Ein lauter Knall hat die Erzieherin an Dreikönig vor fünf Jahren im ersten Stock aus dem Schlaf gerissen. Gegen 4.30 Uhr hat's gewaltig gekracht, Scheiben splitterten. "Ich glaub', die Bank ist überfallen worden", sagte sie zu ihrem Lebensgefährten, der sich etwas überzog und nach unten ging. Im Erdgeschoss sah er ein komplett ausgehebeltes Fenster, viele Glasscherben und Dampfschwaden. Die Röthleiner VR-Bank-Filiale war total zerstört und der Geldautomat – wie sich später herausstellen sollte – von einer niederländischen Bande gesprengt worden. 116.000 Euro erbeuteten die Täter, die bereits weg waren als die Bewohner darüber das mitbekamen.
Doch gänzlich ungeahndet blieb das "Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit schwerem Bandendiebstahl und Zerstörung von Bauwerken", wie es der Staatsanwalt formuliert, am Ende auch nicht. Im Mai 2022 schon standen zwei 36 und 30 Jahre alte Männer vor dem Landgericht Schweinfurt und wurden verurteilt: der 36-jährige Haupttäter zu fünf Jahren Haft und ein 30-jähriger Helfer zu zwei Jahren. Nur wegen seines Geständnisses und massiver Aufklärungshilfe wurde dessen Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Verurteilt wurden sie damals auch wegen einer missglückten Automatensprengung in der Flessabank in Schweinfurt.
Glassplitter im Dunstnebel
Nun steht ein weiterer mutmaßlicher Mittäter, 30 Jahre alt, ebenfalls aus Holland, vor der Großen Strafkammer am Landgericht. Er war ausgeliefert worden, sitzt in Schweinfurt in Untersuchungshaft und werde sich "weiterhin schweigend verteidigen", sagt zum Prozessauftakt sein Koblenzer Anwalt. Eine Angestellte der Bank sagt als Zeugin, der Automat sei damals vor dem Wochenende frisch mit 160.000 Euro befüllt worden. Ein Polizeischüler, mit der ersten Streife am Tatort, berichtet von einem Meer von Glassplittern, einem Dunstnebel "und es hat total gestunken". Im Gebäude sei "alles kaputt" gewesen, sämtliche "Fenster draußen". Eine Ringfahndung sei ausgelöst worden.
Drogen gesucht – Tatauto gefunden
DNA-Spuren des nun ebenfalls wegen schweren Bandendiebstahls Angeklagten sind wohl einem glücklichen Beifang der Drogenfahnder zu verdanken. Als die Ermittler dem Stoff und seinen Dealern folgten, stießen sie – gut zwei Wochen nach der Automatensprengung in Röthlein – auf einen Verdächtigen in einem Nachbardorf, den ein Polizeizeuge als mutmaßlichen "Bunkerhalter für Rauschgift" beschreibt. In der zum Haus gehörenden Garage stand "ein schwarzer Audi RS5, hochmotorisiert, daneben Gasflaschen, ein Kanister mit Benzin, holländische Kennzeichen und im Kofferraum ein Brecheisen". Der Audi RS5 als mutmaßliches Tatfahrzeug war laut Anklage bereits im November 2017 im Landkreis Heinsberg nahe der Grenze zu den Niederlanden gestohlen worden.
In der Wohnung des 32-Jährigen, der möglicherweise der Bande die Garage zum Verstecken des Tatfahrzeugs zur Verfügung gestellt hat und gegen den ein Verfahren anhängig ist, wurden laut einem Kripobeamten Schläuche für Gasflaschen, Druckminderer und mehrere Handschuhe gefunden, wie sie bei solchen Taten verwendet würden. Röhrchen für die Zündvorrichtung und entleerte Geldkassetten fanden die Ermittler in der Garage, auch Vorschlaghämmer. Und: Die DNA des Angeklagten an einem Handschuh und einem der mutmaßlichen Tatwerkzeuge. Die deutschen Kennzeichen am Fahrzeug waren demnach kurz vor der Tat von einem in Gochsheim abgestellten Auto geklaut worden – und die niederländischen Kennzeichen "Totalfälschungen", so der Kripobeamte.
Der Prozess wird am Montag, 12. Februar, um 9 Uhr fortgesetzt.