Flackernde Scheinwerfer, stimmungsvolle Discomusik. Junge Menschen, die sich berühren und ausgelassen miteinander tanzen. In Zeiten von Corona eine fast vergessene und undenkbare Szenerie – könnte man meinen. Doch nicht ganz. Denn während Diskotheken und Tanzlokale aufgrund der Pandemie seit Monaten geschlossen haben, darf in Bayerns Tanzschulen wieder gerockt, gescherbelt oder gesteppt werden. Zwar unter bestimmten Auflagen, dennoch bieten Tanzschulen für viele Menschen genau die Aktivität, auf die sie lange verzichten mussten. "Aktuell haben wir dadurch ein Alleinstellungsmerkmal", sagt Fiona Pelzer-Sebald hoffnungsvoll. Die Tanzlehrerin von der Schweinfurter Tanzschule Pelzer blickt auf eine aufreibende Zeit zurück.
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Nach drei Monaten des Lockdowns, des Wartens und der Ungewissheit durften die bayerischen Tanzschulen am 8. Juni wieder öffnen. An einem sonnigen Nachmittag, gut vier Wochen nach dem Neustart, ist in der Schweinfurter Tanzschule wieder Betrieb. Eine Gruppe Jugendlicher betritt das Gebäude in der Wilhelmstraße mit Mund- und Nasenmasken. Im Tanzsaal dürfen die Tanzschüler diese wieder abnehmen. "Zum Glück wurde das so geregelt", sagt Pelzer-Sebald, tanzen mit Maske sei zu anstrengend.
"Es müssen weitere Schritte folgen"
"Das Rahmenhygienekonzept in Bayern für Sport ermöglicht uns einen entspannten Start. Es gibt einige Neuerungen, um die Gesundheit zu schützen, doch wir haben glücklicherweise viele positive Faktoren", erklärt die 38-Jährige. Denn alle paarweisen Tanzgruppen dürfen mit einem festen Tanzpartner zum Tanzen kommen, auch wenn diese nicht im gleichen Haushalt leben. Zwar müsse man auf Partnerwechsel verzichten und als Tanzlehrer direkten Kontakt vermeiden, dennoch sei man damit der Normalität wieder etwas näher gekommen.
In der Tanzschule sei es zudem problemlos möglich, die begrenzte Anzahl von 15 bis 20 Personen im Kurs einzuhalten. "Der erste Schritt ist getan, aber es müssen noch viele weitere folgen", forderte kürzlich der Präsident des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbandes, Jürgen Ball. Dem schließt sich auch die Tanzschule Pelzer an. Tanzen habe einen hohen gesellschaftlichen Wert, denn in den Tanzstunden stehe nicht nur die sportliche Aktivität im Fokus. Musik hören, Freunde treffen und für die jüngere Generation die soziale Kompetenz seien dabei einige Vorzüge.
Ein ganzes Schuljahr ohne Tanzkurse
Fiona Pelzer-Sebald ist froh, endlich wieder unter halbwegs normalen Umständen arbeiten zu können. Wie so viele Unternehmen wurde auch Pelzer wirtschaftlich von der Krise getroffen. Die Einbußen wurden alleine an den ausbleibenden Tanzkursen deutlich, die Pelzer jährlich etwa an Schulen anbietet. "Im Jahr betreuen wir dabei gewöhnlich fast 2000 Jugendliche. In diesem Schuljahr fallen alle Tanzkurse einfach aus", so Pelzer-Sebald. Hinzu kämen Abschlussbälle, die sonst rund 5000 Gäste anlockten.
Besonders hart, so die Tanzlehrerin, sei zudem der Ausfall der "TanzBühne". Das jährliche Event, bei dem hunderte Pelzer-Tanzschüler ihr Können in der Grafenrheinfelder Kulturhalle präsentieren, hätte auch 2020 wieder das Highlight werden sollen. Doch auch daraus wurde nichts. Und trotzdem versucht man in der Schweinfurter Tanzschule nicht zu resignieren und etwas Positives aus der Krise mitzunehmen. Neben der Sanierung des Barbereichs, "konnten wir während des Lockdowns in Sachen Digitalisierung sehr viel dazu lernen und Blockaden lösen", sagt Pelzer-Sebald.
Tanzunterricht per Video
So habe man während der Schließung die Kurse per Video den Teilnehmenden online angeboten. Die Tanzlehrer standen so regelmäßig vor der Kamera und versuchten ihr Wissen digital weiterzugeben. Die Kursteilnehmer konnten dadurch zuhause üben und mussten nicht gänzlich auf den Unterricht verzichten.
"Da unser Beruf von der Emotion und der Interaktion mit den Tanzenden lebt, war das natürlich sehr ungewohnt", sagt Pelzer-Sebald. Doch die Resonanz war so positiv, dass sich die Tanzschule entschieden hat, das Angebot weiterzuführen. "Wir habe die ganzen Wochen Vollgas gegeben, um für den Bewegungsmangel zuhause eine Alternative zu bieten", sagt Tamika Pelzer, die für Social Media und Öffentlichkeitspräsenz der Tanzschule verantwortlich ist. "Unsere knapp 2000 Teilnehmer dafür zu begeistern, zuhause weiter zu tanzen, hat unsere Tage von früh bis spät ausgefüllt."
Auch wenn es jetzt wieder normalen Unterricht gibt, wolle man das Online-Angebot beibehalten. Zwar in einem etwas reduzierten Umfang, dennoch seien die Videos gerade für Teilnehmer, die mal fehlen oder urlaubsbedingt nicht vor Ort sein können, wertvoll und hilfreich. "Bei all dem Negativen nehmen wir damit auch etwas Positives aus der Krise mit", so Pelzer-Sebald. Sie hofft, dass nun wieder mehr Menschen in die Tanzschule kommen.
Tanzstunde als Ersatz für Ausgehen
In den ersten Wochen seit der Öffnung habe man sich gezielt auf die Bestandskunden konzentriert, die laut Pelzer-Sebald "der Tanzschule auch in der Krise die Treue bewiesen haben." Nun hoffe man aber auch auf Neueinsteiger. "Aktuell ist im Freizeit- und Sportbereich ja noch nicht so viel möglich", sagt die Tanzlehrerin. Neben der körperlichen Betätigung biete eine Tanzstunde deshalb auch einen gewissen Ersatz für das abendliche Ausgehen und Tanzen, das nach wie vor in der Öffentlichkeit noch nicht möglich ist.
Um die vergangenen Monate und damit auch die ausgefallenen Stunden etwas zu kompensieren, wird die Schweinfurter Tanzschule im Sommer durchgehend geöffnet bleiben. "Normalerweise haben wir zwei Wochen geschlossen, aber jetzt wollen wir die Zeit nutzen und den Teilnehmern noch mehr Aufmerksamkeit schenken", sagt Pelzer-Sebald. Für die Wiedereröffnung im Juni sei es "allerhöchste Eisenbahn gewesen". Nun, vier Wochen nach dem Neustart, rechne man mit weiteren Lockerungen. Pelzer-Sebald geht davon aus, dass die Tanzlehrer in ein bis zwei Monaten dann auch wieder mit Berührungen arbeiten dürfen.