Jede Person kennt dieses Bild: randalierende Bands im Backstage, seltsame Sonderwünsche oder falsches Verhalten gegenüber den Fans. Auch die aktuelle Debatte über Rammstein und deren Frontmann Till Lindemann wirft weitere Schatten auf das Bild, das sich Menschen von der Musikszene machen, wirft Fragen über die Machtverhältnisse und Arbeitsweisen auf, die Backstage herrschen. Gibt es systematische Probleme innerhalb des Bühnenbetriebs? Menschen aus der Schweinfurter Musikszene schildern ihre Erfahrungen aus der Branche und der täglichen Arbeit mit Bands, Managern und Künstlern.
Steffen Rose (59), Veranstalter in Schweinfurt: "Im Bühnenbetrieb gab es schon immer ein Machtgefälle zwischen Künstlern, Fans und Veranstaltern"
"Im Bühnenbetrieb gab es schon immer ein Machtgefälle zwischen Künstlern, Fans und Veranstaltern – oft verbunden mit einem Machotum männlicher Künstler. Bands nutzen ihre Stellung gegenüber uns Veranstaltern gerne aus, um das zu bekommen, was sie für sich und ihre Show wollen. Das fängt beim Bühnenlicht an und endet beim Catering. Auf der anderen Seite müssen sich Bands auch immer selbst darstellen, um sich zu präsentieren. In gewisser Weise gehören Machtspiele also zum Alltag auf der Bühne. Problematisch wird es jedoch, wenn es zu Machtmissbrauch kommt und Künstler oder Manager sich daneben benehmen. Das System Row Zero, ist kein Einzelfall, sondern weit verbreitet – egal in welchem Genre. Ich organisiere seit über 30 Jahren Shows im Punkrock/Hardcore Bereich. Als Veranstalter habe ich auf meinen Shows bisher noch nie von Vorfällen oder Gerüchten gehört, dass sich ein Künstler unangemessen gegenüber dem Publikum und Fans verhalten hätte. In einem Club, wie dem Stattbahnhof würden wir darauf äußerst sensibel reagieren und so etwas nicht tolerieren."
Eric Greulich (42), Musiker und Künstlerbetreuer aus Schweinfurt: "Man hat da teilweise auch mit sehr gefährlichen Leuten zu tun."
"Ich arbeite seit 18 Jahren für verschiedene Agenturen der Künstlerbetreuung auf Festivals und Touren. Von Kiss über Pink Floyd bis zu Marilyn Manson war ich überall schon dabei. Über vieles, was im Backstage passiert, dürfen wir laut unseren Verträgen nicht sprechen. Mein Eindruck ist, dass je älter die Gruppen werden – nehmen wir zum Beispiel Kiss –, desto entspannter ist der Umgang mit ihnen. Schwieriger wird es mit den jüngeren, Testosteron-geladenen Künstlern. Das geht gerne mal auf Kosten von Mobiliar und Crew. Gerade wenn Bands nach einer guten Show von der Bühne kommen und noch mit Adrenalin voll gepumpt sind. Ja, der Bühnenbetrieb ist eine Männerdomäne, aber ich kenne auch genügend Künstlerinnen, die kompliziert sind und sich ihrer Position durchaus bewusst. Das lassen sie einen auch spüren. Wenn Rihanna morgens um fünf ein frisch gebratenes Steak will, klingelt deren Management den Koch auch raus, egal ob der schläft oder nicht. Oder wenn der Manager von Depeche Mode auf der Tour in Berlin für vier Stunden ein Schwimmbad für sich alleine mietet. In Schweinfurt käme kein Manager auf die Idee, kurz mal Leute aus dem Silvana herauszuwerfen. Das große Showbiz ist eine völlig andere Liga, als lokale Shows. Man hat da teilweise auch mit gefährlichen Leuten zu tun. Bei einer Umbaupause zwischen zwei bekannten Bands auf einem großen Konzert in der Region habe ich einmal zwei Crewmitglieder beim Streit beobachtet. Einer davon war von den Hells Angels und hat danach den anderen bedroht. Da musste sogar der Staatsschutz eingreifen. Es ist kein Geheimnis, dass dort auch oft Drogen im Spiel sind."
Die Sängerin Steffi List (47) macht seit ihrem 18. Lebensjahr Musik: "Das Musikbusiness ist eine reine Männerdomäne."
"Das Musikbusiness ist eine reine Männerdomäne. Meiner Erfahrung nach musste ich schon immer viel mehr an Energie und Argumenten aufbringen, um mich in den verschiedenen Bands so zu beweisen und um als gleichgestelltes Mitglied der Band anerkannt zu werden. Und es hat immer eine gewisse Zeit gedauert, bis meine Vorschläge akzeptiert wurden. Wenn ich bei großen Events zum Soundcheck oder direkt zum Auftritt die Bühne betrete, war es leider schon oft so, dass sich die meist männlichen Bühnentechniker oder Veranstalter nicht in der Verantwortung fühlten, bei mir nachzufragen, ob denn mein Mikro oder meine Gitarre funktioniert oder ob noch etwas an Essen und Getränken fehlt. Da ich nicht sehr groß und keine sehr auffällige und extrovertierte Erscheinung bin und mich auch nicht so verhalte, kam es schon oft vor, dass ich übersehen wurde. Machtpositionen können immer böswillig ausgenutzt werden. Da Männer nun mal, rein körperlich gesehen, das 'stärkere Geschlecht' sind und in vielen Positionen, die ein Machtgefälle begünstigen, viel häufiger anzutreffen sind als Frauen, kann eine Machtausübung schlimmen psychischen und körperlichen Schaden anrichten. Wobei sich das bei Frauen in Machtpositionen ebenso nicht ausschließen lässt. Star-Allüren oder eher divenhaftes Verhalten auf und hinter der Bühne kommt öfters vor. So können sich Künstlerinnen und Künstler für ihr 'Können samt Performance' ein bisschen bauchpinseln lassen. Randale hinter der Bühne habe ich noch nicht mitbekommen. Natürlich kann es mal zu Streitereien zwischen Band und Veranstalter kommen, das hatte aber meiner Meinung nach nie etwas mit Machtdemonstration zu tun. Nicht umsonst sagt man im Musikgeschäft 'Sex, Drugs und Rock'n Roll'."
Marco Heinickel (35), Vorsitzender des Trägervereins vom Stattbahnhof: "Ich finde es tragisch, wenn Bands auf der Bühne Wasser predigen und hinterher Wein trinken."
"Früher war ich oft mit Bands als Crewmitglied auf Tour unterwegs. Heute betreue ich viele der Gruppen, die bei uns im Stattbahnhof spielen und helfe Konzerte durchzuführen. Viele der Künstler, mit denen ich unterwegs war, haben sich glücklicherweise immer verantwortungsbewusst verhalten und ihre Positionen nicht ausgenutzt. Dennoch gibt es heute immer noch einige, die glauben, sie könnten tun und lassen, was sie wollen. Ich finde es tragisch, wenn Bands auf der Bühne Wasser predigen und hinterher Wein trinken. Oft kritisieren Künstler in ihren Texten eben jenes Verhalten und prangern Leute an, die andere ausnutzen oder falsch behandeln. Im Stattbahnhof pflegen die meisten Bands ein freundschaftliches Verhältnis zum Haus und tanzen selten aus der Reihe. Wenn jemand nachweisbar großen Mist baut und das nicht wiedergutmacht, muss die Person damit rechnen, dass ich für mich persönlich Konsequenzen ziehe und die Band nicht mehr unterstütze. Menschlichkeit und Vertrauen werden gerade heutzutage immer wichtiger. Wenn ich eine Band betreue, mit deren Musik ich vorher eigentlich nichts am Hut hatte, die Chemie aber zwischen uns stimmt, höre ich mir diese Musik sogar lieber an, weil ich weiß, wer dahinter steckt."
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Mit freundlichen Grüßen
Marcel Dinkel
Aus dem Silvana....
Es heißt aus dem Silvana...
Das Silvana ein Bad in Schweinfurt.