Der Aufzug stoppt auf "-6 Meter". Im Kernkraftwerk gibt's keine Stockwerke. Hier werden Höhenmeter angezeigt. Auf "-6 Meter" befindet sich die Schleuse ins Herz des Atommeilers. Die dicke Panzertür steht sperrangelweit offen. "Früher war sie immer geschlossen", erklärt Kraftwerksleiter Bernd Kaiser.
Inzwischen aber ist das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (KKG) außer Betrieb. 2015 ging der Reaktor vom Netz, seit April 2018 wird die Anlage von Preussen Elektra, ehemals E.on Kernkraftwerk, zurückgebaut. 188 der einst 300 Beschäftigten sind noch da. Sie zerstören das, was sie selbst aufgebaut haben. Wenn sie damit fertig sind, in 15 Jahren, werden die meisten in Ruhestand gehen oder kurz davor stehen. So wie Kraftwerksleiter Bernd Kaiser: "Ich bin dann 62." Der Rückbau wird beruflich wohl sein letztes Großprojekt sein.
Punkt 10 Uhr geht eine Sirene los. Evamaria König, zuständig für die Standortkommunikation, gibt Entwarnung: "Nur ein Probealarm." Jeden Donnerstagmorgen wird er ausgelöst. Das Kraftwerk ist zwar stillgelegt, aber das radioaktive Potenzial ist ja noch da, es wird halt nur in Kisten verpackt. Die Sicherheitsvorschriften sind deshalb genauso hoch wie zu Betriebszeiten. Ohne Dekontaminationsprüfung kommt keiner hinein und keiner hinaus. Wer im Reaktor arbeitet, kann auch nicht mal schnell pinkeln gehen. Es gibt zwar viele Räume, aber kein Klo. Was man dort hinterlassen würde, wäre verstrahlter Abfall, und den darf man nicht einfach in die Kanalisation spülen.
31 500 Tonnen Masse müssen zurückgebaut werden. Die Betonkugel und die 143 Meter hohen Kühltürme sind hier noch nicht eingerechnet. Sie kommen als Letztes dran. Kosten insgesamt: 1,3 Milliarden Euro. Von außen ist nicht zu erkennen, dass hier schon seit zwei Jahren fleißig gearbeitet wird: Der Rückbau erfolgt von innen nach außen. Bis jetzt sind gerade mal 528 Tonnen geschafft – 1,6 Prozent.
Warum geht es so langsam? Steffen Pretscher, der den Rückbau leitet und koordiniert, erklärt es: Jedes Teil, jedes Stückchen vom Innenleben des Reaktorgebäudes, muss kontrolliert und freigemessen werden. Alles gilt erst einmal als potentiell radioaktiv. Nur was unter dem erlaubten Grenzwert strahlt, geht in die Freigabe zur Dekontamination. Dort wird es dann noch einmal gereinigt, bevor der Entsorger es zum Verschrotten oder zur Wiederverwertung abholen kann. Laut Kraftwerksleiter Kaiser sind nur zwei Prozent der Masse so stark belastet, dass keine Freigabe erfolgt. Dieser mittel- oder schwachradioaktive Müll wird in Containern verfüllt und in der neugebauten Bereitstellungshalle auf dem Kraftwerksgelände aufbewahrt, bis Schacht Konrad fertig ist. Das ehemalige Eisenerzbergwerk bei Salzgitter wird derzeit für solche Abfälle zum Endlager umgebaut. 2027 soll es fertig sein.
Die Männer vom Reinigunstrupp tragen gelbe Overalls. Sie sind von Kopf bis Fuß vermummt, haben Atemschutzmasken auf und arbeiten in Einhausungen. Alle Arbeiten werden überwacht, von Männern in grünen Overalls. Das sind die Strahlenschützer. So viele wie jetzt waren nie im Kernkraftwerk beschäftigt. "Und wir suchen händeringend noch Leute", sagt Kaiser. Auch Elektriker und Ingenieure werden gebraucht. Für die eigentlichen Demontagearbeiten hat Preussen Elektra Fachfirmen engagiert. Viele externe Mitarbeiter sind bereits zugange, ihre Zahl wird sich weiter erhöhen. In der heißen Phase des Rückbaus werden bis zu 600 Personen beschäftigt sein.
Es ist im Grunde wie bei einer Hausentrümpelung. Alles muss zerlegt und ausgeräumt werden, bevor der Bagger kommt. Nur kann man in einem Kernkraftwerk nicht einfach hergehen und die Einrichtung kurz und klein machen. Für jedes stillgelegte Teil braucht es eine Genehmigung der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde, bevor es überhaupt abgebaut werden darf. Egal ob es der Reaktordruckbehälter oder nur eine Verschraubung am Treppengeländer ist. 20 500 Komponenten sind das insgesamt. Anlagenteile, für die eine Genehmigung beantragt ist, werden mit einem magentafarbenen Punkt versehen. Ist die Genehmigung da, wir ein zweiter blauer Punkt aufgesprüht. Erst dann darf der Arbeitstrupp anrücken und das Teil entfernen.
Auch die Wände müssen auf Radioaktivtät überprüft werden
Alles muss auf Muldengröße zerschnitten werden. Denn für den Abtransport aus dem Reaktorgebäude steht nur die Personenschleuse zur Verfügung. Einfach ein großes Loch in die Betonkuppel zu schneiden, geht nicht, denn auch sie gilt als potenziell radioaktiv. Wenn mal alles draußen ist, müssen die Wände freigemessen werden. Mit einem "Kontamaten", sieht wie ein Bügeleisen aus. Damit werden die Flächen abgefahren. Ein Viertel der abgebauten Komponenten lagert schon in Mulden: Rohrleitungen, Stahlstreben, Verschraubungen, Armaturen, Lagergestelle und alle Systeme, die seit der Stilllegung nicht mehr benötigt werden. Man will Platz für den Aufbau des Reststoffbehandlungszentrums schaffen.
Überall stehen die großen grauen Mulden herum, zum Teil hoch übereinander gestapelt. Die Fluchtwege müssen frei sein. "Vorsicht Kontamination, 200 Bequerel" steht auf einer Kiste mit Kabelstücken vom Reaktorbereich. Nur mit Maske darf man den Deckel öffnen. Ein Barcode gibt an, woher der Inhalt stammt. So kann der Weg von jeder Komponente bis zur Freimessung nachgewiesen werden.
Noch ist der Reaktor nicht brennstofffrei. Die letzten 179 Brennelemente aus dem Regelbetrieb kühlen derzeit im Nasslager ab. Die vier Meter langen Stäbe stecken zehn Meter tief unter Wasser. Bald sollen sie in Castoren verpackt und bis Jahresende ins Atommüll-Zwischenlager gebracht werden, das sich auch auf dem Kraftwerksgelände befindet. Es gibt ja noch kein Endlager. 43 Castorbehälter stehen dort bereits, weitere zehn werden hinzukommen. Die Castorbehälter werden unter Wasser bestückt. Alle hochradioaktiven Arbeiten erfolgen unter Wasser. Ferngesteuert und von kleinen U-Booten überwacht.
Und was passiert danach mit dem kontaminierten Wasser? "Es wird verdampft", erklärt der Kraftwerksleiter. Die Radioaktivität sammelt sich wie ein Kaffeesatz am Boden, wird anschließend getrocknet, in Containern verfüllt und ebenfalls ins Lager gebracht.
Auch Dummys werden mit in die Castorbehälter gepackt
Auch elf Dummys werden mit in die Castorbehälter gepackt. Sie sehen genauso aus wie die echten Brennelemente und kosten auch genauso viel. Eine Million Euro das Stück. Preussen Elektra musste sie anfertigen lassen, weil im KKG elf Brennelemente zu wenig sind, um alle zehn Castorbehälter voll zu bekommen. Die Aufsichtsbehörde genehmigt den Transport der Castoren ins Zwischenlager aber nur für voll bestückte Behälter.
Preussen Elektra hat inzwischen schon Übung im Abbau von Kernkraftwerken. Vier Anlagen befinden sich derzeit im Rückbau: neben Grafenrheinfeld die Meiler Unterweser, Stade und Isar 1. Würgassen ist bereits abgewickelt. Die Erfahrung aus diesen Projekten nutzt man.
Am Aufzug herrscht jetzt Hochbetrieb. Alle wollen hoch auf 12 Meter. Mittagspause. In der Stahlkugel gibt es kein Essen, kein Trinken. Noch nicht mal Kaugummi darf man drinnen kauen, er müsste beim Rausgehen freigemessen werden. Apropos Rausgehen: So einfach herausspazieren kann man nicht. Die Arbeiter müssen sich bis auf die Unterwäsche – graublaue Feinripp, von Preussen Elektra für alle Beschäftigten gestellt – entkleiden und zwei Dekontaminationsschleusen durchschreiten. "Sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins – Vielen Dank. Keine Kontamination." Erst wenn diese Automatenstimme ertönt, darf man durch das Drehkreuz.
Die Wäsche übrigens muss bei jedem Durchgang gewechselt werden. Da fallen riesige Mengen an. Früher gab es am KKG eine eigene Wäscherei. Sie ist schon zurückgebaut. Jetzt fährt dreimal in der Woche ein Lastwagen vor, bringt gewaschene Kleidung und nimmt die "verstrahlte" mit. Gewaschen wird in Holland.
Wenn bis Weihnachten das Kraftwerk brennstofffrei ist, also alle Castoren im Zwischenlager sind, beginnt die heiße Phase. Dann geht's an den Reaktor. "Wir arbeiten uns langsam vor", beschreibt Kraftwerksleiter Kaiser das Vorgehen. Zuerst muss die Abdeckung über der Reaktorgrube weg, die mit riesigen Betonriegeln verschraubt ist. Jeder wiegt 70 Tonnen. Die Grube wird nach Öffnung komplett geflutet. Die Reaktoreinbauten waren zu nah an den Brennelementen dran, sie müssen wegen der Strahlenbelastung unter Wasser zerlegt werden.
"Wir wollen das zügig über die Bühne bringen." Kaiser geht von einem dreiviertel Jahr aus. Der gesamte nukleare Rückbau soll bis 2033 abgeschlossen sein. Zwei Jahre sind dann noch einmal für den konventionellen Abriss eingeplant. 2035 sei dort wieder eine "Grüne Wiese", verkündet Preussen Elektra in der für den Rückbau neu aufgelegten Standortbroschüre. Auf der "Grünen Wiese" stehen dann allerdings noch zwei große Betonbunker mit dem verstrahlten Müll, der noch lange der Region erhalten bleiben wird. Vielleicht wurden diese deshalb grün angestrichen.
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Eine bisherige "energiepolitische Geisterfahrt" läßt grüßen.
Die ständig steigenden Strompreise zeigen wo`s langgeht
Wer reibt sich nun die Hände?
Deutschland -life-