialen verwaltungstechnisch steuern und mit Waren versorgen.
Die Entscheidung fiel mit 13 zu fünf Stimmen deutlich aus. Lediglich Burkhard Wächter (CSU), Norbert Finster (SPD) und - wie bereits vorab in einer Presseerklärung der Grünen angekündigt - die drei anwesenden Mitglieder der Fraktion Geo-net (Thomas Vizl, Kerstin Krammer-Kneißl und Stefanie Döpfner) stimmten gegen die Pläne. Das vierte Mitglied von Geo-net, der Bio-Landwirt Guido Herbig, der eine große Ackerfläche für die Norma-Ansiedelung notariell zugesichert hat, war nicht zur Sitzung erschienen.
Wie ausführlich berichtet, will Norma im Industriegebiet auf einem Grundstück von 11,5 Hektar eine rund 35 000 Quadratmeter große Halle und ein Verwaltungsgebäude mit 2000 Quadratmetern Bürofläche auf zwei Stockwerken bauen. Bis zu 200 Arbeitsplätze der unterschiedlichsten Qualitäten werden entstehen. Die Stadt erwartet jährliche Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro.
Zu Beginn der Sitzung, die auf großes Publikumsinteresse stieß, gab es eine Überraschung: Thomas Vizl stellte für die Fraktion von Geo-net einen Antrag zur Geschäftsordnung mit dem Ziel, den Tagesordnungspunkt ins nächste Jahr zu vertagen. Es handle sich um ein weichenstellendes Thema, das intern dem Stadtrat zwar schon seit Monaten bekannt sei, sagte er. Allerdings gebe es noch erheblichen Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung. Seine Fraktion habe zudem bei verschiedenen Institutionen Anfragen gestellt, die noch nicht alle beantwortet seien.
Bürgermeister Thorsten Wozniak bat in seiner Gegenrede das Gremium, den Antrag von Geo-net abzulehnen. Die Bürgerinnen und Bürger seien seit Jahren an der Ausarbeitung und an verschiedenen Änderungen des Flächennutzungsplans beteiligt gewesen. Im Jahr 2013 hätten sich Hunderte mit Unterschriftenlisten und Info-Ständen auf dem Marktplatz eingebracht, als es beispielsweise um Flächen bei Rügshofen und am Nützelbach ging. "Gegen das Industriegebiet an der Alitzheimer Straße hat da nie jemand etwas vorgetragen", sagte der Bürgermeister. Ganz im Gegenteil. Es sei bisher allgemeiner Konsens gewesen, dass im Norden die Industrie entwickelt wird und im südlichen Stadtgebiet die Wohngebiete.
Vertagung abgelehnt
Wenn der erste Entwurf eines Bebauungsplans für die Norma-Ansiedlung vorliege, könne man in die Beantwortung von Detailfragen einsteigen, so Wozniak. "Die Beteiligung der Bürger ist dabei explizit vorgesehen." Der Antrag auf Vertagung wurde schließlich mit vier zu 14 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmte neben den drei Geo-net-Vertretern lediglich Burkhard Wächter (CSU).
Bevor der Stadtrat seinen Grundsatzbeschluss pro Ansiedlung fasste - eine Entscheidung, die sicherlich in die lokalen Geschichtsbücher eingehen wird - nutzten der Bürgermeister und die vier Fraktionen nochmals die Gelegenheit für eine ausführliche Darlegung ihrer Positionen.
500 Arbeitsplätze mehr
Bürgermeister Wozniak sagte, die Stadt Gerolzhofen habe in den vergangenen Jahren Millionenbeträge in neue Gewerbe- und Industriegebiete investiert. Der Erfolg: ein Plus von rund 500 Arbeitsplätzen. Der Stadtrat habe sich in mehreren Workshops und Klausuren klar auf diese Richtung festgelegt: Die Stadt benötigt wirtschaftliche Entwicklung mit entsprechenden Steuereinnahmen, um ihre Infrastruktur und ihre außergewöhnlich hohen freiwilligen Leistungen auch künftig finanzieren zu können.
Die Stadt alleine, so Wozniak, hätte das Projekt in dieser Größenordnung wie Norma nicht umsetzen können. Denn nur ein Drittel der benötigten Flächen befinden sich in städtischem Eigentum. "An die anderen Grundstücke wäre die Stadt wahrscheinlich nicht rangekommen", betonte der Bürgermeister - zumindest wenn die Stadt bei ihrem bisherigen Preisgefüge für Grundstücksgeschäfte geblieben wäre. Offenbar hat Norma an die Landwirte ungewöhnlich hohe Quadratmeterpreise gezahlt. "Aber dies sichert ja dann auch die Zukunft dieser landwirtschaftlichen Betriebe", kommentierte Wozniak.
"Damit müssen wir leben"
Günter Iff (Freie Wähler) würdigte die hohe Zahl der neuen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Wichtig sei auch, dass die Norma-Regionalgesellschaft ihre Gewerbesteuer am Standort Gerolzhofen zahlen wird. Man könne bereits in wenigen Jahren die erste Zahlung erwarten. Durch Norma komme eine neue Branche bei den Gewerbesteuerzahlern hinzu, wodurch das Feld der Zahler sich verbreitere und somit widerstandsfähiger werde. Diese Resilienz könne insbesondere bei den durch Corona drohenden Rückschlägen sehr wichtig werden.
Ein weiteres, bislang noch nicht in die Diskussion eingeführtes Argument pro Ansiedlung sieht Iff bei den Kanalgebühren. Die Firma Norma müsse wegen der enormen Fläche eine hohe Anschlussgebühr an die Stadt zahlen, während die Belastung des städtischen Kanalnetzes durch die eingeleiteten Abwässer vergleichsweise sehr gering sei. Es gebe allerdings auch negative Aspekte, "die man nicht wegdiskutieren kann". Iff listete hier die "Sichtbarkeit der großen Halle am Ortseingang" auf, die steigende Verkehrsbelastung und den Lärm durch die Lkw. "Aber damit müssen wir leben." Insgesamt seien die positiven Aspekte deutlich stärker zu gewichten als die negativen, fasste Günter Iff seinen Redebeitrag für die Freien Wähler zusammen.
2. Bürgermeister Erich Servatius sagte, dass man es sich in der SPD-Fraktion nicht leicht gemacht habe mit einer Entscheidung und man auch nicht einmütig abstimmen könne. Es sei zu begrüßen, dass neue Arbeitsplätze in Gerolzhofen geschaffen werden, zumal zu befürchten sei, dass es durch die Corona-Pandemie zu einem Abbau von Stellen kommen werde. Die wirtschaftliche Fortentwicklung der Stadt sei wichtig und somit auch die Ansiedlung von Norma, denn andernfalls, so Servatius, müsste man sich möglicherweise mit Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen, bei VHS und Bibliothek beschäftigen.
Steigende Verkehrsbelastung
Als negativ sieht auch die SPD die steigende Verkehrsbelastung durch den zunehmenden Lkw-Verkehr. "Dieser Verkehr muss durch die Firma Norma und durch die Verkehrsbehörde gelenkt werden", forderte Servatius. Außerdem regte er an, dass sich Norma beim Öffentlichen Personennahverkehr engagiert und durch entsprechende Modelle seine Mitarbeiter zum Umsteigen auf den ÖPNV bewegt.
Nach der Abwägung der Argumente pro und contra einer Ansiedlung könne die Fraktion Geo-net dem Norma-Projekt nicht zustimmen, gab Thomas Vizl für seine Fraktion bekannt. Das Schaffen neuer Arbeitsplätze und die Gewerbesteuereinnahmen seien zwar wichtig für die Stadt, allerdings würden die negativen Faktor überwiegen. Der Flächenverbrauch sei enorm. Pro Hektar komme man bei Norma nur auf 18 Arbeitsplätze, es gebe andere Firmen in Gerolzhofen mit 130 Arbeitsplätzen pro Hektar Betriebsfläche.
Fußgänger-Ampel notwendig?
Ein großes Problem sieht Vizl in der steigenden Verkehrsbelastung durch die Lkw. "Die Alitzheimer Straße wird der Belastung nicht standhalten", sagte er. Besonders am Kreuzungsbereich zur Nördlichen Allee werde es zu Problemen kommen, die möglicherweise sogar den Bau einer Fußgänger-Ampel erforderlich machen könnten. Auch die bisherigen Überholspuren auf der B 286 würden wohl nicht mehr ausreichen, das Norma-Zentrum werde deshalb den kompletten vierspurigen Ausbau der B 286 befeuern.
Auch die Mitglieder der CSU-Fraktion hätten "stundenlang sowohl intern als auch mit Bürgern intensivst diskutiert", sagte der Fraktionsvorsitzende Arnulf Koch. Die Fraktion könne nicht einmütig abstimmen. "Die beiden Pole unseres Meinungsspektrums sind unser Bürgermeister Thorsten Wozniak, der seit Jahren eine Gelegenheit nach der anderen beim Schopf ergreift." Der andere Pol sei der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Burkhard Wächter, der auf Flächenverbrauch, Lkw-Verkehr und die Fokussierung auf die Branchen Handwerk und Produktion hingewiesen habe, während für ein Logistikzentrum die Fläche einfach zu wertvoll sei.
Erfolgsparameter Gewerbesteuer
Die Zahl der Arbeitsplätze in Gerolzhofen sei den vergangenen sieben Jahren in der Amtszeit von Bürgermeister Wozniak um über 20 Prozent auf heute 3595 gestiegen. "Das ist die Basis, um Leben in die Innenstadt zu bringen, Besucher in unsere Einrichtungen zu bringen und vor allem die Finanzierung unserer vielfältigen, großartigen, aber leider defizitären Einrichtungen sicherzustellen." 200 weitere Arbeitsplätze durch Norma seien deshalb sehr zu begrüßen, insbesondere weil darunter viele Arbeitsplätze seien "in einer Lücke, in der wir Defizite haben. Ist die Arbeitslosenquote im Landkreis Schweinfurt aktuell bei nur 2,7 Prozent, haben es 58 Prozent der Geflüchteten bisher nicht aus Hartz IV geschafft."
Die Automatisation auch von komplexen, losen Gütern schreite mit riesigen Schritten voran, so Koch. Niemand könne hier sagen, was in zehn Jahren sein wird. "Aber Automatisation steigert den Ertrag." Der langfristige Erfolgsparameter für die Stadt werde die Gewerbesteuer sein. Allerdings müsse man in der Tat auch die Belastungen durch den Lkw-Verkehr sehen. "160 Lkw pro Tag bedeuten bei sechs Tagen pro Woche ziemlich genau 100 000 Lkw-Bewegungen pro Jahr", rechnete Koch vor. Und beim Flächenverbrauch werde Norma von jedem anderen größeren Gerolzhöfer Unternehmen geschlagen.
Wie geht es weiter?
Mit dem Grundsatzbeschluss für die Gewerbeansiedlung einer Regionalgesellschaft der Firma Norma beschloss der Stadtrat mit 13:5 Stimmen auch, einen so genannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen. Mit Norma wird ein städtebaulicher Vertrag geschlossen, wonach dieser Bebauungsplan von einem von Norma beauftragten Ingenieurbüro erstellt wird und Norma auch die Kosten dafür alleine trägt.
auch mal über den Tellerrand schauen und diesen Artikel lesen :Helmstadt
Amazon-Logistikzentrum in Helmstadt: Das sagt der Bürgermeister
Neue Arbeitsplätze, mehr Verkehr? Bürgermeister Tobias Klembt benennt Vorteile und Probleme eines großen Verteilzentrums - und erklärt, warum Amazon auf seine Gemeinde kam.
Die Arbeitsplätze, die Amazon mitbringt, sind für uns zum Beispiel weniger interessant. Zu großen Teilen sind es eben keine Stellen für hochqualifizierte Arbeitskräfte
Auch die zu erwartende Gewerbesteuer ist alles andere als attraktiv. Wenn Amazon nur einen niedrigen fünfstelligen Betrag zahlt, ist das angesichts des hohen Flächenverbrauchs von 6,5 Hektar sehr wenig.
Ich glaube nicht, dass die zusätzliche Belastung durch ein Logistikunternehmen in dieser Größe einen Ort lebenswerter macht
Außerdem stört mich, dass Amazon nicht der Eigentümer der Immobilie wäre, sondern ein Investor. Wenn Amazon also kurzfristig wieder auszieht, kann das Gebäude anders verm
In der Tat: Es sollte erheblicher Wert darauf gelegt werden, dass das Personal mit dem ÖPNV, vorzugsweise der Bahn, zu ihren Arbeitsplätzen gelangt. Da die Steigerwaldbahn in unmittelbarer Nähe des mutmaßlichen NORMA-Geländes verläuft, bietet sich die Errichtung eines weiteren Haltepunktes nahezu an.
An anderer Stelle habe ich geschrieben, dass die Anlieferung von Non-Food-Artikeln im Gegensatz zu Lebensmitteln keinen zeitlichen Zwängen unterliegt. NORMA hat bekanntlich ein sehr umfangreiches Sortiment an derartigen Artikeln, so dass der Unternehmensleitung schmnackhaft gemacht werden muss, für die entsprechenden Transporte die Schiene zu bevorzugen.
Hoffentlich sehen die befürwortenden Gerolzhöfer Stadtratsmitglieder nicht nur die €-Zeichen in ihren Augen leuchten, sondern denken bei künftigen Beschlussfassungen auch an die Umwelt, lies: so wenig LKW-Verkehr wie irgend möglich.
Für jedes neue Logistikzentrum oder neue Filiale mit neuen Arbeitsplätzen fallen an anderer Stelle der Umsatz und somit der Arbeitsplatz weg. Was bleibt sind an anderer Stelle Leerstände und versiegelte Flächen.
Regional einkaufen beim Discounter wie soll das gehen? Regional ist wo die Ware produziert wird und nicht wo ein Logistikzentrum steht.
Das bisherige Ligistikzentrum wird zum Zentrum für den online- Handel umgebaut, also wird ein Logistikzentrum irgendwo neu gebaut- da gehen keine Arbeitsplätze verloren!
1. Vierspuriger Ausbau der B 286 bis GEO-Nord. Die Brücken sind hierfür bereits vorgesehen. Das geht relativ preiswert!
2. Zusätzliche Anschlussstelle der B 286 auf Höhe Gerolzhöfer Industriegebiet
3. Steigerwaldbahn, mit zusätzlichen Halten am Industriegebiet und GEO-Süd
Gute Regionalentwicklung bringt unterschiedliche Interessen unter einen Hut. Statt sie gegeneinander auszuspielen, wie das die Grünen machen; was kommt denn dabei am Ende raus? Bei einem Nein zu einen Standort wird irgendwoanders gebaut: und zwar zufällig, unstrukturiert, mit weiterer chaotischer Zersiedlung allerorten! Mit den obigen drei Vorschlägen hätte man die Chance GEO und den südlichen Landkreis geordnet & sinnvoll entlang einer Entwicklungsachse weiter zuentwickeln und das übrige Steigerwaldvorland als intakte (Weinkultur)Landschaft zuerhalten und ihr eine weitere Katastrophe, wie Kaufland in Donnersdorf, zu ersparen.
Kein Mensch wird kilometerweit zu Fuß zur Arbeit gehen!
Das ist blinder Aktionismus um das Bahn-Thema zu lancieren!
Hier will ich es nochmal erklären: Raumordnung will die regionale Entwicklung umweltverträglich lenken, um Zersiedelung in der Fläche zu verhindern und dadurch schützenswerte Regionen zu erhalten. Deshalb schafft Raumordnung Schwerpunkte für Wohnen & Gewerbe an Entwicklungsachsen, mit Eisenbahn und Autobahnen oder Schnellstraßen. In der Metropolregion Berlin dürfen z. B. nur noch Gebiete entlang S & Regionalbahnen für Wohnen & Gewerbe weiterentwickelt werden.
In der Region SW gibt es auch ein sehr gutes Beispiel: das obere Werntal, eine Entwicklungsachse in der bay. Planungsregion Nr. 3 Main-Rhön zwischen SW & KG mit einem kompakten Siedlungsband; westlich (Raum Obbach) & östlich (SWer Rhön) davon blieb eine intakte Landschaft erhalten! Dasselbe bietet sich für den südlichen Landkreis an: westlich einer Entwicklungsachse B 286/Steigerwaldbahn mit dem idyllischen Maintal und östlich mit dem beschaulichen Steigerwaldvorland.
Überall nur Vermutungen und leere Anschuldigungen.
Ein Logistikzentrum gehört nicht in die Pampa, sondern in die Nähe einer Autobahn. Basta!
Ade mein schönes Frankenland
Bei den Umfragewerten wird immer angegeben das man nachhaltige, Biolebensmittel aus der Region kauft.
Da passt doch was nicht zusammen.
Wieviel Ausgleichsfläche wurden für die 11,5 ha zusätzlich der Landwirtschaftlichen Produktion entnommen?
Nachhaltig geht anders.
Das ist doch auch ökologisch am sinnvollsten, wenn keine unnötigen Transporte stattfinden .
gerade für einen regionalen Erzeuger macht es eben am Sinn wenn er nicht 100 km weiter zu seinem Kunden fahren muss. Gebaut wird das Logistikzentrum doch sowieso.
Ausserdem gibt es ein Regenwassernutzungskonzept, die wertvolle Humusoberschicht wird abgetragen und anderweitige Flächen aufgewertet etc etc etc.
Mal über den Tellerrand schauen und nicht irgendwelchen Parolen nachlaufen - oder man verzichtet auf eine entsprechende Versorgung.
Sind wir doch froh wenn die Wertschöpfung vor Ort entsteht - wir haben doch ganz aktuell in Zeiten von Corona gesehen, wenn die Lieferlogistik nicht optimal läuft