
Zunächst sieht sich der Angeklagte nicht in der Lage, sich an diesem Donnerstagmorgen vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Schweinfurt zu den Vorwürfen zu äußern. Dann gibt sein Verteidiger für ihn eine Erklärung ab und trägt vor, was sich aus Sicht des 40-Jährigen in der Nacht auf den 30. April 2024 zunächst in einer Wohnung, dann in einem Kellerraum in der Lange Zehntstraße abgespielt haben soll. Dort hatten zwei Männer fast drei Monate später die Leiche eines 45-Jährigen gefunden.
Der Angeklagte gibt an: Es gab an jenem Abend ein Trinkgelage in der Wohnung eines Freundes, der im Krankenhaus im Koma liegt. Man hörte Musik, die Lieblingslieder dieses Freundes, Deep Purple. Der 45-Jährige äußerte immer wieder, dass er nicht mehr leben möchte, er bei seinem hirntoten Freund sein wolle. Es fiel der Begriff "Valhalla" aus der nordischen Mythologie. Dort, so hatte es der 45-Jährige gesagt, könne man nur eintreten, wenn "einem ein ehrenvoller Tod durch einen anderen zukomme". Und diesen Tod, den sollte ihm der 40-Jährige bringen.
Angeklagter will Angst vor Reaktion auf Absage gehabt haben
Zuerst sei er davon ausgegangen, der 45-Jährige wolle ihn auf den Arm nehmen, gibt der Angeklagte zum Prozessauftakt über seinen Verteidiger an. Doch im Laufe der Nacht habe der 45-Jährige den Wunsch immer wieder geäußert, sei immer ernster geworden. Er habe sich an eine Situation erinnert, bei der der 45-Jährige mit einer Machete unterwegs gewesen sei, beschreibt der Angeklagte. Er habe Angst vor der Reaktion auf ein Nein gehabt. Auf Aufforderung des 45-Jährigen habe er sich ein großes Messer genommen, gemeinsam seien sie dann in den Kellerraum in der Lange Zehntstraße gegangen.

Stundenlang beantwortet der 40-Jährige, der vor seiner Inhaftierung wohnungslos gewesen war, im Anschluss an seine Erklärung die Fragen der Prozessbeteiligten und liefert weitere Details: Er habe noch gehofft, dass der Kellerraum abgeschlossen sei, um so vielleicht der Situation entkommen zu können. Im Keller habe man noch gemeinsam "ein letztes Bier" getrunken. Dann habe er den Mann mit dem Messer getötet.
Staatsanwalt: Angeklagter wollte sich für Bezeichnung "Pussy" rächen
In der Anklageschrift steht nichts von der Vorgeschichte in der Wohnung. Dort ist die Rede von einem Streit im Keller. Der 45-Jährige habe den Angeklagten als "Pussy" bezeichnet und dieser habe sich dafür rächen wollen. Mit einem Messer habe der Angeklagte dem 45-Jährigen "unvermittelt und mit großer Wucht" in die Brust gestochen. Dieser sei durch den Angriff überrascht worden und habe keine Möglichkeit gehabt, sich zu wehren. Für die Staatsanwaltschaft ist das Mord aus Heimtücke.
Die Bezeichnung "Pussy" habe er nicht als Beleidigung gesehen, sagt der Angeklagte am Donnerstag. Das sei für ihn eher ein Ansporn, eine Bestätigung gewesen. "Als er das Wort gesagt hat und ich die Ernsthaftigkeit in seinem Blick gesehen habe, habe ich ohne Wut und ohne Emotionen zugestochen." Er habe unter starkem Alkoholeinfluss gestanden. Er sagt: "Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Gedanken, mein Hirn hat nicht reagiert, mein Körper hat von alleine gehandelt."
45-Jähriger hatte wohl Depressionen und einen Suizidversuch hinter sich
Von einem Interesse für die nordische Mythologie wissen sowohl eine Freundin des Getöteten als auch dessen Halbschwester nichts. Was dessen Alkoholkonsum angeht, geben sie am Donnerstag im Zeugenstand an: Ja, er habe regelmäßig Alkohol getrunken, auch psychische Probleme gehabt. Eine Psychiaterin sagt vor Gericht, der Getötete habe Depressionen und eine Angststörung gehabt, auch einen Suizidversuch habe er hinter sich. Suizid sei bei seiner letzten Therapie-Sitzung im März 2024 jedoch kein Thema gewesen.
Ein Immobilienverwalter und ein Techniker hatten im Juli 2024 die Leiche des Mannes in dem Kellerraum gefunden. Nachdem es Beschwerden wegen Geruchsbelästigung gegeben habe, seien sie auf der Suche nach der Quelle gewesen, schildert der Immobilienverwalter vor Gericht. Irgendwann sei der Techniker in den Kellerraum gegangen. "Wir brauchen die Polizei", habe er gesagt. "In dem Moment war mir klar, was er gefunden haben muss."
Die Halbschwester des 45-Jährigen hatte ihn Ende Mai 2024 als vermisst gemeldet, nachdem er nicht auf Nachrichten und Anrufe reagiert hatte. Erst später hatten die Ermittler gemerkt, dass bereits am Morgen nach der Tat eine Vermisstenmeldung eingegangen war: vom Angeklagten. Er war nach der Tat – wie er selbst jetzt auch vor Gericht sagt – zur Polizei gegangen.
Dort habe er angegeben, dass der 45-Jährige nach einem Trinkgelage mit den Worten "Ich habe keine Lust mehr" aus einer Wohnung gegangen sei, sagt ein Beamter am ersten Verhandlungstag. Der Polizei sei das Verhalten des obdachlosen Mannes suspekt vorgekommen, sagt ein anderer. "In dieser Szene meldet keiner einen anderen vermisst."
Das Verfahren wird am 14. April fortgesetzt.