zurück
Gerolzhofen
Norma in Gerolzhofen? Eine schwierige Entscheidung
Das geplante Projekt des Norma-Konzerns bringt sicherlich Vorteile, allerdings gibt es auch gravierende negative Folgen. Eine persönliche Abwägung von Redaktionsleiter Klaus Vogt.
So soll die Norma-Ansiedelung am südlichen Stadtrand von Gerolzhofen einmal aussehen.
Foto: ArcDesign | So soll die Norma-Ansiedelung am südlichen Stadtrand von Gerolzhofen einmal aussehen.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:07 Uhr

Am Montagabend steht um 19 Uhr die geplante Ansiedlung einer Norma-Regionalgesellschaft in Gerolzhofen erneut auf der Tagesordnung des Stadtrats. Das Gremium will einen Grundsatzbeschluss fassen. Die Entscheidung wird aber nicht leicht fallen.

Denn über die geplante Ansiedlung kann man trefflich diskutieren und sogar streiten. Das Projekt bringt der Stadt und der Region Vorteile, allerdings gibt es auch gravierende negative Folgen. Auf der einen Seite stehen jährliche Gewerbesteuereinnahmen von mehreren Hunderttausend Euro und bis zu 200 neue Arbeitsplätze, andererseits würde die Neuansiedlung erhebliche Ackerflächen versiegeln und das Verkehrsaufkommen würde durch täglich 300 Lkw-Fahrten zunehmen. Ob man dafür oder dagegen ist, lässt sich nicht spontan entscheiden. Es ist eine Frage der Abwägung.

Was Bauchschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass für den erheblichen Flächenverbrauch von 11,5 Hektar nur relativ wenig Arbeitsplätze entstehen. Traditionelle Handwerksbetriebe oder mittelständische produzierende Unternehmen haben da eine deutlich bessere Quote von Arbeitsplätzen pro Hektar. Das Problem ist aber: Solche Unternehmen wachsen nicht auf den Bäumen. Das Industriegebiet im Norden der Stadt ist bereits seit Jahrzehnten ausgewiesen und die Nachfrage nach Flächen war bislang gering. Dass sich dies in naher Zukunft ändern wird, ist unwahrscheinlich - insbesondere wenn man auf die kaum überschaubaren negativen Folgen blickt, die die Corona-Pandemie auslöst.

Froh über jeden Arbeitsplatz

Angesichts einer drohenden Insolvenz-Welle wird man in den kommenden Jahren auch in Gerolzhofen um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen müssen. Da kann man es als glücklichen Umstand sehen, dass ein Unternehmen wie Norma jetzt noch in Gerolzhofen investieren und Arbeitsplätze schaffen will. 

Stichwort Bürgerbeteiligung: Der in den sozialen Netzwerken im Internet mehrfach erhobene Vorwurf der "Geheimnis-Krämerei" des Stadtrats trifft nicht zu. Vertreter von Norma haben in einer vorab angekündigten öffentlichen Stadtratssitzung über eine Stunde lang in alle Ausführlichkeit ihre Pläne vorgestellt und um Unterstützung geworben. In unserer repräsentativen Demokratie werden politische Sachentscheidungen grundsätzlich nur durch die von uns gewählten Vertreter unseres Vertrauens getroffen. Es bringt wenig, immer dann nach direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung zu rufen, wenn eine Diskussion in eine Richtung triftet, die einem persönlich nicht gefällt. 

Die Frage der Ökologie

Auch über den Umweltschutz, insbesondere über die Versiegelung, lässt sich natürlich diskutieren. Man muss aber anerkennen, dass das komplette Niederschlagswasser, das auf dem Areal auf den Dächern und Straßen anfällt, in einem aufwändigen System der Versickerung ins Grundwasser zugeführt wird. Und auf dem Dach entsteht eine riesige Photovoltaik-Anlage, mit die Norma-Niederlassung fast 100 Prozent ihres benötigten Strom selbst generieren wird. Der Rest soll Öko-Strom aus Lülsfeld sein. 

Auch möglichst viele Arbeitsplätze direkt vor Ort ist übrigens echter Umweltschutz. Denn dies vermindert oder vermeidet bestenfalls sogar -zig Fahrten der Berufspendler zu einem weiter entfernten Arbeitsplatz.

Fruchtbarer Ackerboden

Ja, es stimmt: Durch den Bau des Zentrums steht fruchtbarer Ackerboden nicht mehr für die Nahrungsmittelerzeugung oder den Anbau von Energie-Pflanzen zur Verfügung. Aber dies geschieht nicht gegen den Willen der Landwirtschaft. Es fand kein Planfeststellungsverfahren oder gar eine Enteignung der Flächen statt. Alle Landwirte, unter ihnen auch ein Mitglied des Stadtrats, haben aus freien Stücken sich mit Norma notariell geeinigt und werden verkaufen. Der Mutterboden soll übrigens abgeschoben und danach auf weniger ertragsreiche Felder verteilt werden.

Die für die Raumordnung zuständige Regierung von Unterfranken und das Landratsamt Schweinfurt haben sich wegen den idealen Bedingungen ausdrücklich für Gerolzhofen als Standort ausgesprochen, und dies auch in Umsetzung der "Flächensparoffensive" der Bayerischen Staatsregierung, die weitere Versiegelungen minimieren will. Denn das muss man wissen: Alleine schon durch die bloße Ausweisung als Industriegebiet im städtischen Flächennutzungsplan gelten die Äcker im Norden der Stadt seitdem bereits als "versiegelt" und werden schon seit Jahrzehnten auch so in der Statistik geführt, auch wenn sie faktisch nicht versiegelt sind. Die Regierung sieht es deshalb nicht gerne, dass in einer anderen Gemeinde unberührte Flächen neu als Industriegebiet für Norma ausgewiesen und damit ebenfalls "versiegelt" werden müssten, wo es doch in Gerolzhofen bereits das passende Areal dafür gibt.

Norma baut auf jeden Fall

Ein Aspekt scheint besonders wichtig, auch wenn es um die täglich 300 Lkw-Fahrten geht: Die Firma Norma wird auf jeden Fall eine neue Niederlassung bauen. Das ist Fakt. Wenn nicht in Gerolzhofen, dann eben anderswo. Daran haben die Norma-Verantwortlichen nie einen Zweifel gelassen. Weil das Kaufverhalten gerade der jüngeren Kunden sich immer mehr in Richtung Online verschiebt, wird der bisherige Norma-Standort in Röttenbach künftig für den expandierenden Internet-Geschäftszweig "Norma 24" benötigt und Gerolzhofen soll der Ersatz für Röttenbach werden.

Ein Nein aus Gerolzhofen wird das Regionalzentrum also nicht verhindern. Kommt die Niederlassung in Gerolzhofen nicht zustande, dann wird Norma eben an einem Alternativ-Standort bauen. Interessenten dafür, auch in der näheren Umgebung, gibt es bereits. Aber dies würde dann nur der zweitbeste Standort sein. Und er würde für die Umwelt und den Straßenverkehr womöglich noch mehr Einschränkungen mit sich bringen als in Gerolzhofen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gerolzhofen
Klaus Vogt
Ackerböden
Direkte Demokratie
Flächennutzungsplanung und Flächennutzungspläne
Handwerksbetriebe
Kunden
Landwirtschaft
Planfeststellung und Planfeststellungsverfahren
Raumordnung
Regierung von Unterfranken
Stadträte und Gemeinderäte
Äcker
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Braun_Matthias@hotmail.com
    In der Tat keine einfache Entscheidung des Stadtrates.

    Arbeitsplätze+Gewerbesteuer : Flächenversiegelung + Schwerlastverkehr

    Sind wir gespannt wie sich der Stadtrat entscheidet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Reinshagen153@t-online.de
    PS zu meinem unteren Kommentar: habe gerade bemerkt, dass auf dem oberen Foto nicht die B 286 sondern die Staatsstraße nach Alitzheim zu sehen ist. Das wirft natürlich Fragen auf. Da wäre Norma in den Conn Barracks in JEDER BEZIEHUNG BESSER, wo auch ein Industriegebiet möglich ist, mit Bahn-und Autobahnanschluss! Aber wir haben leider ein schlecht geführtes Landratsamt, dass in achteinhalb Jahren (so lange ist der US-Abzug bekannt) noch nicht einen ersten Spatenstich in Conn zustande brachte! Und deshalb müssen woanders neue & schlechter gelegene Flächen versiegelt werden - wegen eines überforderten Landrats & OB's
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 91189
    Es gäbe sogar einen Bahnanschluss
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • elkatvelo@t-online.de
    Man muss auch an die regionalen Lieferanten denken. Auch die Landwirtschaft, Gemüseanbau (z.B. aus dem Landkreis Kitzingen) etc., haben kürzere Wege und verbessern die Ökö-bilanz erheblich.
    Ebenso werden auch Aufträge für regionale Handwerksbetriebe generiert.
    Vielleicht kann sich auch eine Biogasanlage im Umfeld etablieren.
    Also zuschlagen - es bringt auch der Natur überhaupt nichts, wenn das Logistikzentrum 50 km weiter gebaut wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mg2006@t-online.de
    Vielleicht irre ich mich aber ich habe bei Norma noch kein Frisches Obst oder Gemüse gesehen,soviel zu regionalen Lieferverträgen.....und Handwerksbetriebe aus Geo oder Umgebung die Aufträge bekommen wird es auch nicht geben.Solche Konzerne arbeiten überwiegend Deutschlandweit mit Generalunternehmern beim Bau und bei Instandhaltung (siehe zb.Edeka und Kaufland).....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • SteffReni
    Wann waren Sie das letzte Mal bei Norma ? Selbstverständlich gibt es da Obst und Gemüse sogar aus der Region Franken. Bitte erstmal schalu machen und dann posten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • bernd_schuhmann@t-online.de
    Muß Ihnem leider widersprechen , gerade in Sachen regionales Einkaufen ist Norma mit in der Spitzengruppe der Discounter.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • jw@optics.de
    Sehr geehrter Herr Vogt,

    interessante Erkenntnisse von Ihrer Seite.
    Woher nehmen Sie die Information einer drohenden Insolvenzwelle in unserer Region ?

    In unserer jetzigen Zeit halte ich es auch für speziell öffentliche Stadtratssitzungen zu empfehlen.
    Jede nicht zwingend notwendige Versammlung sollte aktuell unterlassen werden.
    Möglicherweise könnte man den öffentlichen Teil ja streamen ? Genug technische Kompetenz sollte im Stadtrat vorhanden sein.

    Aufgrund der äusserst kurzen (öffentlichen) Vorlaufzeit kann man den demokratischen Prozess schon als schwierig bewerten.
    Demokratischer Prozess bedeutet nicht zwingen Basisdemokratie. Bürgerbeteiligung bedeutet auch nicht zwangsläufig Volksbefragung.

    Am Ende geht es auch um Opportunitäten.

    Diese 11,5ha können auch in Zukunft dann nicht mehr sinnvoller verwendet werden.

    Die normative Kraft des faktischen wird leider auch hier obsiegen. (wie man das halt so kennt)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mg2006@t-online.de
    Geld regiert die Welt sag ich da nur! Arbeitsplätze sowie in Gochsheim bei Edeka? oder Donnersdorf bei Kaufland? Fragt doch mal die Beschäftigten die in Massenunterkünften wie die Bimbachsmühle oder im ehemaligen Gasthof Grob untergebracht sind (Fremdsprachvermögen vorausgesetzt für slowenisch, tschechisch oder Rumänisch).Wir haben eine Arbeitslosenquote von 2,xx% im Landkreis und viele unbesetzte Arbeitsplätze,da braucht es bei uns kein Normalogistikzentrum mit geschätzten 300LKW-fahrten am Tag. Plus weitere Belastungen bei Erweiterung! Diese Belastung für Menschen und Umwelt ist für Geo und Umland deutlich zuviel! Guckt euch doch mal um in Gochsheim und Donnersdorf! Dieses Logistikzentrum sollte neben einer Autobahn gebaut werden!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Reinshagen153@t-online.de
    @MF25: dann sollte man nicht mehr im Discounter einkaufen!

    "...sollte neben einer Autobahn gebaut werden". Das obere Foto zeigt eine "schmale" B 286 als einzige, nicht zukunftstaugliche Hauptverkehrsachse des südl. Landkreises, i. Ggs. zum nördl. Landkreis, mit A 71, ehem. B 19 und Bahn. Weshalb die zweite Fahrbahn der B 286 und die Steigerwaldbahn (allein schon wegen der jahrelangen Sperrung der Maxbrücke) kommen sollten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten