Diagnose: Krebs! Mehr als 1300 Menschen in Deutschland werden täglich durch diesen medizinischen Befund aus der Bahn geworfen. Von heute auf morgen ist buchstäblich nichts mehr wie es war. Die immer noch häufig lebensbedrohliche Krankheit, die so viele Gesichter hat, macht Angst und wirft viele Fragen auf. Fragen nach Therapien, Verfahren, Heilungschancen, psychosozialer Betreuung und ganz einfach auch nach den Aussichten, die Krankheit zu besiegen und zu überleben.
Wie bei allen Erkrankungen gilt: Nur ein aufgeklärter Patient weiß, woran er leidet und wie er aus der großen Bandbreite an Informationen gemeinsam mit den behandelnden Ärzten den für sich richtigen Weg im Kampf gegen den Krebs finden kann. Aufklären, Erfahrungen austauschen, das waren die zentralen Anliegen des Patientenkongresses der Deutschen Krebshilfe am Samstag im Veranstaltungszentrum auf der Maininsel.
Fachärzte, Psychoonkologen, Selbsthilfegruppen und Spezialisten für verschiedene Krebsarten standen Rede und Antwort, informierten über aktuelle Entwicklungen in ihrem Fachbereich. In Vortragsblöcken zu mehr als einem Dutzend verschiedener Krebsformen beleuchteten Ärzte, vor allem aus Schweinfurt, den Stand der Dinge in ihrem Fachbereich.
Kongress ohne wirtschaftliches Interesse und ohne Pharmaunternehmen
Der Kongress war eine Veranstaltung des Patientenbeirates der deutschen Krebshilfe und der von ihr geförderten Selbsthilfeorganisationen und ohne Beteiligung von Unternehmen mit wirtschaftlichem Interesse, wie Werner Kubitza (Deutsche Krebshilfe) in seiner Begrüßung betonte. Pharmaunternehmen waren also nicht vertreten.
Wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung war Professor Dr. Detlef Meyer vom Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt. In seinem einleitenden Vortrag sprach er von 18 Millionen Menschen, die 2018 weltweit neu an Krebs erkrankten. Europa stellt lediglich 9 Prozent der Weltbevölkerung, aber 23,4 Prozent der neu diagnostizierten Erkrankungen. Höhere Krebsraten in den sogenannten Wohlstandsländern. Das lässt darauf schließen, dass Krebs viel mit Lebensführung und einem höheren Durchschnittsalter zu tun hat. Die Erkenntnis ist nicht ganz neu, aber kann nicht oft genug wiederholt werden. Rauchen ist Krebsrisiko Nummer eins und zwar nicht nur für den Lungenkrebs. Auch Leber, Nieren, Magen, Darm werden mit den Rückständen des Nikotins belastet. Alkohol ist nur in geringen Mengen unbedenklich. Mangelnde Bewegung und oft damit verbundenes Übergewicht rücken mehr und mehr als Krebsauslöser in den Fokus.
"Das Krebsproblem: Aktuelles zu Entstehung, Therapie und Prävention". Unter dieses Thema hatte Professor Dr. Stephan Kanzler (Leopoldina) seinen Impulsvortrag gestellt. Krebs, die Perspektiven und die Aussicht auf Heilung haben sich in den vergangenen 25 Jahren deutlich verbessert, ist vor allem auch ein Problem einer älter werdenden Gesellschaft. Im Vergleich mit vor 50 Jahren leben die Menschen im Durchschnitt heute zehn Jahre länger. Männer sind häufiger betroffen, bei den über 80-Jährigen steigt das Risiko an Krebs zu erkranken noch einmal deutlich an.
Je älter wir werden, umso größer ist das Risiko an Krebs zu erkranken
Galle, Blase, Bauchspeicheldrüse, Magen und Darm – Organe, die vor allem beim älteren Menschen häufig an Krebs erkranken. Auch Kanzler betonte, dass die Entstehung von Krebs viel mit der Lebensführung zu tun hat. In den westlichen Ländern, so Kanzler, ist Krebs seit diesem Jahr Todesursache Nummer 1, hat die Herz-und Kreislauferkrankungen überholt. Die Zahl der Neuerkrankungen wird im kommenden Jahrzehnt deutlich zunehmen, was viel mit einer älter werdenden Gesellschaft zu tun hat.
Die hormonabhängigen Krebsarten (Prostatakrebs/Männer, Brustkrebs/Frauen) führen diese Liste an. Beides Krebsarten, bei denen mit Früherkennung sehr viel zu machen ist. Vor allem der Darmkrebs, eine vermeidbare Erkrankung, so Kanzler, wenn die Vorsorge ernst genommen wird. Doch selbst die über 65-Jährigen nutzen nur etwa zur Hälfte die Vorsorgeuntersuchungen, da ist also noch Luft nach oben. Bei einer Darmspiegelung etwa werden häufig sogenannte Polypen, die Jahre vor der Erkrankung entstehen, festgestellt und gleich entfernt. Unentdeckt hätten sie als eine Art Vorstufe der Erkrankung mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Krebs geführt.
Krebs entsteht oft lange, bevor er diagnostiziert werden kann
Doch nicht alle Krebsarten haben so einen langen "Vorlauf" bis zur endgültigen Diagnose und damit ein relativ großes Zeitfenster für die Therapie. Der Bauchspeicheldrüsenkrebs etwa befindet sich, wenn sicher diagnostiziert, meist schon in einer sehr kritischen Phase. Kanzler hofft darauf, dass man vielleicht in einigen Jahren etwa durch verbesserte Bluttests auch hier früher eine Diagnose stellen und so das Zeitfenster für Gegenmaßnahmen vergrößern kann. Leberkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs – zwei tückische Krebsarten, die viel mit Lebensführung und Übergewicht zu tun haben. Der Mensch, seit 500 000 Jahren in Bewegung auf der Suche nach Nahrung, verfüge heute über ein zu billiges Überangebot an Nahrung, bewege sich immer weniger.
Deutlich höheres Risiko für Übergewichtige
Die Zunahme des Anteils von Menschen mit Fettleibigkeit (Adipositas) bezeichnete Kanzler als dramatisch. In den USA zum Beispiel habe mittlerweile jeder zweite einen Body-mass-Index (BMI) von über 30, was "sehr gefährlich" sei für die Wahrscheinlichkeit, früher oder später eine dieser Krebserkrankungen zu bekommen. Regelmäßige Bewegung, nicht nur eine gute Möglichkeit sich selbst, sondern auch den Darm in Schwung zu halten. Das gilt schon für Jugendliche, denn 14- bis 17-Jährige bewegen sich heute deutlich weniger als dies junge Leute dieses Alters früher taten.
Rauchen, Alkohol, Übergewicht, Bewegungsmangel, zu viel rotes Fleisch, zu viel Wurst. Die verdächtigen Krebsauslöser sind, neben der genetischen Veranlagung, ausgemacht. Kanzler riet, wieder mehr Pflanzenfasern, die toxische Substanzen verringern und so schon der Entstehung von Krebs verschiedenster Ausprägung vorbeugen, auf den Speisezettel zu setzen.
Klare Absage an "Krebsdiäten"
Eine klare Absage erteilte er "unsinnigen und in ihrer Wirksamkeit durch nichts belegten Krebsdiäten". In dieser Hinsicht hätten alle Studien "gefloppt". Solche Diäten seien bei der Behandlung von Krebs eher kontraproduktiv. Auch wenn Krebs es zur Todesursache Nummer eins gebracht hat, gibt es Signale der Hoffnung. Die Heilungschancen über alle Krebsarten hinweg liegen heute unterm Strich bei 65 Prozent, vor 25 Jahren war diese Rate noch bei unter 50 Prozent.