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Schweinfurt
Schweinfurter Schlachtschüssel und das Leopoldina: Wie Fleischverzehr einen Klinik-Neubau nährt
Der Neubau des Leopoldina-Krankenhauses in den 1970er-Jahren war für die Stadt Schweinfurt ein Kraftakt. Wie sogar Schlachtschüssel-Liebhaber eingebunden waren.
Mundart-Liedgut für einen sozialen Zweck: Eine Benefiz-Schallplatte mit Liedern und Texten rund um die Schweinfurter Schlachtschüssel sollte in den 1970er-Jahren den Neubau des Leopoldina-Krankenhauses unterstützen. Als CD ist sie heute noch erhältlich.
Foto: Klaus Lang | Mundart-Liedgut für einen sozialen Zweck: Eine Benefiz-Schallplatte mit Liedern und Texten rund um die Schweinfurter Schlachtschüssel sollte in den 1970er-Jahren den Neubau des Leopoldina-Krankenhauses unterstützen.
Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 13.03.2024 02:57 Uhr

Seit etwa 180 Jahren kennt man die Original Schweinfurter Schlachtschüssel, bei der nach einem inzwischen festen Ritual gekochtes Schweinefleisch verzehrt wird. Diese Tradition soll nach dem Willen des Schweinfurter Stadtrates zum Immateriellen Kulturerbe Bayerns erhoben werden. Die Berichterstattung dieser Redaktion förderte jetzt ein Kuriosum zutage.

Dass bei dem fröhlichen Gelage einschlägiges Liedgut angestimmt wird, gehört zu den Gepflogenheiten der Schweinfurter Schlachtschüssel. Liederbücher sind für die Textunsicheren in der Regel griffbereit. Spätestens seit sich Klaus Lang in der Redaktion gemeldet hat, ist eindeutig: Die Schlachtschüssel-Lieder gibt es auch auf Tonträger.

Die Heitere Sch(lach)tplatte gibt's sogar als Internet-Stream

In den 1970er-Jahren ist eine Langspielplatte auf den Markt gekommen: „Heitere Schweinfurter Schlachtplatte“ lautet der Titel. Walter Zänglein, Oskar Emmert, die Kugelfischer- und SKF-Orchester sowie der Liederkranz besingen zum Beispiel das „Schweinfurter Paradies“ oder den „Schwamer Wald“. In Text und Lied geht es natürlich in erster Linie um die Schlachtschüssel und ihr uriges Ritual: "Mer muß a bisle Schwein hab". Manche Passagen und Sprüche dürften 50 Jahre später eher in einen rassistischen oder sexistischen Kontext eingestuft und würden heute nicht mehr auf Vinyl gepresst werden. Sie sind sozusagen sprachlich ein Zeugnis ihrer Zeit.

Auf der Rückseite des Covers erklärt der damalige Vorsitzende des Julia-Vereins die Intention seiner Benefizaktion. Links oben eine Original-Widmung von Interpret Walter Zänglein.
Foto: Klaus Lang | Auf der Rückseite des Covers erklärt der damalige Vorsitzende des Julia-Vereins die Intention seiner Benefizaktion. Links oben eine Original-Widmung von Interpret Walter Zänglein.

Das Lied der Franken, die heimliche Hymne des Landstrichs, darf auf der Platte nicht fehlen. Aber das Zeug zum Kultstatus hat sicherlich Oskar Emmerts Liebeserklärung an „Kraut und Knöchli“. Im Laufe der Jahre haben sie mehrere Interpreten neu eingesungen wie die Hadergässer Musikanten oder die Mundart-Band „Häisd’n’däisd vomm Mee“. Das Besondere an der Schlachtschüssel-LP: Sie ist 2003 als CD neu aufgelegt worden und heute noch erhältlich. Selbst im Streamingdienst Spotify kann man die Sch(lach)tplatte abrufen.

Benefizverein benannte sich nach amerikanischer Serienheldin

Zu hören und zu sehen war die Schallplatte auch beim "Tag der Archive" am 2. März, bei dem das Stadtarchiv einen Tag lang vielerlei Informatives zu "Essen und Trinken in Alt-Schweinfurt" präsentiert hat.

Eine zweite Besonderheit ist nur auf der Original-LP aus den Siebziger Jahren zu finden: Die Platte ist Teil einer Benefizaktion gewesen, um Geld für den damaligen Neubau des städtischen Leopoldina-Krankenhauses zu sammeln. Dazu hat sich eine Bürgeraktion gegründet, mit dem Namen „BANK Julia e.V.“. Benannt nach der damals ausgestrahlten US-amerikanischen TV-Serie „Julia“, die sich um die Krankenschwester Julia Baker drehte und bei der erstmals eine Schwarze Frau eine Hauptrolle ohne die damals üblichen Klischees spielte. Dargestellt wurde sie von Diahann Carroll.

Der damalige Vereinsvorsitzende Wolf-Peter Saalmüller beschreibt die Intention der Bürgeraktion auf dem Plattencover damit, bei den Bürgerinnen und Bürger eine Identifikation mit dem städtischen Krankenhaus herzustellen und sie zur Aktivität aufzurufen: "Man ist zu schnell bei der Hand, alles den Kommunen und dem Staat zuzuschreiben."

Und es ging auch darum, Geld für den gerade gestarteten Neubau des Leopoldina-Krankenhauses zu sammeln. Pünktlich zum Baubeginn im März 1974 hat der Verein 5000 Mark an den damaligen Oberbürgermeister Georg Wichtermann übergeben, wie Saalmüller mitteilt.

Die Spur der Bürgeraktion verliert sich

Das Geld stammte aus einer „Fränkischen Weinprobe“, der ersten Veranstaltung des jungen Julia-Vereins. Ob es weitere festliche Ereignisse zu Gunsten des Leo-Neubaus, etwa eine eigene Leo-Schlachtschüssel, und Geldspenden gab, ist nicht bekannt. Der Verein und sein Name sind heute nicht mehr präsent und verlieren sich irgendwie in der Schweinfurter Stadtgeschichte.

Wer weitere Informationen zum Verein „BANK Julia“ hat, kann diese gerne an die Redaktion schicken: redaktion.schweinfurt@mainpost.de

 
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Kommentare
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  • Jutta Nöther
    Bei der Überschrift hab ich gedacht, man meint, dass der fettreiche Schweinefleischverzehr zu vermehrten Erkrankungen führt und damit der Neubau eines Krankenhauses gerechtfertigt sein... 🤪
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