Es sieht nach derzeitigem Kenntnisstand nicht so aus, als hätte der Pro-Bahn-Antrag einer achtköpfigen Stadtratsgruppe mit Bürgermeister Thorsten Wozniak als Unterstützer am Montag im Stadtrat eine große Chance, eine Mehrheit hinter sich zu vereinigen. Eine Überraschung ist aber nicht ausgeschlossen, weil bei einigen Ratsmitgliedern noch nicht klar ist, ob sie die Hand für oder gegen die Reaktivierung der Bahnlinie Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen heben werden.
„Wir werden den öffentlichen Personennahverkehr deutlich stärken und Zugangshemmnisse zum öffentlichen Verkehr abbauen.“ Und: „Stillgelegte Eisenbahnstrecken wollen wir dort reaktivieren, wo es sinnvoll und möglich ist.“ So steht es im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern, den beide Regierungsparteien am 5. November 2018 unterzeichneten. Der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs soll ein Beitrag für das übergeordnete Ziel sein, möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land zu schaffen.
Hier gibt es die Gegenposition: Was spricht gegen die Reaktivierung der Bahnstrecke Schweinfurt - Gerolzhofen?
Während in anderen Gemeinden das Thema relativ schnell und ohne große Diskussionen zuungunsten der Bahn erledigt war, gibt es im Stadtrat von Gerolzhofen fundamentale Auseinandersetzungen zwischen zwei nahezu gleich starken Blöcken. Ausgerechnet die CSU mit Ausnahme des Bürgermeisters erweist sich dabei als der größte Bahngegner. Sie setzt weiter voll auf die Straße, wie die Pläne zu einer Nutzung des Bahngeländes nach einer potenziellen Entwidmung der Strecke zeigen.
Verkehrskollaps befürchtet
Eine Verkehrswende weg von der Straße hin zum Öffentlichen Personennahverkehr wird aber bei weitem nicht nur von den Grünen gefordert. Erst in diesen Tagen hat der Deutsche Städtetag die Befürchtung geäußert, es könnte bald zu einem Verkehrskollaps kommen und festgestellt, dass die Verkehrspolitik im Land nicht mehr zeitgemäß sei. Fahrverbote und Plaketten-Zwang in großen Städten tun ein Übriges. Das Auto als Schadstoff-Produzent wird zum immer größeren Problem.
Eine gewichtige Tatsache in der hiesigen Region ist es, dass ein großer Teil der Bevölkerung seit der Einstellung des Personenverkehrs von Gerolzhofen nach Schweinfurt Ende Mai 1987 vom Verkehrsmittel Bahn völlig entwöhnt ist. In vielen Köpfen existiert die Bahn als alternatives Fortbewegungsmittel gar nicht mehr. Und viele stellen sich vor, dass es bei einer Reaktivierung der Strecke so weitergeht, wie es damals aufgehört hat, also mit schlecht beheizten, rußigen und unbequemen Zuggarnituren.
Moderne Züge haben aber viel Komfort bis hin zur Steckdose, die die Nutzung digitaler Geräte möglich macht. Sie haben auch meist keine Loks mehr, sondern nur noch Führerstände. Dadurch ist es möglich, schnell die Fahrtrichtung zu ändern. So könnte ein aus Gerolzhofen kommender Zug rasch aus dem Schweinfurter Hauptbahnhof (ab 2028 übrigens IC-Bahnhof) weiter zu den Stationen Schweinfurt-Mitte und Schweinfurt-Stadt weiterfahren. So tut es bereits die Erfurter Bahn, die die Strecken nach Meiningen und Bad Kissingen bedient.
Die Frage der Wirtschaftlichkeit
Natürlich kosten auch der Bahnbetrieb und das Bahnfahren Geld. Das führt immer wieder zu der Behauptung, gerade solche kleine Strecken wie die Steigerwaldbahn seien unwirtschaftlich. Erstens gibt es dazu eine Potenzialanalyse von Dr. Konrad Schliephake, deren Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsforderung des bayerischen Wirtschaftsministeriums entspricht. Zweitens: Kaum ein Autofahrer macht eine ehrliche Rechnung auf, wie viel ihn sein fahrbarer Untersatz wirklich kostet und wie wirtschaftlich er ist. Bei den Kosten geht es ja nicht nur um den Kraftstoff. Steuern, Versicherung, Reparaturen, Parkgebühren und vor allem der Wertverlust summieren sich. Beispiel: Ein VW Golf 1.6 TDI kostet rund 6500 Euro im Jahr, wenn damit 20 000 Kilometer gefahren wird (Quelle: Verkehrsclub Deutschland).
Bahn schneller als der Bus
Mit Sicherheit schneller als die jetzt eingesetzten Linienbusse zwischen den Bahnhöfen Schweinfurt und Gerolzhofen würde der Zug sein. Der Bus braucht im Moment rund 40 Minuten, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von gerade mal 30 Stundenkilometern entspricht.
Auch bei der Sicherheit ist die Bahn ganz weit vorne. Nur das Flugzeug ist hier noch besser. Das Risiko, bei einer Autofahrt ums Leben zu kommen, ist 53 Mal höher als im Zug. Viel günstiger sieht es auch beim Bus aus. Hier ist eine Fahrt nur viermal riskanter als mit der Bahn. Hierbei wurde die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2005 und 2016 herangezogen (Quelle: Die Welt vom 13.Dezember 2017). Bus- und Bahnunfälle sind so selten, dass die Medien stets über sie berichten. Bei Autounfällen ist das in größeren Ballungsräumen längst nicht mehr der Fall.
Und auch volkswirtschaftlich ist das Auto nicht unbedingt der Bringer. Wie viel wertvolle Lebenszeit geht verloren mit nichts anderem, als am Lenkrad zu hängen. Im Zug dagegen kann man Reisezeit sinnvoll nutzen, kann arbeiten, Verhandlungen mit Geschäftspartnern führen, im Falle einer privaten Reise sogar mit den Kindern spielen, die im Zug viel mehr Auslauf haben als im engen Pkw. Wer Zug fährt, weiß, dass inzwischen viele junge Familien diese Vorteile nutzen. Überhaupt dominiert Jung das Bild im Zug.
Warum aber ist das Auto trotz seiner schlechten Umweltbilanz, trotz seiner Beengtheit und trotz seiner Kostspieligkeit für Geldbeutel und Nerven noch immer so etwas wie ein Halbgott? Es liegt wohl am hohen Grad an Individualismus, den das Auto bietet. Mit dem Auto ist man an keinen Fahrplan gebunden und wählt seine Strecke selbst. Der Fahrer fühlt sich stets als Herr seiner Geschicke, auch wenn er im dicksten Stau sitzt und keinen Meter mehr weiterkommt. Hat der Zug aber Verspätung, fühlt sich der Reisende anderen hilflos und ohnmächtig ausgeliefert.
Doch zurück vom Allgemeinen ins Besondere der Region. Gerolzhofen ist eins der wenigen Mittelzentren in Unterfranken, das keinen Bahnanschluss hat. Gute Erreichbarkeit aber ist ein Kriterium, die ein Mittelzentrum erfüllen sollte. Mit Ausnahme der Buslinie Schweinfurt-Gerolzhofen kann man davon in Gerolzhofen aber nicht sprechen. Ein Bahnanschluss ist im 21. Jahrhundert auch als Standortfaktor unumstritten. Wirtschaftskammern unterstreichen immer wieder die Bedeutung eines attraktiven Bahnanschlusses als Standortfaktor, der bei Ansiedlung von Betrieben sowie der Gewinnung von Kunden und Fachkräften essenziell ist.
Wirtschaftskammern empfehlen Prüfung
Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt sowie die Handwerkskammer für Unterfranken haben sich zumindest für eine ordentliche Prüfung ausgesprochen, ob die Wiederaufnahme des Personenverkehrs zumindest zwischen Schweinfurt und Gerolzhofen sinnvoll ist. Auch derart gewichtige und kompetente Stimmen scheinen einige Kommunalpolitiker komplett zu ignorieren.
Im eingangs zitierten Koalitionsvertrag heißt es, CSU und Freie Wähler wollten dem ausufernden Flächenverbrauch Einhalt gebieten. Auch dazu ist der ÖPNV ein nützliches Instrument. An gut erreichbaren Orten brauchen Unternehmer nämlich nicht für jeden einzelnen Mitarbeiter einen Parkplatz zu bauen, was natürlich Fläche spart.
Zudem bekäme die Region für die Reaktivierung der Bahn eine hohe Investition des Freistaats von 20 Millionen Euro aufwärts sozusagen auf dem Silbertablett serviert. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) würde allerdings im Vorfeld noch einmal prüfen, ob eine Reaktivierung wirklich sinnvoll ist.
Ganz gleich, wie sie ausfällt, die Entscheidung im Stadtrat wird nicht über die Zukunft der Steigerwaldbahn entscheiden. Ein Votum pro Bahn wäre aber ein Signal aus der Region. Vor einer Entwidmung der Strecke hat nach dem Eisenbahngesetz erst eine Anhörung unter anderem des Landkreises zu erfolgen. Ohne sich konkret für die Bahn auszusprechen, hat Landrat Florian Töpper geäußert, ein attraktiver Nahverkehr sei nicht zuletzt im Interesse aller Unternehmen des Wirtschaftsraums Schweinfurt, sei es, um für Auszubildende erreichbar zu sein oder um Kosten für Parkraum zu reduzieren.
Leider ist bei diesen Reisen die Anfahrt nach Würzburg, Schweinfurt oder Bamberg inclusive der Parkplatzsituation vor Ort der aufwändige Teil. Zumindest ich würde die Bahnverbindung auf jeden Fall nutzen.
Dann sollten wir mal anfangen direkt überall eine streckenabhängige Benutzergebühr anzustreben, damit Bau und Unterhalt nicht die Steuerzahler belastet. Von der Kapazität her würden dann oft auch eine Spur ausreichen, dazu dann eben noch Wartebuchten, in Zeiten vollautonomer Fahrzeuge ja durchaus sinnvoll. Den Streckenpreis Geo-Schweinfurt für einen Monat für Autos mit einer Person à 2t dürfen sie direkt selber ausrechnen ;o
Übrigens, der Steuerzahler zahlt ausgerechnet in Geo auch teure Stellplätze für Beschäftigte. Die Stadt wirbt sogar mit kostenlosen Parkplätzen für Besucher... echt böse, oder?
Wer bei uns die Bahn durchsetzen will, stärkt damit nicht unsere ländliche Region. Er schwächt sie sogar, weil wir nicht konkurrieren könnten.
Ich bekomne einen dicken Hals, wenn ich sehe, wie in den Gemeinden, die eine Reaktivierung ablehnen, vorgegangen wurde.
Da wird einerseits mit abenteuerlichen Zahlen gearbeitet, um zu "belegen", dass die Bahn unwirtschaftlich sei und auf die Gemeinden unkalkulierbar hohe Kosten zukämen. Die Wahrheit, dass ihnen der Bahnbetrieb quasi geschenkt wird (von den evtl. notwendigen zuschussfähigen Kosten für den Bau von Bahnübergängen abgesehen), wird bewusst verschwiegen. Dies ist alles andere als rechtsstaatliches Verhalten, für das sich die Bürgermeister schämen sollten.
Andererseits wird vorgetragen, dass die Entwicklung der Kommunen beeinträchtigt sei. Nun liegen hier die Schienen mehr als einhundert Jahre, und so über Nacht "stören" sie überraschenderweise, nur, weil man die Bahn weghaben will.
Auf der Strecke werden hochmoderne Triebwägen fahren und keine Dampfrösser wie in den 1960er Jahren.
Und: der volkswirtschaftliche Schaden, der durch das Herumhängen in Staus entsteht, lässt sich zwar nicht beziffern, ist aber in der Wirkung auch - wenn auch anders - eine Verdummung von Volksvermögen. Dies gilt für Individual- und öffentlichen Verkehr gleichermaßen.
PKW-Maut wird ja bereits eingeführt - der Bund der Steuerzahler wird sich hoffentlich bald beklagen, dass dies im Flatrat-Modell bei gleichzeitiger Reduktion anderer Abgaben erfolgte, aber immer noch arme Milliardäre große Teile ihres Steueraufkommens in kaum befahrenen Landstraßen wiederfinden müssen.