Die ältesten Fotografien von den Sömmersdorfer Passionsspielen sind schwarz-weiß. Angeklebte Bärte und gewellte Perücken zieren die Schauspieler. Ganz viele Mitwirkende erkennen die drei Ü-80-Seniorinnen Helma Stöth, Elisabeth Seemann und Marliese Mergenthal noch. Sie stehen trotz ihres Alters auch in dieser Spielsaison wieder auf der Freilichtbühne. Beim Betrachten der Bilder wissen sie einiges zu erzählen.
Beim "guten Volk" spielt die 85-jährige Helma Stöth diesmal mit. "Bei der Geißelung Jesu muss ich heulen, das nimmt mich jedes Mal so mit", erklärt die älteste Darstellerin bei den diesjährigen Fränkischen Passionsspielen. Ihre 80-jährige Tischnachbarin Marliese Mergenthal hat dagegen einen Part im "bösen" jüdischen Volk, das bei der Verurteilung oder beim Kreuzweg Jesu laut den Heilsbringer verhöhnt. "Ich muss mich da so zusammenreißen", gesteht sie.
Wie für die beiden so ist auch für die 84-jährige Elisabeth Seemann die Passion ein absolutes Muss. "Ich könnte da nicht daheim sitzen", erklärt die Witwe des langjährigen Vereinsvorsitzenden Robert Seemann. Sie hat als Identifikationsfigur die Rolle einer Sömmersdorfer Oma im Prolog und Epilog der diesjährigen Inszenierung erhalten.
Passionsspiel entstand im Gesangverein
Das Passionsspiel ist bei den drei Seniorinnen Familiensache. "Mein Vater Josef Nuss war der Christus bei den ersten Passionsspielen 1933 und 34", erzählt Marliese Mergenthal und deutet auf ein altes schwarz-weißes Foto. Es zeigt die Szene, in der Jesus von seiner Mutter Maria – Marlieses Tante Maria May – Abschied nimmt.
"Das Passionsspiel entstand ja im Gesangverein, durch den Lehrer Halbig", erzählt Helma Stöth, eine geborene Mergenthal. "Der Halbig wollte eigentlich Schauspieler werden", hat sie beim Blick auf sein Foto in der Rolle des Hohepriesters Kajaphas noch im Gedächtnis.
Er hatte 1933 mit anderen Männern des Gesangvereins einen Text bei einem Friseur namens Kemmer in Würzburg besorgt und überarbeitet, dazu Kostüme, Perücken und Bärte mitgebracht. Kemmer hatte nach dem Ersten Weltkrieg in den Huttensälen ein Passionsspiel geleitet.
Besetzt wurden die Hauptrollen für die Sömmersdorfer Passion damals nur mit einer Person, nicht doppelt, so wie heute, fährt Marliese Mergenthal fort. So musste Josef Nuss seinen Jesus-Part spielen, obwohl sein eigener Vater während des Schauspiels starb, seufzt sie.
Gewänder aus dem Fundus der Bayreuther Festspiele
Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er-Jahren wieder der Wunsch nach einem Passionsspiel herauskristallisierte, wurde Lehrer Guido Halbig, mittlerweile in Bayreuth arbeitend, erneut als Spielleiter gefragt. Die alten Kostüme und Perücken waren allerdings im Krieg in Würzburg verbrannt.
Halbig besorgte einige Gewänder aus dem Fundus der Bayreuther Festspiele. Darunter waren auch Soldatenkostüme. "Das waren Leinenhemden mit aufgenähten Metallplättchen", wissen die Frauen beim Blick auf ein Kreuzwegfoto von 1958. Die Hemden wurden am Rücken zugebunden, waren also nur von vorne ansehnlich. "Zum Ausbessern wurden die Plättchen später bei SKF in Schweinfurt besorgt", weiß Elisabeth Seemann. Kleine Löcher waren ausgestanzt, mit denen die scharfkantigen Metallstücke von den Kostümschneiderinnen festgenäht wurden.
Unter den Kostümen war auch ein silberner Brustpanzer, der heute in der Passionsgalerie, dem kleinen Museum neben der Pfarrkirche, ausgestellt ist. Durch Recherchen fand man heraus, dass es sich um das Originalkostüm der Brünnhilde in Richard Wagners Oper "Walküre" von 1896 aus dem Bayreuther Festspielhaus handelt.
Trotz der Schwarz-weiß-Fotografie wissen die Frauen noch, wie die Kostüme 1957 aussahen. "Der Jesus hatte ein weißes Gewand und ein rotes Tuch, das schräg drapiert war", sagt Marliese Mergenthal. Und die Maria war in Blau und Weiß gekleidet, "madonnenartig", sagen die Frauen, so wie man sich das damals eben vorstellte. Ein Friseurteam von Niggemann aus Schweinfurt und später der Friseur Eisend kümmerten sich um Bärte und Perücken, erinnern sie sich. "Die Perücke von Judas war scheußlich, so zerrupft und mit rötlichem Ton", weiß Helma Stöth noch, denn ihr Bruder Hermann Mergenthal spielte 1978 die Rolle.
Auch die Auferstehungsszene wurde früher sehr plastisch gespielt. Eine Stichflamme wurde im Lagerfeuer der Grabwächter erzeugt, und dahinter trat dann ein auferstandener Jesus mit einer Fahne hervor, wie ein Foto zeigt. Auf solche Darstellungen wird heute verzichtet.