
Eine Steigerungsform von genial ist: genial einfach. Und das trifft auf ein Konzept bei der Altstadtsanierung in Schweinfurt zu, bei dem die Stadt kauft, wenn das herruntergekommene Gebäude sonst keiner will. Die Stadt ordnet dann das Grundstück, richtet Dächer und Fassaden, beseitigt die übelsten Schäden, reißt Nebengebäude ab – und verkauft wieder. Der neue Eigentümer weiß dann, dass die eigenen vier Wände nicht zusammenfallen und das Risiko überschaubar bleibt.
Der Namensgeber
An drei Beispielen, wovon zwei Stadtgeschichte geschrieben haben, erläutern Richard Riegler, Leiter der Sanierungsstelle im Rathaus, und Architektin Karin Fuchs (Entwurf und Bauleitung) der Redaktion das Schweinfurter Modell, das wohl deshalb so heißt, weil irgendwann einmal der damalige bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer es so nannte.
Der Kritznerhof in der Hauptstraße 40 im Stadtteil Oberndorf war jahrzehntelang ein „Schandfleck“. 1836 als stattliche Hofanlage errichtet, war der Hof mit Bauern- und Austragshaus ab 1962 für dann 53 Jahre ungenutzt. 2001 kaufte die Stadt das Anwesen. 2007 wurde das Areal entkernt, wobei auch der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Rinderstall verschwand. Der durch Zukauf möglichen Neuordnung der Grundstücksgrenzen folgte 2012 die Erneuerung der Dächer, der Austausch der Fenster und das Richten der jetzt wärmegedämmten Fassade.
Bauernhaus und Austragshaus
Zum „angemessenen Preis“ kaufte das junge Ehepaar Balmer den Rohbau mit „dem Charme eines Denkmals“, so die neue Eigentümerin Jennifer Balmer. Im Hauptgebäude summieren sich im Erd- und Obergeschoss 180 Quadratmeter Wohnfläche. Das Austragshaus (erstellt für die Altbauern) bietet weitere 80 Quadratmeter.
Trotz Hitze ist es im Haupthaus angenehm kühl, und obwohl der Verkehr durch die Hauptstraße rauscht auch ruhig. Den Innenausbau haben die Besitzer großteils selbst gemacht. Weil die Raumaufteilung gefiel, fielen nur wenige Wände für einen großen Wohn- und Kochbereich. Zwischen Kauf und Einzug verging ein Jahr, in dem Böden tiefer gelegt, der Putz abgeschlagen und Fachwerk freigelegt wurden.
Das Haus des Lebenskünstlers
Aus dem Schandfleck ist ein Schmuckstück geworden. Gleiches gilt für die Rückertstraße 13 – drei Minuten vom Schweinfurter Rathaus entfernt und damit mitten in der Stadt. Der „Knieße-Bäck“ war ein Schweinfurter Original, ein Lebenskünstler. Er schürte irgendwann am Vormittag den Backofen an. Nachmittags öffnete er dann den Laden. Wenn Salzstangen und Sauerteigstölli ausverkauft waren, schloss er das Geschäft. Mehr Gebäck gab es nicht – und reichlich Stölli auch nur, wenn das Rathaus für einen Empfang am Abend nicht zu viele seiner Stölli geordert hatte.
Bis Ende der 1980er Jahre gab es die Bäckerei. Der Knieße-Bäck lebte dann noch bis zu seinem Tod (2001) im Knieß-Haus, an dem schon seit Jahrzehnten nichts mehr gemacht worden war und das zusehends verwahrloste. 2003 erwarb die Stadt das Haus. Die Sanierungsstelle übernahm in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege die ersten Schritte bei der Sanierung: Entrümpelung und Abbruch des dreigeschossigen Rückbaus mit Backofen und Wirtschaftsräumen. 20 000 Euro kosteten diese ersten Maßnahmen, für die es bereits Fördergelder gab.
Treffpunkt für Kaffeeliebhaber
Befreit von den Utensilien eines langen Wohnens sah sich das Landesamt das Haus an und ordnete die Entstehung in das 17. Jahrhundert ein. Mit der Stadt und Wohnbau GmbH, eine städtische Tochter, fand die Sanierungsstelle einen Käufer, der die Idee der Altstadtsanierer verwirklichte: einen Laden im Erdgeschoss und darüber Wohnungen. Vieles, was Investoren vom Kauf historischer und sanierungsbedürftiger Häuser abschreckt, war zu diesem Zeitpunkt schon kein Thema mehr. Voruntersuchungen und denkmalpflegerische Überlegungen waren abgeschlossen und die Frage möglicher Zuschüsse geklärt. In das Erdgeschoss zog „Die kleine Kaffeerösterei“, ein heute beliebter Treffpunkt mit Café, in dem der Kaffee den letzten Kick bekommt.
Abgenabelt
Ebenfalls im Stadtzentrum liegt die heutige Krumme Gasse 29 a. Bis zur Sanierung war das Haus das Rückgebäude der Oberen Straße 8, ein ehemaliges dreigeschossiges Bürgerhaus mit verputztem Fachwerk und Satteldach, mit dem östlichen Treppenturm und einem Bürgerwappen. Im Kern stammt die Obere Straße 8 aus der Zeit um 1560. Größere Veränderungen kamen im Laufe der Jahrhunderte.
Auch in diesem Fall übernahm die Stadt die Erneuerung des Dachs, der Fassaden und der Fenster. Die oberen Geschosse wurden durch eine neue Treppe erschlossen und das ehemalige Nebengebäude von dem einst zuständigen Treppenturm abgenabelt. Für die Nutzung als Einfamilienhaus wurden etliche nicht tragende Wände auf den Stockwerken entfernt. Der weitere Innenausbau blieb dem neuen Eigentümern überlassen.
Städte brauchen Geld
Für Karin Fuchs und Richard Riegler ist das Schweinfurter Modell ein Erfolgsmodell. Nicht selten würden sich Kaufinteressen sofort melden, sobald die Stadt Interesse am Kauf eines Objekts zeige. „Nachahmer gibt es, doch wir wissen nicht, wie viele“, sagt Richard Riegler, bei dem Nachfragen aus dem gesamten Bundesgebiet eintreffen. Sehr oft könnten sich andere Städte und Gemeinden aber den Kauf und die Teilsanierung nicht leisten.







Oder sind Sanierung und günstig vermieten nicht miteinander vereinbar?
erlauben Sie mir den Hinweis, dass in einem Rückgebäude der Oberen Straße 8 zur Krummen Gasse hin Schweinfurter Industriegeschichte geschrieben wurde. Den Erfindern Friedrich Fischer und Wilhelm Höpflinger ist es hier gelungen auf selbstgebauten Maschinen erstmals runde Stahlkugeln in großen Mengen herzustellen. Hier ist also der Ursprung der Schweinfurter Stahlkugel- und Wälzlager-Industrie, worauf ja auch ein Schild hinweist.
Freundliche Grüße
Willi Albert