Es groovt sich ein. OmakanjUola Olesgun Destiny und UgoNa Eze (beide aus Nigeria) geben am Schlagzeug und am Bass den Rhythmus vor. Tschakbummtschak bummtschak – könnte ein Reggae werden. Atta Francois Sahi (Elfenbeinküste) und Stanley David (Nigeria), steigen mit E-Piano und Keyboard ein, liefern den flirrenden Klangteppich, auf dem sich Jean-Baptiste Sigui und Moussa Kone (beide Elfenbeinküste) auf ihren Gitarren einen Weg in den Song suchen.
Sound und Song sind natürlich noch ausbaufähig, schließlich ist es erst die dritte gemeinsame Probe, aber um die musikalische Qualität geht es bei diesem Projekt auch nicht in erster Linie. Das nennt sich "Rock the Nations" und soll jungen Flüchtlingen, die derzeit in der Anker-Einrichtung bei Geldersheim (Landkreis Schweinfurt) auf Perspektiven für ein Leben in Deutschland hoffen, eine sinnvolle und vor allem gemeinsame Beschäftigung bieten.
"Das Leben in der Anker-Einrichtung ist schwierig und hat nicht besonders viele Aktivitäten zu bieten", weiß Miriam Christof. Die Stabsstellenleiterin Marketing der Kongregation der Schwestern des Erlösers (Würzburg) ist dort auch zuständig für Fundraising, also die Beschaffung von Spendengeldern für gemeinwohlorientierte Organisationen. Die Kongregation, die auch schon das psychosoziale Gesprächsangebots-Projekt "Soul Talk" und die medizinische Versorgung im Ankerzentrum betreibt, hat gemeinsam mit Rebecca Göb von der Diakonie und ehrenamtlich aktiven Musikern das Bandprojekt aus der Taufe gehoben. Eine staatliche Unterstützung gibt es nicht.
Gemeinsam am musikalischen Fundament basteln
Dafür kommt Hilfe von anderer Seite. Die Caritasstiftung unterstützt das Projekt finanziell. Eine erste Bühne bekam die junge Formation beim BandCamp, veranstaltet von der bayerischen Musikakademie in Hammelburg. Und sie hat es dort "so richtig krachen lassen", versichern jene, die dabei waren. Zum Beispiel Levi und Daniel, die bei der Schweinfurter Metal-Band "Krwth" (dieser Name bezeichnet ein walisisches Saiteninstrument) spielten und nun ihr musikalisches Tun mit sozialem Engagement aufstocken.
Der Weg bis zur ersten Probe war nicht einfach. Zwar ist das Ankerzentrum groß, einen geeigneten Proberaum zu finden war dennoch schwierig. Das Schweinfurter Musikhaus Kreuzinger und der Instrumentenhandel Thomann spendierten Instrumente. Befreundete Musiker und Bands stellten darüber hinaus Instrumente und Equipment, das von ihnen nicht mehr benötigt wurde, zur Verfügung. Auch der solidarische Musikschulverein WIMU e.V. (Willkommen mit Musik Würzburg) sitzt in Person von Jonas Hermes mit im musikalischen Boot.
Die Idee hinter "Rock the Nations" ist aber um einiges größer als nur gemeinsam Musik zu machen, erklärt Miriam Christof. Musik funktioniere als gemeinsame Sprache, bringe bei diesem Projekt Menschen unterschiedlicher Herkunft und verschiedener Religionen zusammen. Gemeinschaft erleben, ein gemeinsames Projekt zu verfolgen, sei auch ein guter Weg, mit der Angst vor Abschiebung und vor oder auf der Flucht erlittenen traumatischen Erlebnissen umzugehen.
Die Lebensumstände der jungen Menschen (die Jungs in der Band sind zwischen 22 und 28, gelegentlich mischt auch eine junge Frau mit) seien nicht einfach. Gemeinschaft stiftende Aktivitäten in der Anker-Einrichtung seien dünn gesät, jedoch sind weitere Aktionen wie gemeinsames Kochen, eine Fahrradwerkstatt auf dem Anker-Gelände, oder Ausflüge mit den Musikern für die kommende Zeit fest von „Rock the Nations“ geplant und teilweise bereits angelaufen, so Daniel und Levi, die das Projekt am 1. Januar 2020 initiiert haben. Dazu kamen Wochen coronabedingter Schließung der Einrichtung, in der auch die Musik durch die Quarantäne half.
An die Musik als universelle und verbindende Sprache glauben auch die jungen Männer, die überzeugt sind, dass gemeinsam mit den sie betreuenden Musikern hier gerade Freundschaften entstehen, so etwas wie eine "Bandfamilie" heranwächst. "Es geht nicht nur um die Musik", ergänzt Levi. So werden zum Beispiel auch Instrumente und musikalisches Equipment repariert, was in der Art eines "Repair Cafés" den Nachhaltigkeitsgedanken stärke. Außerdem können die jungen Männer ihre Instrumente mit in ihre Unterkünfte nehmen, um dort weiter zu üben.
"Die nehmen das schon sehr ernst und wollen vorwärts kommen", so der erste Eindruck der das Projekt begleitenden Musiker. UgonNa Eze zum Beispiel hat sich zu Hause in Nigeria schon immer gewünscht, den Bass zu zupfen, doch es hat nie für ein Instrument gereicht. Mit umso mehr Hingabe schafft er sich nun die Lines auf seinem roten Elektrobass drauf.
Und wie soll es mal klingen, wenn aus den Proben Songs werden? "Afro Beat, World Music und wichtig ist, dass die Melodie im Ohr hängen bleibt", könnte die Richtung sein, meinen die jungen Musiker zuversichtlich. Eigentlich klar, wenn ein Projekt "Rock the Nations" heißt.