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Schweinfurt
Automaten gesprengt: Prozess gegen mutmaßliche Bandenmitglieder in Schweinfurt gestartet
Zwei Männer stehen vor Gericht, weil sie an der Sprengung von Geldautomaten in Schweinfurt und Röthlein beteiligt sein sollen. Offenbar gibt es weitere Mittäter.
Der zerstörte Geldautomat der VR-Bank in Röthlein.
Foto: ArchivArmin Strohäcker | Der zerstörte Geldautomat der VR-Bank in Röthlein.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:58 Uhr

Der erste Versuch, in der Nacht vom 20. Dezember 2018 einen Geldautomaten in einer Flessabank-Filiale in Schweinfurt zu sprengen, misslang. Eine sogenannte Gegengasanlage, die eine für die Explosion ausreichende Gaskonzentration verhindert, ließ die Täter scheitern. Doch es sollte nicht lange dauern, bis es einen zweiten Versuch geben würde. Dieses Mal traf es die VR-Bank in Röthlein. Und die Sprengung gelang. Am 6. Januar 2019 kamen die Täter mit mehr als 116.000 Euro davon. Sie flohen in die Niederlande.

Mehr als drei Jahre später stehen seit Donnerstag nun zwei der mutmaßlichen Täter, 30 und 36 Jahre alt, vor dem Schweinfurter Landgericht. Sie sollen, so heißt es in der Anklageschrift, "einem Täterkreis von geschätzt bis zu 300 jungen, überwiegend männlichen Personen" aus den Niederlanden angehören. In wechselnder Besetzung sollen sie in europäischen Ländern Geldautomaten aufsprengen, was in den Niederlanden kaum mehr möglich ist, da die Automaten mittlerweile flächendeckend technisch aufgerüstet sind.

"Logistiker" spähen Geldautomaten aus

Die Anklageschrift beschreibt die Vorgehensweise wie folgt: Steht der Entschluss zur Sprengung fest, fangen sogenannte "Logistiker" an, Banken auszuspähen und Unterschlupfe sowie Garagen für den Fluchtwagen für die eigentlichen Täter zu besorgen. Mit einem gestohlenen Auto fahren diese dann zum Tatort. Die Sprengmischung wird über eine Fernzündeapparatur zur Zündung gebracht, um die Panzerung des Geldlagerfachs wegzusprengen und die Geldkassetten freizulegen.

Während der Hauptangeklagte, der an beiden Taten beteiligt gewesen sein soll und sich bis 2021 in Auslieferungshaft in Spanien befand, zu den Vorwürfen schwieg, ließ der 30-jährige Mitangeklagte über seinen Anwalt verlesen, die ihm vorgeworfenen Taten in Schweinfurt im Dezember 2018 – die versuchte Sprengung eines Geldautomaten sowie der Versuch des schweren Bandendiebstahls – stimmten, wie sie angeklagt seien. Er habe das Gefühl gehabt, Geldprobleme zu haben. Dann habe er von Automatensprengungen gehört und auch, dass man damit "leicht verdientes Geld" in hohen Summen machen könne. Um überhaupt erst mitmachen zu dürfen, habe er einen Kontakt nach Deutschland zu jemandem "mit einer Garage" herstellen sollen.

Mitangeklagter organisierte Kontakt in Deutschland

Der Verteidiger des Hauptangeklagten wollte von dem Mitangeklagten wissen, wie genau der Kontakt zu einem Mann aus dem Landkreis Schweinfurt zustande gekommen war. "Ich habe auch eine Garage, aber meine Nummer wurde Ihnen nicht gegeben", sagte er. Schließlich äußerte sich der Mitangeklagte auch selbst, eine Dolmetscherin übersetzte aus dem Niederländischen: "Ich habe die Nummer organisiert, aber da ich kein Deutsch kann, habe ich alles weitergegeben." Alles Weitere sei über andere Bandenmitglieder abgelaufen.

Er selbst habe lediglich die Nummer für die Garage organisiert und in der Bank in Schweinfurt die Tür mit einem Schraubenzieher geöffnet. Dafür habe man ihm etwa 6000 Euro der Beute zugesichert. "Ich war so blind und brauchte Geld, ich war mit allem zufrieden", sagte er. Den Hauptangeklagten habe er auch erkannt, er habe jedoch eine andere Frisur gehabt.

Zum Prozessauftakt sagte der erste Zeuge aus: ein Ermittler der Kriminalpolizei Schweinfurt. Auf den Bildern der Überwachungskameras der Flessabank in Schweinfurt habe man drei Täter "in typischer Täterkleidung" gesehen. Bei der vollzogenen Sprengung in Röthlein hingegen habe man "relativ wenige Ermittlungsansätze gehabt", weil es keine Kameras gab. Anwohner sagten vor Gericht aus, sie seien in der Nacht von einem lauten Knall geweckt worden und hätten "rutschende Geräusche" gehört. Gesehen haben sie aber niemanden. Eine Mitarbeiterin der Bank erklärte vor Gericht, sie sei dann am frühen Morgen zur Filiale gerufen worden.

Weiterer mutmaßlicher Mittäter sitzt in JVA Kleve

Wenige Tage nach der Sprengung in Röthlein, so erzählt es der Kriminalbeamte, habe die Polizei wegen eines laufenden Rauschgiftverfahrens gegen mehrere Deutsche zufällig ein Grundstück im Landkreis Schweinfurt durchsucht, auf dem ein bereits ein Jahr zuvor gestohlener Audi gefunden wurde – jenes Fahrzeug, mit dem die mutmaßlichen Täter der Automatensprengungen nach Deutschland gekommen sein sollen. Darin: Gasflaschen, Benzinkanister und die Geldkassette. In der Garage fanden die Ermittler auch Teile der Täterkleidung. Von beiden Angeklagten habe man DNA-Spuren sowohl im Auto als auch an der Kleidung gefunden.

Laut Anklage gibt es noch weitere mutmaßliche Mittäter. Einer davon ist ein 32-jähriger Niederländer, der wegen einer anderen Straftat in Kleve inhaftiert ist. Er sagte als Zeuge aus und belastete sich und die Angeklagten. Er sei mit ihnen zusammen im Dezember 2018 nach Schweinfurt gefahren, um einen Geldautomaten zu sprengen. Er sagte, der Hauptangeklagte habe ihn auf der Straße angesprochen und ihn gefragt, ob er sich etwas dazu verdienen möchte – und er habe zugesagt. In Röthlein sei er nicht dabei gewesen. Vom Hauptangeklagten wisse er aber, dass dieser dort gewesen sein soll. Seine Vernehmung soll am kommenden Montag fortgeführt werden. Für den Prozess sind sechs weitere Termine geplant.

 
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