Ja, es ist mutig in Zeiten wie diesen sozusagen aus dem Stand Kioskbetreiber zu werden. Ein Risiko, das ist Deniz Aksu schon klar, aber "ich bin ein spontaner Mensch", so der 33-Jährige, für den es sich richtig angefühlt hat, vor einigen Monaten den markanten und denkmalgeschützten Kiosk Ecke Neutorstraße/An den Schanzen unweit des Celtis-Gymnasiums zu übernehmen.
Den augenfälligen "Rundbau mit den vielen Ecken", gleich neben der Alten Reichsbank, gibt es seit rund 90 Jahren. Zita Dietz hat den Kiosk, der der Stadt Schweinfurt gehört, von 1982 bis 2018 betrieben, und in all den Jahren unzählige Snacks, Erfrischungen, Zigaretten, Lottoscheine und mehr über die Theke gereicht. Jahre, in denen der Kiosk, der damals auch einfach nur Kiosk hieß, so etwas wie Kult-Status genoss, denn zur Zita kamen viele Kunden nicht nur, weil der Lottoschein voll und die Zigarettenpackung leer war, sondern auch auf einen Plausch.
Ihr Nachfolger Bünyamin Cihan, der Anfang 2020 den zwischenzeitlich sanierten Kiosk von der Stadt pachtete, erwischte einen denkbar schlechten Zeitpunkt. Kaum hatte er eröffnet, kam der erste Lockdown.
Seit dem Sommer ist nun Deniz Aksu Pächter des in Schweinfurt architektonisch einzigartigen Gebäudes, das er nach erfolgter Innenrenovierung vor gut zwei Monaten wieder als Kiosk, jetzt unter dem Namen "Seventysix", eröffnet hat. Lieferketten aufbauen, Kühlgeräte und Kaffeemaschine besorgen, es ist viel zu tun, bis die Logistik steht, ist sich der aus Karlstadt täglich zu seinem Arbeitsplatz pendelnde junge Mann sicher, aber jetzt läuft der Laden.
"Ich bin zufrieden", so sein Fazit für die ersten Monate. Das liegt vielleicht auch daran, dass er dem Kiosk mit seiner Idee vom "Urban Style" ein neues Image mit auf den Weg gibt. "Urban Style", das bedeutet für ihn auch, dass er seine Öffnungszeiten an die großstädtische Kiosk-Kultur angepasst hat (Montag bis Donnerstag von 9.30 bis 22 Uhr, Freitag und Samstag von 10 Uhr bis Mitternacht, Sonntag geschlossen). Nachtschwärmer finden bei ihm eine reiche Auswahl an Getränken mit und ohne Alkohol, Tabakwaren und Knabbereien, die man sonst zu vorgerückter Stunde nur noch an der Tankstelle bekommt.
Nach Schulschluss sind es traditionell die Schülerinnen und Schüler des benachbarten Gymnasiums, die schon bei Zita Dietz eine Süßigkeit oder einen Softdrink geholt haben. Viel Geld hat Deniz Aksu, selbst Kaffeeliebhaber, in eine Kaffeemaschine gesteckt. Den Kaffee zum Mitnehmen füllt er in Becher aus klimaneutralem Material.
Lotto spielen kann man übrigens nicht im neuen "Seventysix" und auch einen Imbiss, wie etwa eine heiße Bockwurst, gibt es bisher nicht. Dafür aber – ganz Süßigkeiten-Nostalgie – ein Schubladen-Regal, aus dem man sich seine Leckereien-Tüte Stück für Stück zusammensuchen kann. Für das kommende Frühjahr und den Sommer plant Aksu auch Außenbestuhlung, sodass man sich dort auf Bierchen, Schoppen oder Kaffee treffen kann, denn auch dies ist für ihn Kiosk-Kultur.