Das Interesse, das Jasmin Poyotte nach ihrem Facebook-Post unter dem Account der Stadttaubenhilfe White Angels Schweinfurt am 3. Februar entgegen schlägt, ist ein ungewohntes. Ungewohnt groß. "Wir hatten schon andere Fälle, die waren weitaus schlimmer." Doch so viele Kommentare oder Anrufe wie diesmal gab es noch nie.
Die Empörung im Netz entzündet sich nicht nur an den Fakten: Ein Taubennetz auf dem Dach eines Hauses in der Hohe Brückengasse, das laut Tierschützern so nicht sein dürfte; eine Taube, die sich am 3. Februar im Netz verfängt, verzweifelt versucht, sich zu befreien, sich dabei fast die Flügel ausreißt, gegen die Hauswand knallt, einen großen Blutfleck hinterlässt; die Feuerwehr, die das schwer verletzte Tier schließlich befreit. Sogar die Polizei ist vor Ort.
Die Empörung im sozialen Netzwerk entzündet sich auch an dem, was Poyotte in ihrem Post weiter schreibt. Einer der Hausbesitzer, Georg Wiederer, der für die FDP im Schweinfurter Stadtrat sitzt, kommt dazu, nachdem die Taube befreit worden ist, sagt die Tierschützerin. Sie sei auf ihn zugegangen, habe ihm erklärt, wer sie sei, warum die Aktion nötig wäre, dass er das Netz so nicht lassen könne. Der Stadtrat (Poyotte nennt dessen Namen in dem Facebook-Post nicht) habe abgewunken und gemeint, "ich wäre zu unwichtig, um sich mit mir zu unterhalten". Er habe sie einfach stehen gelassen.
Ein Verhalten, das schon in den Kommentaren unter dem Post heftig kritisiert wird. Dort fällt auch erstmals der Name des Stadtrats. So viele Reaktionen, so viele Anrufe gab es noch nie, sagt Poyotte. Warum das so ist? Wahrscheinlich hat es auch mit dem Wahlkampf zu tun, schätzt die Tierschützerin – und in den will sie sich nicht hineinziehen lassen. "Es geht mir um die Tiere, um nichts anderes." Ihr Standpunkt ist klar: Ein Netz wie dieses "verstößt gegen das Tierschutzgesetz", viel zu grobmaschig, auch das Material sei nicht geeignet, eher wie eine Art Paketschnur.
Ein solches Netz müsse engmaschiger sein, damit die Tauben nicht hineinschlüpfen, darauf laufen können, ohne hängen zu bleiben, aus einem festen Material. Auch die Anbringung ist in den Augen der Tierschützerin nicht ordnungsgemäß. Die Polizei vor Ort, die von der Feuerwehr gerufen worden war, habe dies ebenso gesehen. Der Beamte habe die Feuerwehrleute angewiesen, das Netz zu entfernen. Dann sei der Stadtrat gekommen – und von einem Entfernen sei plötzlich keine Rede mehr gewesen.
Stadttaubenhilfe bietet Hausbesitzern Unterstützung an
Schon am Einsatzort, sagt Poyotte, habe man dem Stadtrat ein Angebot gemacht, ihm zu helfen, ein sicheres Netz anzubringen, habe ihm eine Karte der Stadttaubenhilfe Unterfranken in die Hand gedrückt – aber nichts von ihm gehört. Das Angebot gelte nach wie vor, sagt Poyotte, die sich wünscht, dass sich gerade ein Stadtrat als Vorbild verhalten sollte – und "an die Gesetze hält, die für alle gelten".
War das Taubennetz nun gesetzeswidrig? Was sagt das Ordnungsamt dazu, das die Tierschützer um Hilfe bat, als ein Passant auf die Taube in Not hingewiesen hatte. Und das auch den Anruf bei der Feuerwehr absegnete, nachdem die Tierschützer nicht über das Gebäude auf das Dach konnten. Generell, sagt Jan von Lackum, Ordnungsreferent der Stadt, sind Netze zur Vergrämung von Tauben zulässig; allerdings unter bestimmten Bedingungen. Ob dies in der Hohe Brückengasse der Fall ist, wird man nun prüfen, so von Lackum. "Das Amt für öffentliche Ordnung wird die Hauseigentümer auffordern, einen Nachweis darüber zu erbringen, welche Firma das Netz angebracht hat und ob diese über die nötige Sachkunde verfügt." Die Eigentümer würden auch aufgefordert zu prüfen, ob das Netz dicht ist. Entspricht es nicht den Vorgaben, müssten die Eigentümer das Netz entfernen oder nachbessern lassen.
Und die Kosten für den Feuerwehreinsatz? Dabei kommt es laut von Lackum darauf an, ob ein Verschulden für den Einsatz vorliege. Wenn ja, muss der Verursacher die Kosten tragen. Wenn nicht, fallen die Kosten, die sich laut von Lackum über den Daumen gepeilt im niedrigen dreistelligen Bereich bewegen, dem städtischen Feuerwehrhaushalt zur Last. Heißt: die Kosten trägt der Steuerzahler.
Das Haus gehört mehreren Personen, einer davon ist wie gesagt Georg Wiederer. Der gibt sich auf Anfrage der Redaktion bedeckt, will sich zu dem Fall nicht äußern. Er sei zufällig vorbeigekommen. Das Netz habe man von einer Firma anbringen lassen.
Warum ein Taubenschlag allen helfen würde
Es wird Zeit, dass auch Schweinfurt einen Taubenschlag in der Innenstadt bekäme, damit Tier und Mensch friedlich miteinander leben könnten, sagt Poyotte. Ein Schlag, bei dem regelmäßig gefüttert würde, Eier mit Attrappen getauscht und so ein Anstieg der Tauben in der Stadt verhindert werden könnte, würde beiden Seiten helfen. Dass sich manche über Tauben ärgern, kann Poyotte verstehen. Wie einige reagieren, zum Beispiel der nach wie vor unbekannte Schütze, der 2019 in der Innenstadt auf Tauben geschossen hat, kann sie nicht begreifen. Und auch nicht, warum es mit dem Taubenschlag für Schweinfurt so lange dauert.
Sunshine übrigens, so heißt die gerette Taube, hat es geschafft. Obwohl kaum jemand damit gerechnet hatte. Der Sonnenschein erholt sich gut, hatte Riesenglück. Minuten später, und das Tier wäre tot gewesen, sagt Tierschützerin Jasmin Poyotte. Ob es ein Nachspiel geben wird? Angeblich, so steht es in einem Post von White Angels, überlegt sich ein Vertreter des Tierheims Schwebheim, Anzeige zu erstatten.
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