Das mit dem Durchblick ist gar nicht so leicht, für künftige Mediziner. Auf dem Bildschirm des Sonographie-Kurses ist erstmal nur graues Wabern zu sehen. Oberarzt Dr. Matthias Wulf erklärt in der Kreisklinik "Geomed" zwei Studentinnen aus Regensburg, was da bei der Ultraschalluntersuchung flackert: Herz, Leber, Blase.
"Hausarzt im Grünen" nannte sich das zehntägige Reinschnuppern in die Region, für sieben Studenten und Studentinnen aus Würzburg und Schweinfurt, aber auch aus Regensburg, Heidelberg, Magdeburg und von anderen auswärtigen Unis. Eine angehende Ärztin, die in der ersten Woche dabei war, stammt aus Palästina.
Es ging um ein Reanimationstraining im Schweinfurter "Leopoldina", die ärztliche Betreuung von Flüchtlingen (im Josefskrankenhaus), um Seniorenbetreuung im Altenheim (beim MVZ Mainfranken), um Diagnose und Therapie im Grafenrheinfelder Hausarztzentrum Dr. Schott, um einen Nahtkurs in der Oberlandpraxis, um Orthopädie im Krankenhaus Schloss Werneck und ähnliches mehr. Aber auch Kochen, Bowling und einer Stadtführung wurden geboten. Das "Schweinfurter Praktikum Plus" soll Imagewerbung für ein Leben als Allgemeinmediziner im schönen Mainfranken sein.
Die hausärztliche Versorgung ist regional am Schwächeln.
Bei Organisatorin Anja Lehmeyer, Geschäftsstellenleiterin der "Gesundheitsregion Plus", wird seit 2019 ein besonderer Patient durchleuchtet: Die hausärztliche Versorgung ist regional am Schwächeln. Die Netzwerkerin und gelernte Gesundheitsmanagerin sieht sich im Landratsamt sowohl für die Stadt als auch den Landkreis zuständig.
Vor kurzem flatterte der Maßnahmen-Koordinatorin eine Mail des Landessausschusses der Ärzte und Krankenkassen Bayern ins Haus, mit den aktuellen Zahlen. Der Versorgungsgrad im nördlichen Kreis liegt derzeit bei gut 75 Prozent. "Anhalt auf Unterversorgung" lautet die Diagnose. 75 Prozent ist die Grenze im Hausarztbereich. Im Bereich Gerolzhofen haben die Experten einen Versorgungsgrad von fast 88 Prozent errechnet. Damit ist der Süden regelversorgt, hat aber schon eine Tendenz zur drohenden Unterversorgung. Schweinfurt-Süd darf mit 103,8 Prozent zufrieden sein, Schweinfurt-Stadt gilt mit 111,31 Prozent offiziell sogar als überversorgt.
"Wenn sich nichts ändert, wird die Region Schweinfurt unterversorgt", ist Lehmeyer überzeugt und verweist auf die Altersstrukturen der etablierten Landärzte. Es wird bereits gegengesteuert. Der Trend geht zum gemeinsam betriebenen Ärztehaus, zu Erleichterungen bei der Zulassung, Landarztprämien oder Förderprogrammen, wie BeLa: Im Rahmen der "Besten Landpartie" gibt es 600 Euro zusätzliche Förderung für Medizinstudenten, die das Wagnis einer eigenen Praxis eingehen wollen.
"Beim Thema Arztnachfolge, da bekommen sie schon Angst", hat Lehmeyer bei der Zielgruppe festgestellt, angesichts hohen Arbeits- und Verwaltungsaufwands. Es gebe bereits Eigeninitiative bei den Kommunen, etwa in Niederwerrn, wo einer neuen Ärztin ein komplettes Gebäude zur Verfügung gestellt worden ist.
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) berät alarmierte Gemeinden mit einem eigenen Kommunalbüro. "Studierendenwochen", wie sie nun zum zweiten Mal in und um Schweinfurt stattfinden, dienen weniger der Rekrutierung als der längerfristigen "Mundpropaganda". Gemeinsame Aktionen, mit Freizeitteil, sollen dem konkreten Austausch dienen.
Hie und da gibt es bereits Interesse an einer Ansiedlung
Vize-Landrat Thomas Vizl und Chefarzt Dr. Alexander Kraus begrüßen die Gäste am letzten Tag ihrer Rundtour. Die künftigen Mediziner befinden sich derzeit im Praktikum oder im Praktischen Jahr und testen den Alltag örtlicher Landarztpraxen. Hie und da gibt es bereits Interesse an einer Ansiedlung: "Im letzten Jahr hat eine Suhlerin angekündigt, dass sie in unsere Gegend ziehen möchte", berichtet Lehmeyer. Aktuell hat eine junge Teilnehmerin aus Schweinfurter Interesse, auch eine externe Anfrage aus Forst stimmt optimistisch.
Dr. Manfred Klein ist als früherer Chefarzt ein Mediziner alter Schule, für den Ethik und Kollegialität wichtiger sind als Ökonomie. Er lässt es sich nicht nehmen, beim Kurs auf den "Eid des Hippokrates" hinzuweisen. "In welches Haus immer ich eintrete, eintreten werde ich zum Nutzen des Kranken", ließ der berühmte griechische Arzt seine Nachfolger schwören, der seine Hausbesuche lange Jahre auf der abgeschiedenen, aber idyllischen Insel Kos getätigt hat.