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Schweinfurt
Schweinfurt: Das "Tegut-Lädchen" muss nach acht Jahren schließen
Wegen erhöhter Mietpreise muss die Marktleiterin den Laden zumachen. Doch es gibt Gegenwind. Was die Schließung bedeutet und wie Kunden und Vermieter reagieren.
Das 'Tegut-Lädchen' in der Schweinfurter Segnitzstraße muss Mitte Februar schließen, weil die Miete zu teuer wird.
Foto: Nicolas Bettinger | Das "Tegut-Lädchen" in der Schweinfurter Segnitzstraße muss Mitte Februar schließen, weil die Miete zu teuer wird.
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 10.02.2024 05:55 Uhr

Auch an einem verschneiten Wintermorgen stapfen die ersten Kunden in den Tegut-Laden in der Schweinfurter Segnitzstraße. Noch liegen dort frische Äpfel und Bananen in den Obstkörben, noch stehen Käse und Milchprodukt in den Kühlregalen bereit. Doch am 13. Februar soll das "Lädchen für alles" für immer schließen. "Ihr macht zu, ne oder?", sagt eine ältere Dame an der Kasse, als sie soeben von der anstehenden Schließung erfahren hat. "Ich drücke euch die Daumen", ruft ein anderer Kunde beim Verlassen des Ladens den Mitarbeiterinnen zu. Nach knapp acht Jahren ist Schluss für das Geschäft am Hochfeld. Und das nicht ganz freiwillig.

Grund für das anstehende Ende des Lebensmittelgeschäftes ist eine erhebliche Mieterhöhung. "Der alte Vertrag ist ausgelaufen, nun verlangt der Vermieter das dreifache der bisherigen Miete", sagt Nicole Korn, die dort als selbstständige Marktleiterin Produkte der Firma Tegut verkauft. Die rund 280 Quadratmeter Ladenfläche kosteten sie bisher 850 Euro Kaltmiete. Nun soll sich diese bei rund 3000 Euro bewegen, so Korn. "Das ist für uns natürlich ein Ding der Unmöglichkeit." Und das obwohl seit Jahren keine Renovierungsmaßnahmen vorgenommen worden seien, sagt Korn, die nicht kampflos aufgeben will. "Der Laden ist uralt."

Die Mitarbeiterinnen Marie Dembowski (links) und Erika Höfling hoffen, dass die Schließung noch abgewendet werden kann.
Foto: Nicolas Bettinger | Die Mitarbeiterinnen Marie Dembowski (links) und Erika Höfling hoffen, dass die Schließung noch abgewendet werden kann.

Vermieter: "Bin nicht an Leerstand interessiert"

Traurig sei die Schließung gerade deshalb, da vor allem viele ältere Leute dadurch eine gut erreichbare Einkaufsmöglichkeit verlieren. "Der Laden ist gerade auch für diejenigen wichtig, die nicht mit einem eigenen Auto mobil sind und zu Fuß herkommen", so Korn. Sie selbst habe schon länger versucht, mit dem Vermieter, P & P Wohnbau in Kürnach, eine Lösung zu finden. Vergeblich. Auch das Tegut-Unternehmen habe keinen Kompromiss herausarbeiten können. Nun fürchtet Korn, dass die Schließung zu noch mehr Leerstand und weiteren Laden-Schließungen in der Umgebung führen könnte.

Doch was sagt der Vermieter selbst dazu? "Ich bin natürlich auch nicht an Leerstand interessiert und der Laden hier hat seinen Reiz", sagt Sven Pohle von P & P Wohnbau auf Nachfrage. Jedoch wundere er sich nun über die Welle der Empörung, die kurz vor Vertragsende aufbrandet. Er habe sich seit Jahren mit der Marktleiterin ausgetauscht, sei auch mit dem Preis auf sie zugekommen, doch sie habe ihm bereits bestätigt, unter den neuen Vertragsbedingungen aufzuhören. "Im Übrigen sind die neuen Konditionen, verglichen mit den üblichen Marktpreisen, immer noch ein sehr gutes Angebot", erklärt Pohle.

Bislang, so der Vermieter, zahle Korn 2,60 Euro pro Quadratmeter, was vertraglich noch mit dem vorherigen Vermieter vereinbart war. Nun verlangt Pohle 8 Euro, was für den freien Markt in Schweinfurt immer noch "mehr als fair" sei. Die neuen Konditionen seien nicht aus kapitalistischen, sonder aus wirtschaftlich notwendigen Beweggründen entstanden. "Auch wir müssen unsere Kosten decken", so Pohle. Den Vorwurf, er habe sich nicht um notwendige Sanierungen gekümmert, weist er zudem zurück. Technischen Erneuerungen, wofür er vertraglich zuständig sei, habe er wie etwa bei der neuen Türanlage für 5000 Euro möglich gemacht.

Kunden wollen sich gegen Schließung wehren

Laden-Chefin Nicole Korn.
Foto: Katja Glatzer | Laden-Chefin Nicole Korn.

Ladenchefin Korn ist deshalb wenig optimistisch, dass die Schließung doch noch abgewendet werden könne. Sie müsse sich bereits darum kümmern, das Inventar, also Regale oder Kühlmöbel, über das Internet zu verkaufen. "Wenn das passiert ist, ist endgültig Schluss", sagt Korn. Ganz aufgeben wollen ihre drei Mitarbeiterinnen aber nicht. "Wir haben eine Unterschriftenaktion gestartet, es haben sich hier schon 100 Kunden beteiligt", erklärt die 20-jährige Verkäuferin Marie Dembowski. Damit wolle man ein Zeichen setzen und dem Vermieter klar machen, wie schlimm die Schließung für die Schweinfurter wäre.

Auch Erika Höfling will sich mit der Schließung nicht abfinden. Die 59-Jährige arbeitet seit der Öffnung 2013 im "Lädchen für alles". "Die Kunden sind mir natürlich ans Herz gewachsen." Viele wüssten nun gar nicht mehr, wo sie ab Februar einkaufen sollen. Und tatsächlich scheint die anstehende Schließung für Unmut zu sorgen, sodass sich einige Kunden sogar selbst für den Erhalt des Tegut-Ladens einsetzen. Ein Beispiel ist die 56-jährige Doris Kiesel. Die Schweinfurterin kauft "täglich hier ein" und schätzt das gute Sortiment. "Ich habe schon mehrfach selbst versucht, den Vermieter anzurufen und an sein Gewissen zu appellieren", sagt Kiesel. Es dürfe nicht am Geld scheitern, dass etwa die nahe gelegene Schule eine so wichtige Anlaufstelle verliere. Kiesel hofft deshalb, dass womöglich ein Spendenaufruf für Abhilfe sorgen könne.

Nur noch ein paar Wochen steht der Tegut-Laden in der Segnitzstraße für Kunden offen.
Foto: Nicolas Bettinger | Nur noch ein paar Wochen steht der Tegut-Laden in der Segnitzstraße für Kunden offen.

Ist eine Rettung des Tegut-Ladens möglich?

Eine weitere Kundin nehme Kontakt mit der Schweinfurter Politik auf, um Aufmerksamkeit auf die missliche Lage zu lenken. Man befürchte, dass mit der Schließung die Einkaufsfrequenz in der Gegend immer weiter zurückgeht und so "peu à peu alles wegbröckelt". Objektiv betrachtet, und das muss auch Chefin Korn eingestehen, ist mit einer Wende kurz vor Schluss nicht mehr zu rechnen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Doch wäre eine Wende von Seiten des Vermieters überhaupt denkbar? "Ich bin ein Mensch der Fakten, aber man kann sich über alles unterhalten", so Sven Pohle. Andernfalls werde man die Fläche neu vermieten. Man stehe bereits mit Einzelhändlern oder anderen Gewerbetreibenden in Kontakt.

 
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  • E. W.
    Frau Korn spricht von ca. 3.000 Euro für 280 Quadratmeter. Das sind nach meiner Rechnung ca. 10,70 Euro pro Quadratmeter! Wie kommt Pohle auf 8 Euro pro Quadratmeter?
    Die zulässige Mieterhöhung innerhalb von 3 Jahren ist laut Mietrecht auf höchstens 20 Prozent begrenzt – oder täusche ich mich da?
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  • D. H.
    vermutlich kann man den Verlust von der Steuer absetzen, dann stimmt die Kasse wieder. Die Gier kennt keine Grenzen.....
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  • U. L.
    Was verbleibt, ist das ewig gleiche, langweilige EDEKA-Sortiment.
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  • M. S.
    schon richtig, dass hier der Vermieter angeprangert wird und das ganze öffentlich gemach wird! Da braucht dieser auch nicht sein Unverständnis auszudrücken.

    Zugegebenerweiße ist eine Kaltmiete von 2,60 €/m² schon sehr günstig und wird sich in dieser Form kaum anderswo realisieren lassen. Die Steigerung auf 8,00 €/m² für diese Örtlichkeit sind allerdings ein schlechter Witz. Hoffe es findet sich niemand Dummes der darauf eingeht... Allerdings ist bei diesen Preisen auch ein längerer Leerstand finanziell schnell aufgeholt.

    An so etwas zeigt sich, dass die Politik eingreifen sollte! Hier geht es nicht nur um das persönliche Wohl eines Kaufmanns (Betreiberin tegut) sonder auch um die Bedürfnisse der Bevölkerung!

    Wer bitte bezahlt 3000,- € Kaltmiete für dieses Objekt in dem Zustand an diesem Standort?

    Hoffe es findet sich jemand der Nicole Korn ähnliche Räumlichkeiten im Umfeld zu einem vernünftigen Preis anbieten kann (unwahrscheinlich).
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    Leider geht zur Zeit alles den Bach herunter. In der Innenstadt viele leere Geschäfte, in der Stadtgalerie ist es zur Zeit ruhiger als im Friedhof. Auch nach Corona wird sich vieles ändern. Das wollen die Politiker einfach nicht wahrhaben. Traurig für die Beschäftigten.
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  • E. B.
    Unmöglich, so etwas lesen zu müssen. Hier am Hochfeld hatte man bis vor wenigen Jahren noch mehr Geschäfte. Die waren jedoch nicht so wichtig wie ein Lebensmittelladen. Ich drücke der Bevölkerung und den Beschäftigten die Daumen, dass der Laden erhalten werden kann. Wirklich schade, wenn er wegfällt.
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  • C. H.
    "Money makes the World go round"

    Einige Branchen haben mich schon ins Internet gedrängt, ob nun freiwillig oder nicht.
    Und nicht wenige der Immobilien stehen seitdem leer.
    Manche Adressen waren kurzzeitig wieder belegt, doch mit Sparten kann man sich bei den Mieten auch nicht lange halten. Leerstand bringt weniger Geld als eine kleine Miete.....
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Lieber 800 Euro sichere Mieteinnahmen, als ein leerstehendes Objekt. Wer will in dieser Zeit eine Gewerbeimmobiliere zu 3000 Euro monatlich anmieten? Unfassbar wie Vermieter ticken?!
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