Die Personenidentifizierung sei misslungen, die Gefahr für ein Fehlurteil hoch. So lautet das Fazit der Verteidiger eines 35-jährigen Angeklagten zu Beginn des vierten Verhandlungstages am Landgericht Schweinfurt. Es geht um eine vermeintliche Massenschlägerei, die sich am 19. Februar 2023 nach dem Faschingszug in Hammelburg zugetragen haben soll.
Nachdem das Verfahren gegen zwei Männer abgetrennt wurde, stehen nur noch drei von ursprünglich fünf Angeklagten vor der Richterin. Auch geht es nicht mehr um versuchten Totschlag, sondern um gefährliche Körperverletzung. Den Männern wird vorgeworfen, mehrere Personen, darunter Sicherheits- und Polizeibeamte, geschlagen, getreten und bedroht zu haben.
Es gebe noch immer Unklarheiten bezüglich des Tatgeschehens, so die Verteidigung. Deshalb beginnt der Tag mit der Frage, ob sich das Gericht eine Verständigung vorstellen könnte, um den Prozess abzukürzen.
Urteile im Prozess sollen am 21. März fallen
Der Deal, den der Anwalt vorschlägt: Ein 35-Jähriger gestehe die Tritte auf einen Sicherheitsbeamten, die Freiheitsstrafe bewege sich dafür zwischen 18 und 24 Monaten, ausgesetzt auf Bewährung. Zudem sei sein Mandant bereit, Schmerzensgeld zwischen 1000 und 1500 Euro zu zahlen. Als auch die Kammer signalisiert, den Vorschlag zu akzeptieren, sofern keine neuen Beweise auftauchen, gesteht der Angeklagte einen Sicherheitsbeamten "unflätig zurechtgewiesen" und als "Hurensohn" bezeichnet zu haben.
Danach sei alles schnell gegangen: Es hätte Schläge gegeben, der Geschädigte sei zu Boden gegangen. Der Angeklagte hätte sich zurückgehalten, sich dann aber verleiten lassen, ebenfalls zwei Tritte – auf Hüft- und Brusthöhe – abzugeben. Dann sei er mit dem Sicherheitsbeamten in einen Zaun gefallen, so schildert es sein Verteidiger. Der Angeklagte bedaure den Vorfall, doch zur Rolle der angeklagten Brüder möchte er sich nicht äußern. Trotz Geständnis sollen die Urteile am 21. März fallen.
Kombination aus Drogen und Alkohol hätte zu aggressivem Verhalten geführt
Die angeklagten Brüder schweigen auch am vierten Prozesstag zu den Vorwürfen, während die Jugendgerichtshilfe Einblicke in die familiären Verhältnisse gibt. Beide sollen im Elternhaus häusliche Gewalt erlebt haben, ein "positives Vaterbild" hätte gefehlt. Zudem sei bei ihnen im Kindesalter eine Krankheit diagnostiziert worden, die Medikamente dafür hätten beide im Jugendalter abgesetzt.
Danach hätten sie Drogen und Betäubungsmittel in deutlichen Mengen konsumiert, so die Zeugin. In der Vergangenheit sind sie mehrfach wegen unerlaubten Drogenbesitzes und im Falle eines Bruders sogar wegen Betäubungsmittelhandels aufgefallen, das geht aus dem Bundeszentralregister hervor. In Kombination mit Alkohol hätte der Drogenkonsum zu "aggressivem Verhalten" geführt, sagt die Jugendgerichtshelferin.
Jugendgerichtshilfe bescheinigt zwei Angeklagten eine "deutliche Reifeverzögerung"
Familiäre Tiefschläge hätten einen der Brüder "belastet, sein Verhalten ging bergab", so die Zeugin weiter. Bei beiden Angeklagten liege ein "hoher Förderbedarf" und eine "deutliche Reifeverzögerung" vor, weshalb die Jugendgerichtshelferin die Anwendung von Jugendstrafrecht empfiehlt.
Die Sozialprognose fällt positiv aus: Beide Brüder würden die Suchtberatung besuchen und könnten einen Arbeitsplatz vorweisen. Vor allem ein Aufenthalt in U-Haft sei für einen der beiden Brüder ein "einschneidendes Erlebnis" gewesen, so die Zeugin. Sie betont: "Seit März 2021 gibt es keine Straftaten mehr, er setzt sich mit seinem Verhalten auseinander."
Als zuverlässig charakterisiert auch die Bewährungshelferin den 21-Jährigen. "Er distanziert sich glaubhaft vom Konsum", sagt die Zeugin. Drogentests, die im Februar und April durchgeführt wurden, seien negativ gewesen.