Wer das Nürnberger Christkind verkörpert, muss mit Medienrummel rechnen. Benigna Munsi, die heuer das Christkind spielt, musste sich noch mit Rassismus auseinandersetzen. Sie bekam schon vor der Eröffnung des Weihnachtsmarkts ihrer Heimatstadt Medienaufmerksamkeit, als die AfD online gegen die 17 Jahre junge Gymnasiastin deutsch-indischer Abstammung giftete: "Eines Tages wird es uns wie den Indianern ergehen". Der Eintrag ist inzwischen gelöscht, die Welt weiß jetzt aber , was ein Candy-Storm ist: Eine Welle von Unterstützung, Aufmunterung, freundliche Worte.
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In Schweinfurt waren daher wohl demonstrativ Menschen der unterschiedlichsten Kulturen anwesend, als das Christkind nun auch den farbenfrohen Schweinfurter Weihnachtsmarkt beehrte. Benigna Munsi sprach "am Saum des Jahres" die magischen Worte ihres Prologs, vom Balkon des Rathauses aus, als zweite Station gleich nach dem Auftakt im Nürnberg: "Ihr Herrn und Fraun, die ihr einst Kinder ward, ihr Kleinen, am Beginn der Lebensfahrt, ein jeder, der sich heute freut und morgen wieder plagt. Hört alle zu, was euch das Christkind sagt."
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Die junge Frau unter der Goldlocken-Perücke ist die Tochter eines Deutsch-Inders ist, der als IT-Experte für das "Bundesamt für Migration und Flüchtlinge" (BAMF) arbeitet. Die Mutter ist Kirchenmusikerin deutscher Herkunft. Oberbürgermeister Sebastian Remelé ließ es sich nicht nehmen, auf die christlichen Werte des Weihnachtsfests hinzuweisen. Ebenso darauf, dass es die Christkind-Kür in der heutigen Form seit genau 50 Jahren gibt: "Liebes Christkind, wir freuen uns, dass Du da bist!"
Ansonsten bedeutet "Vorweihnacht" auch fürs Christkind einen eng getakteten Kampf gegen die Zeit. Aufgrund einer Verspätung wurde der Prolog 2019 vorgezogen, erst danach ging es in die Rathausdiele, zum Weihnachts-Ständchen und Fotoshooting mit den Kindergarten-Kindern von St. Johannis. In diesem Jahr waren junge Schweinfurter besonders stark vertreten, die aus Weltgegenden deutlich südlicher (oder östlicher) als Mainfranken stammen.
Begleitet von den Engeln Tamina und Leona
Begleitet von den Engeln Tamina und Leona schritt Benigna die Rathaus-Treppe hinunter. Auf der Bühne wartete, nach den Klängen des Posaunenchors, Moderator André Kessler, und eine lange Schlange von Kindern. Für die Jüngsten mit ihren leuchtenden Augen spielte die Herkunft des Christkinds endgültig keine Rolle mehr. Dinos unterm Weihnachtsbaum waren ebenso ein Herzensanliegen wie Pferde. Valentina hatte einen selbstgemalten Wunschzettel dabei, Leonhard sang "In der Weihnachsbäckerei". Ein Steppke tauschte beim Christkind seinen Schnuller gegen Schokolade. Die Erwachsenen wünschten sich in erster Linie "Gesundheit".
Auch in der Schlange warteten einige Familien "mit Migrationshintergrund". Ganz am Schluss stand eine Somalierin mit ihren Kindern, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt – und erfahren hat, dass die Vorschulkinder im Rathaus ein Lied singen sollen. Leider habe sie nicht früher kommen können. Wo denn gefeiert werde? Nun erfährt die Muslima, dass das Christkind auf den Marktplatz gekommen ist. Das Christkind kennen auch die äthiopischen Nachbarn, nickt die Frau aus Ostafrika, die als Bürgerkriegs-Flüchtling eine klare Meinung zum Thema Religion hat: "Wenn Freiheit ist, ist alles gut."