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Schweinfurt
Gericht muss entscheiden: Ist der Messerstecher wirklich schuldunfähig?
Ein 20-Jähriger soll Ende Juli 2021 während einer Feier heimtückisch auf einen 18-Jährigen eingestochen haben. Doch in welchem Zustand war er bei der Tat?
Symbolbild: Gericht/Justiz
Foto: rclassenlayouts (iStockphoto) | Symbolbild: Gericht/Justiz
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 11.02.2024 08:45 Uhr

Ein lustiger Abend sollte es werden – jetzt muss sich das Gericht in Schweinfurt damit beschäftigen.  Mehrere junge Männer im Alter zwischen 18 und 20 trafen sich am 31. Juli 2021 in Schweinfurt zum Plaudern, Spaß haben, "Chillen".

Im Theaterpark kreiste eine Flasche Wodka, die Kumpels hörten Musik und verlegten die Party schließlich in ein Hotelzimmer nicht weit weg davon. Einer der Feiernden, ein 18-Jähriger, hatte es angemietet, um spätnachts nicht mehr nach Haus fahren zu müssen.

Als ihnen die Zigaretten ausgehen, machen sich drei von ihnen auf den Weg zu einer nahen Spielothek, um Nachschub zu holen. Da passiert, womit niemand gerechnet hat: Ohne jede Vorwarnung, dreht sich der 20-jährige Schüler in dem Trio zu dem 18-jährigen um und sticht mit einem Messer auf ihn ein. Das Opfer glaubt zunächst, es handle sich um Faustschläge, tatsächlich sind es aber fünf bis sechs heftige Messerstiche in den Arm und den Brustbereich.

Fünf hiebartige Stiche

Sein Glück war, dass die Tat direkt vor dem St.-Josef-Krankenhaus geschah. Dorthin flüchtete der 18-Jährige. Laut Antragsschrift traf der Täter den Geschädigten mit "mindestens fünf hiebartigen Messerstichen im Bereich lebenswichtiger Organe wie Lunge und Herz". Um lebensgefährliche Verletzungen auszuschließen, sei der 18-Jährige "kurzzeitig intubiert und operiert" worden.

Gewertet werden die Messerstiche – weil heimtückisch gesetzt – als versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung. Weil der 20-Jährige aber zur Tatzeit an einer katatonen Schizophrenie gelitten habe und heute noch leide, habe er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt.

In dem Verfahren vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts geht es deshalb nicht um eine mögliche Haftstrafe, sondern um die Unterbringung des 20-Jährigen in der Psychiatrie.

Keine Medikamente mehr

Laut seiner Verteidiger soll der Beschuldigte zur Tatzeit in einer psychisch angespannten Lage gewesen sein. Sein Versagen an der Wirtschaftsschule habe er – auch auch in Hinblick auf seine Familie – als Misserfolg erlebt, und seine Freundin habe ihn kurz davor verlassen. Zu Sache selbst sagt der 20-Jährige bisher gar nichts, auch nicht gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen und der Jugendgerichtshilfe. "Wir haben ihm dazu geraten", sagt einer der beiden Verteidiger.

In der psychiatrischen Einrichtung, in welcher der mutmaßliche Täter einstweilen untergebracht ist, gelte er als "vorbildlicher Patient", sagt die Zeugin des Jugendamts am Montag. Derzeit nehme er gar keine Medikamente mehr und fühle sich "gesund, nicht krank". Die Verteidigung legt ein Schreiben vor, wonach er mit einem Ausbildungsplatz zum Lageristen rechnen könne. Wie es dazu kommt? Sein Onkel sei dort "in führender Position" beschäftigt, so die Anwälte.

Schuldunfähigkeit unsicher

Der psychiatrische Sachverständige hatte überraschenderweise in seinem Gutachten eine Schuldunfähigkeit des 20-Jährigen – von der die Staatsanwaltschaft ausgeht – nicht sicher feststellen können. Demnach erscheint auch seine Schuldfähigkeit zur Tatzeit möglich. Die Konsequenzen aus dem Gutachten bedürften einer rechtlichen Bewertung durch die Kammer, teilt der Gerichtssprecher auf Anfrage mit.

In einer vorangegangenen Verhandlung hatte sich der mutmaßliche Messerstecher bei dem 18-Jährigen entschuldigt. Ihm fehle jede Erinnerung daran. Der 20-Jährige war ab 1. August 2021 zunächst in Untersuchungshaft und ist seit Ende September in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Der Prozess wird am 2. März fortgesetzt – eventuell mit Plädoyers und Urteil.

 
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