
Dieses Erlebnis dürften fast 180 Schülerinnen und Schüler der Ludwig-Derleth-Realschule in Gerolzhofen so schnell nicht vergessen. Statt in ihren Klassenzimmern zu sitzen, nahmen sie in einer Rakete Platz, die vor der Schule stand, abflugbereit für einen Abstecher ins Weltall. Klingt nach Science Fiction? Ist es auch. Gleichzeitig aber auch wieder nicht.
Hinter dem außergewöhnlichen außerschulischen Unterricht steckt ein Besuch von Spacebuzz One. Dabei handelt es sich um eine 14 Meter lange Rakete. Diese liegt auf einem Trailer verstaut, den ein Truck zieht. In der Rakete befinden sich neun Sitzplätze. Ausgerüstet mit VR-Brillen (Virtual Reality) lässt sich so ein 15-minütiger Weltraum-Trip erleben.

Der Flug, den die jungen Menschen in Spacebuzz One erleben ist weit mehr als das Abspulen eines Kinofilms. Er ist Nervenkitzel und Erlebnisunterricht in einem. Das beginnt mit den Sitzen, die sich automatisch drehen, und es liegt vor allem an den VR-Brillen, die jeder vor den Augen trägt. Diese versetzen einen mitten hinein in eine virtuelle Realität. Die Schülerinnen und Schüler nehmen quasi Platz an Bord eines Raumfahrzeugs, das einer echten Rakete der europäischen Weltraumorganisation Esa nachempfunden ist.
30-mal schneller als ein Passagierflugzeug
Mit im Cockpit sitzen die deutschen Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer. Sie leiten die Mission des Raumfahrzeugs, das mit einer Geschwindigkeit von 16.000 Stundenkilometern – 30-mal schneller als ein Passagierflugzeug – von der Erde abhebt und dann mit unglaublichen 28.000 Stundenkilometern in Tausenden Kilometern Höhe in einer Umlaufbahn um den Planeten Erde saust.
"Unser ,Raumschiff Erde‘ ist ein erstaunlicher, einzigartiger und gleichzeitig winziger Teil des gesamten Universums", schreibt die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), für die Spacebuzz One durch Deutschland tourt. Und tatsächlich wird aus so großer Höhe erst sichtbar, weshalb die Erde auch "blauer Planet" genannt wird. Über 70 Prozent der Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt. Erst der Blick von einem Raumschiff aus hinab auf die Erde führt einem dies so deutlich vor Augen.

Der Blick aus der Ferne zeigt aber auch weit weniger Faszinierendes: Mit bloßem Auge können Weltraumfahrer den Umfang erkennen, in dem tropischer Regenwald abgeholzt wird. Pro Minute verschwindet eine Fläche von 30 Fußballfeldern. Auch der Schwund des Grönlandeises ist vom Weltraum aus wahrnehmbar. 277 Gigatonnen, die aufgrund des sich erwärmenden Erdklimas jedes Jahr wegtauen und die Meeresspiegel ansteigen lassen, hinterlassen sichtbare Spuren im gar nicht mehr so ewigen Eis.
Der Weltraumausflug endet mit einem Appell
Diese Lektion in Sachen Umweltbildung ist ein wichtiger Bestandteil des Konzepts von Spacebuzz One. Deshalb macht die Rakete, die seit August 2024 in Deutschland unterwegs ist, bevorzugt Halt an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, erklären Dennis Hamann und Jules Christopher, die als "Mission Specialists" die Mädchen und Jungen auf ihrem virtuellen Weltraum-Ausflug begleiten. Sie machen den Weltraum-Gästen klar: "Es gibt für uns neben der Erde keinen vergleichbaren bekannten Platz zum Leben." Also schützt den Planeten, lautet ihr Appell.
Vorbild für Spacebuzz One der Deutschen Raumfahrtagentur sind drei solcher Raketen, die in den Niederlanden in gleicher Mission unterwegs sind. Die erste davon schon seit dem Jahr 2019.

Dass der viertelstündige Flug mit Spacebuzz One Eindruck hinterlassen hat, zeigen die Reaktionen der Fünftklässler unmittelbar nach ihrer Rückkehr ins Hier und Jetzt. "Mir hat der Blick von oben auf die Erde sehr gut gefallen", sagt Lea Schmitt aus Sulzheim. Andre Pfeuffer und Julius Rauh, beide aus Gerolzhofen, haben besonders die Blitze von Gewittern weit unter dem Raumfahrzeug gefallen sowie die bunten Polarlichter.
Funkenregen und eine besondere Perspektive
Nicht nur die ganz Jungen sind begeistert. Auch drei Schülerinnen der zehnten Jahrgangsstufe sind nach ihrem Flug begeistert. Franziska Herbig aus Gerolzhofen hat sich gemerkt, dass der Mond keine Atmosphäre hat. Ida Fuchs aus Vögnitz beeindruckte die Hitze, der das Raumfahrzeug, eingehüllt in einen Funkenregen, beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ausgesetzt ist. Und Laurena Stern aus Donnersdorf hat die völlig ungewohnte Perspektive auf die Erde fasziniert.
Begeistert ist auch Schulleiterin Elisabeth Grimanelis. "Das ist ein Glücksfall für die Schule", beschreibt sie den Besuch von Spacebuzz One. Der Fachbetreuer für Geografie, Philipp Schwaab, habe sich mehrmals für einen Besuch der Rakete, der die Schulen nichts kostet, beworben. Dieses Mal hat's geklappt. "Das wird wohl der einzige Weltraumflug hier an dieser Schule bleiben", glaubt Grimanelis und ist überzeugt: "So eine Freude erleben die Schüler in 20 Geografie-Stunden nicht."