
Wieder einmal wird vor dem Landgericht Schweinfurt keine Anklage verlesen, sondern eine "Antragsschrift". Das ist stets so, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Mensch erhebliche Straftaten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben soll und deshalb nicht bestraft werden kann. Dann droht im Falle einer Verurteilung nicht das Gefängnis, sondern eine grundsätzlich unbefristete Unterbringung in der Forensischen Psychiatrie. Zum Schutz der Allgemeinheit.
Der 28-Jährige, der diesmal in Hand- und Fußfesseln vorgeführt wird, befindet sich seit über sechs Jahren in der Forensik eines unterfränkischen Bezirkskrankenhauses. Dort soll er Ende September 2022 zur Mittagszeit das Stützpunkt-Zimmer des Pflegepersonals im zweiten Stock aufgesucht haben, weil er "irgendwas wollte", erzählt der 62-jährige Pfleger, der dem Angeklagten damals die Tür öffnete, vor Gericht.
Sofort habe der kräftig gebaute Patient ihn mit einer Kleiderschrankstange, die er hinter seinem Rücken versteckt habe, geschlagen. Mit der Hand habe der 62-Jährige dies abwehren können, dabei aber eine Verletzung erlitten, die mit sieben Stichen genäht werden musste.
Angeklagter soll Schränke zerstört, Akten angezündet haben
Laut Staatsanwalt hat der Beschuldigte dann weitere Pfleger im Stützpunkt-Zimmer mit der Metallstange bedroht und laut gefordert, ihn herauszulassen. Versuche, ihn zu beruhigen, seien gescheitert. Auch mit Schilden bewaffnete Pflegekräfte hätten es nicht geschafft, ihn aus dem Raum zu drängen.
Alle hätten das Zimmer dann Richtung Station verlassen und ihn eingeschlossen. Anschließend soll der 28-Jährige die Medikamentenschränke der über eine Treppe verbundenen Stützpunkte im zweiten und ersten Stock entleert, Papiere und Akten angezündet, sowie zwei Stühle mittels Desinfektionsmittel in Brand gesetzt haben.
Und damit nicht genug: Der Mann soll Schränke umgeworfen, weiteres Mobiliar zerstört, Kabel aus Elektrogeräten gerissen und Monitore umgeworfen haben. Der Schaden wird auf 20.000 Euro geschätzt. Und Duftöl habe er geschluckt, möglicherweise um sich umzubringen, so die Anklage.
Der Angeklagte fühlt sich falsch behandelt
Sieben Pflegekräfte schilderten als Zeugen das Ausrasten des Angeklagten an diesem Mittag, einige auch ihre Ängste, als sie sich stundenlang im Nebenzimmer verbarrikadierten, bis ein größeres Aufgebot an Polizei und Spezialkräften den 28-Jährigen überwältigt hatte. Der Angeklagte räumt vor Gericht die Tat ein – auch über seinen Verteidiger. Sein Mandant sei in der Unterbringung nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch, so der Anwalt: "Er fühlt sich dort falsch behandelt, im Stich gelassen, er wollte raus und dass er dort Menschen verletzt und Sachen beschädigt hat, dafür entschuldigt er sich."
Kurz vorher befand sich der Angeklagte im sogenannten Kriseninterventionszimmer. Da habe er Angst vor Käfern und Insekten gehabt, die er in seiner Vorstellung an den Wänden gesehen habe. Nach diesen habe er mit den Händen geschlagen. Außerdem sei die Zwangsmedikation angestanden, die habe er unbedingt vermeiden wollen, "weil dann alles vor den Augen flimmert". Er habe einfach weggewollt und deshalb auch Desinfektionsmittel getrunken – das laut Antragsschrift allerdings Duftöl gewesen war. "Sie haben schon eine Schneise der Verwüstung hinterlassen", sagte die Vorsitzende Richterin zum Angeklagten.
Das Verfahren wird am 10. Februar fortgesetzt.
Aufgrund welcher Straftaten befindet sich der Mann seit sechs Jahren (!) in der Forensik?
Darf man das erfahren....??
Dies scheint insbesondere wichtig im Zusammenhang mit der Tat von Aschaffenburg, bei der immer noch über die Schutzbehauptung hinweggegangen wird, dass mehrere in psychischer Ausnahmesituation begangene Körperverletzungen und zweifacher Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte "kein Anlass" für eine Unterbringung und Überprüfung der Gefährlichkeit in der Forensik waren!
Hat der im obigen Bericht genannte Mann in diesen sechs Jahren (!) irgendwelche Lockerungsstufen erfahren oder war er komplett eingesperrt, d.h. auf die Räumlichkeiten der Station begrenzt?