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Schweinfurt
Schaeffler streckt die Finger nach FAG aus
Von FAG zu Schaeffler (Teil 5): Per Telefonanruf erfuhr FAG-Chef Uwe Loos vom Übernahmeangebot. Eine heftige Schlacht um das Unternehmen setzte darauf ein.
Haupteingang von Schaeffler in Herzogenaurach.
Foto: Daniel Karmann, dpa | Haupteingang von Schaeffler in Herzogenaurach.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:04 Uhr

Kann man der Legende glauben, dann läutete am 7. September 2001, einem Freitag, das Autotelefon bei Uwe Loos, als er gerade auf dem Heimweg ins Wochenende nach Frankfurt war. Anrufer war Jürgen Geißinger, der Chef des Familienunternehmens INA aus Herzogenaurach. Ohne Umstände kündigte er dem Chef von FAG Kugelfischer an, "am Montag haben sie ein Übernahmeangebot auf dem Tisch". Ein Satz, der im Management von Kugelfischer zunächst ungläubiges Kopfschütteln und schließlich blankes Entsetzen auslösen sollte. Es begann eine millionenteure Schlacht, die sich über Wochen auch über Anzeigenkampagnen hinzog, viele Berater beschäftigte und schließlich von den Mittelfranken gewonnen wurde.

Beim Pressegespräch 2001 in Herzogenaurach: INA-Geschäftsführer Jürgen Geißinger (links) und Personalchef Kurt Mirlach.
Foto: Körblein | Beim Pressegespräch 2001 in Herzogenaurach: INA-Geschäftsführer Jürgen Geißinger (links) und Personalchef Kurt Mirlach.

INA, wer? Das waren doch die mit den Nadellagern, im Besitz der Witwe des Firmengründers, Maria- Elisabeth Schaeffler, der man mehr Modebewusstsein, Luxusleben als Unternehmertum nachsagte, ächzte es in Schweinfurt. Dass man sich da getäuscht hatte, zeigte sich schon bald.

Elf Euro pro Aktie bot INA den Anteilseignern, befristet bis zum 22. Oktober. Ein verlockender Preis, brächte er doch auf einen Schlag rund 50 Prozent Rendite. Damit wollte sich Loos nicht zufriedengeben. Lag doch der aktuelle Kurs vorübergehend, wie man in Schweinfurt annahm, auf einem Tiefstand. "Das Angebot ist völlig unzureichend und steht in keinem Verhältnis zur Ertragskraft", schimpfte er in einer Mitarbeiterversammlung und beklagte sich über das rüde Gebaren Geißingers. 20 Euro nannte Loos als realistisch.

Über die Hälfte des Umsatzes bei INA wurde mit der Automobilindustrie erzielt

Bis dahin war INA für die Öffentlichkeit ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Mit dem Übernahmeangebot war dies vorbei. INA wurde als offene Handelsgesellschaft geführt. In den zurückliegenden Jahren war das Unternehmen mit durchschnittlich 14 Prozent besser als der Markt gewachsen. Der Umsatz lag mit 34 000 Mitarbeitern (20 000 in Deutschland) bei 4,2 Milliarden Euro, also fast doppelt so hoch wie FAG. Der Auslandsanteil machte 60 Prozent (FAG 77) aus. Über die Hälfte des Umsatzes wurde mit der Automobilindustrie erzielt. Bei Nadellagern galt INA als Weltmarktführer. Dank schlanker Kostenstrukturen verdiente INA vergleichsweise sehr gut. Konkrete Zahlen nannte das Familienunternehmen jedoch nicht.

Geißinger lud kurzfristig Journalisten nach Herzogenaurach ein. Dass die beiden Nürnberger Zeitungen Volontäre oder Praktikanten schickten, zeigte den Stellenwert, den INA im Nürnberger Raum genoss. Der dritte Journalist kam übrigens aus Schweinfurt.

Der INA-Chef gab sich jovial, hemdsärmlich. was sich jedoch schon bald ändern sollte. Dass er mit Gewerkschaften nicht konnte, war schnell klar, Schweinfurter Geschäftsleute, die sich hinter FAG stellten, wurden verbal schon mal angerempelt. Auf Fragen von Journalisten antwortete er schmallippig.

Pressekonferenz von FAG, kurz nachdem das Übernahmeangebot von INA vorlag, mit Vorstandschef Uwe  Loos und Finanzvorstand Gerhartd Vogel.
Foto: Körblein | Pressekonferenz von FAG, kurz nachdem das Übernahmeangebot von INA vorlag, mit Vorstandschef Uwe Loos und Finanzvorstand Gerhartd Vogel.

Mit der Übernahme würde INA, sprich Schaeffler, zur Nummer 3 in der Branche weltweit aufrücken. Eine Zerschlagung der FAG werde es nicht geben, versprach Geißinger. Man werde das Unternehmen jedoch von der Börse nehmen.

FAG-Belegschaft ging einen eigenen Weg

Loos sah die Sicherung der Eigenständigkeit nur über einen "Weißen Ritter", also einen Partner aus der Branche, NTN oder Timken oder einen Kapitalinvestor. Dazu muss man wissen, dass noch Monate zuvor FAG und NTN an einer Allianz geschmiedet hatten. Ohne Erfolg.

Die Belegschaft stand zu Loos, ging gleichzeitig aber einen eigenen Weg, indem man den Kontakt zur INA suchte, erinnert sich der langjährige Betriebsratsvorsitzende Norbert Lenhard. Am FAG-Management vorbei wurde eine Einigung erzielt, die die bisherigen Mitbestimmungsrechte und Betriebsvereinbarungen zementierte. Dass Betriebsräte und Gewerkschaften im Aufsichtsrat eine wichtige Rolle spielen sollten, wurde von INA als bittere Kröte geschluckt.

Als INA sein Angebot an die Aktionäre von elf auf zwölf Euro erhöhte, gingen immer mehr Anteilseigner von der Fahne. Zuletzt gab lediglich Fritz Schäfer einen meldepflichtigen Anteil von über fünf Prozent an. Die verbliebenen Aktionäre wurden im Rahmen eines "Squeeze out" abgefunden.

Am 20. Dezember 2001 erklärten Loos und Kajo Neukirchen ihren Rücktritt. Jahre später zeigte sich Loos versöhnlich. "Rückblickend muss man sagen, das war eine tolle Aktion, ein präziser Vorstoß, absolut gut gemacht."

Von FAG zu Schaeffler

Vor 20 Jahren hat das in Herzogenaurach ansässige Unternehmen INA der Familie Schaeffler den Aktionären von FAG Kugelfischer ein Übernahmeangebot unterbreitet. Zu dieser Zeit hatte die Familie Schäfer, die das Unternehmen 1885 gegründet hatte und über Jahrzehnte erfolgreich geführt hat, ihren Einfluss weitgehend verloren. Mit der Übernahme von acht ostdeutschen Wälzlagerherstellern waren erhebliche Verluste verbunden. Die sechsteilige Serie zeigt, wie aus Kugelfischer Schaeffler wurde.
Quelle: kör
 
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