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Schweinfurt
Schweinfurter Gericht: Angeklagter Messerstecher war zur Tatzeit schuldfähig
Eine überraschende Wende gab es im Prozess vor der Großen Jugendkammer: Eigentlich hätte am Mittwoch das Urteil über den mutmaßlichen Messerstecher gefällt werden sollen, doch es kam ganz anders.
Landgericht und Amtsgericht Schweinfurt
Foto: Anand Anders | Landgericht und Amtsgericht Schweinfurt
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:02 Uhr

Es war der sechste Verhandlungstag, an dem nach ursprünglicher Planung mit einem Urteil der Großen Jugendkammer zu rechnen gewesen wäre. Im Lauf einer Feier von mehreren Kumpels soll ein 20-Jährige nachts beim Zigarettenholen völlig unvermittelt fünfmal auf einen 18-Jährigen eingestochen haben. Beschuldigt war der 20 Schüler in der "Antragsschrift" der Staatsanwaltschaft, Ende Juli 2021 "unmittelbar dazu angesetzt zu haben, einen Menschen heimtückisch zu töten", jedoch "im Zustand der Schuldunfähigkeit".

Untergebracht war 20-Jährige nach seiner Festnahme – weil zur Tatzeit angeblich an einer katatonen Schizophrenie gelitten haben soll – bislang nicht im Gefängnis, sondern in der Psychiatrie in Werneck. Der psychiatrische Sachverständige hatte am vorangegangenen Verhandlungstag allerdings anhand von Kameraaufnahmen vom Tatabend und Zeugenaussagen in seinem Gutachten erhebliche Zweifel an der Schuldunfähigkeit des mutmaßlichen Messerstechers geäußert.

Überraschend für Prozessbeobachter verkündete die Vorsitzende Richterin am Mittwoch: "Das Sicherungsverfahren wird in ein Strafverfahren übergeleitet, weil der Angeklagte zur Tatzeit schuldfähig war." Aufgrund dessen und weiterer Erkenntnisse aus der bisherigen Beweisaufnahme geht das Gericht nunmehr klar von der Schuldfähigkeit des 20-Jährigen aus – und das hat für diesen ganz praktische Folgen: den Befehl zu seiner Unterbringung in der Psychiatrie hob die Kammer auf und ordnete Untersuchungshaft an.

Aus der Psychiatrie direkt in die Untersuchungshaft

Statt zurück nach Werneck geht es für den jungen Mann in Untersuchungshaft in der JVA Schweinfurt. Als Haftgründe nannte die Vorsitzende den dringenden Tatverdacht eines Kapitaldelikts, das mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung geahndet werden könne – und Fluchtgefahr.

Der dringende Tatverdacht des Mordversuchs beruht laut Gericht auf Zeugenaussagen, Polizeivernehmungen und dem Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens. Darüber hinaus habe der Angeklagte selbst "seine Täterschaft auch nicht in Abrede gestellt". Nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts war die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten, als er auf den jüngeren Kumpel heimtückisch einstach, "nicht eingeschränkt oder aufgehoben". Gegen das Vorliegen einer psychischen Störung des 20-Jährigen spreche sein Verhalten vor und nach der Tat.

Tod in Kauf genommen

Wie berichtet, soll der 20-Jährige in der Tatnacht auf dem Weg zum Zigarettenholen sich ohne jede Vorwarnung in Richtung des 18-Jährigen umgedreht und ihm fünf Messerstiche in Brust- und Armbereich versetzt haben. Laut der Vorsitzenden Richterin habe er dabei "billigend in Kauf genommen, dass diese zum Tod führen könnten".

Glücklicherweise geschah die Tat direkt vor dem St.-Josef-Krankenhaus, in das der 18-Jährige flüchten konnte. Dort wurde er auch umgehend medizinisch versorgt. Das Opfer der Attacke tritt auch als Nebenkläger in dem Prozess auf. Sein Anwalt sagte: "Für mich kommt es nicht so überraschend, dass die Schuldunfähigkeit nun in Frage steht."

Gegen die angeordnete Untersuchungshaft ist Beschwerde zum OLG Bamberg möglich. Der Prozess wird – nun als Strafverfahren – am 18. März fortgesetzt.

 
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