
Vor fast genau einem Jahr wird in der Wohnung eines heute 24-Jährigen in einer Kleinstadt im Landkreis Bad Kissingen kräftig gebechert. "Saufspiele" veranstalten der 24-jährige Wohnungsinhaber, sein 20-jähriger Kumpel und eine junge Frau, die mit letzterem schon in dieselbe Schulklasse ging. "Klopfer, Whisky und Asbach" fließen, es sind bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Gegen 2 Uhr landen die drei dann in einem Bett, die junge Frau zwischen beiden Männern.
Nachdem sie eingeschlafen ist, entkleidet der Jüngere seine frühere Schulkameradin komplett, filmt sie von oben bis unten mit dem Handy und führt– aufgefordert von dem 24-Jährigen durch eine eindeutige Handbewegung – sexuelle Handlungen an ihr durch. Etwas später, als sich die Schlafende auf den Rücken dreht, soll er sie vergewaltigt haben. Dadurch wacht die junge Frau auf – und verlässt "fluchtartig" die Wohnung, wie es in der vor dem Jugendschöffengericht verlesenen Anklageschrift heißt.
Angeklagter: "Ich dachte, sie ist wach"
Zu verantworten hat sich der heute 21-jährige Kfz-Mechatroniker aus Bad Kissingen wegen Vergewaltigung, sein 24-jähriger derzeit arbeitsloser Kumpel wegen Anstiftung dazu. Die Handbewegung und sein Grinsen, so der Vorsitzende Richter – ebenfalls im Handyvideo festgehalten – sei klar als Aufforderung zu verstehen. Den Geschlechtsakt selbst und die vorherige sexuelle Handlung an der Schlafenden räumt der 21-Jährige ein, auch wenn er jetzt sagt: "Ich dachte, sie ist wach, sie will das." Bei der polizeilichen Vernehmung, hält ihm der Anwalt der Nebenklägerin vor, habe er sie für schlafend gehalten. Bis heute habe der Angeklagte keine Anstalten zur Wiedergutmachung gemacht.
Was sich der 21-Jährige dabei gedacht hat? Sein falsches Tun sei ihm "erst klar geworden, als sie weggegangen ist", sagt der Mechatroniker. Weil die Beweislage dank Geständnissen und Video weitgehend klar ist, muss die Geschädigte nicht als Zeugin gehört werden.
Staatsanwaltschaft sieht Anklage bestätigt
"Kleine Geste – große Wirkung", sagt der Staatsanwalt und meint damit die Handbewegung des 24-Jährigen, die den Jüngeren zu den sexuellen Handlungen ermuntert hätten. Er sieht die Anklage bestätigt. Für den erheblich vorbestraften 24-Jährigen fordert er zwei Jahre und drei Monate Haft wegen Anstiftung zur Vergewaltigung. Für den Jüngeren, den eigentlichen Täter, plädiert er nach Erwachsenenstrafrecht auf eine Haftstrafe von drei Jahren wegen Vergewaltigung.
Eine klassische Vergewaltigung habe es hier nicht gegeben, sagt der Anwalt des Mechatronikers. Er plädiert für sechs Monate Jugendstrafe und – falls Erwachsenenstrafrecht angewendet wird – für zwei Jahre auf Bewährung. Die Verteidigerin des 24-Jährigen sieht in dessen Geste mit der Hand keine Aufforderung zu sexuellen Handlungen und bittet angesichts der acht Vorstrafen ihres Mandanten (darunter Volksverhetzung, Widerstand, Körperverletzung, uneidliche Falschauassage, Führen einer Schusswaffe) "letztmalig" um eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe.
Dem folgt das Gericht nicht. Zweieinhalb Jahre kassiert der 21-Jährige für die Vergewaltigung der Schlafenden – nach Erwachsenenstrafrecht. Für Reiferückstände gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Zu zwei Jahren Haft wird der 24-Jährige für die Anstiftung dazu verurteilt. Im gleichen Jahr hatte er schon zwei Haftstrafen kassiert, da komme eine Bewährung nicht mehr in Betracht, so der Vorsitzende. Gegen das Urteil kann Berufung oder Revision eingelegt werden.