Eines vorneweg: Auch als genereller Bahnfreund kann man der Wiederbelebung der Strecke SW – Gerolzhofen mit einiger Skepsis gegenüberstehen. In den Ballungsräumen sind U- und S-Bahn selbstverständlich bewährte Bestandteile des öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere werktags, wenn die Pendler unterwegs sind. Bei eng getakteten Abfahrtszeiten der Züge alle paar Minuten und attraktiv liegenden Haltestellen gibt es hier keine vernünftige Alternative zur Bahn. Wer dort mit dem Auto fährt, dem ist nicht zu helfen. Doch kann man dieses Erfolgsmodell einfach so in unseren ländlichen Raum zwischen Steigerwald und Main verpflanzen? Ich meine: Nein.
Die Kosten?
Zunächst stellt sich die Frage nach den Kosten. Auch wenn die Gemeinden entlang der Strecke und der Landkreis sich finanziell nur gering an einer Wiederbelebung beteiligen müssten, weil der Freistaat den Großteil der Kosten trägt, bleibt festzuhalten, dass es sich doch um unsere Steuergelder handelt. Die Baukosten für die Reaktivierung der Strecke werden enorm sein, denn seit 30 Jahren ist die Trasse immer mehr vergammelt. Wenn man dort künftig tatsächlich mit modernen Triebwägen mit immerhin 80 km/h fahren will, dann ist dazu technisch ein Reparaturaufwand nötig, der einem Neubau nahekommt.
Gleise, Schotterbett, Brücken und Bahnübergänge müssten modernisiert werden. Eine Sicherheitstechnik entlang der eingleisigen Strecke und elektronische (Fern-)Steuerungen der Weichen fehlen völlig, Schranken, Signale und Warnlichter sind technisch veraltet, inzwischen ausgeschlachtet und gestohlen. Die alten Bahnhöfe sind privatisiert und nicht mehr öffentlich nutzbar, es fehlen an den Haltestellen Unterstellmöglichkeiten für wartende Reisende und große Parkplätze für die Fahrzeuge der Pendler. Und weil immer zwei Triebwägen auf der Strecke pendeln sollen, um den Stundentakt einzuhalten, muss für den Begegnungsverkehr auch noch ein Ausweichgleis geschaffen werden.
Hier gibt es die Gegenposition: Was spricht für die Bahnlinie Schweinfurt-Gerolzhofen?
Dass diese nötigen Investitionen in die knapp 20 Kilometer lange Strecke nur 20 Millionen Euro, als eine Million pro Kilometer Gleis, kosten sollen, mag ich nicht recht glauben. Ich bin kein Ingenieur. Allerdings erscheinen mir Gesamtkosten zwischen 50 und 100 Millionen Euro um einiges realistischer.
Attraktiv für Berufspendler?
Die Strecke macht nur Sinn, wenn sie von Pendlern und Schülern angenommen wird. Und dies Tag für Tag. Für ein ideologisches Prestigeobjekt, das fast leer durch die Landschaft fährt, wäre das Geld zu schade. Die Zahl der Schüler ist allerdings zu vernachlässigen, weil ein Großteil der auswärtigen Kinder, die in Gerolzhofen unterrichtet werden, aus Orten ohne Bahnanschluss kommen. Auch etwaige Urlauber, die von Gerolzhofen aus per Bahn in die Ferien starten, sorgen nicht für eine tägliche Nachfrage. Bleiben also die Berufspendler. Aber ist ein nur einmal pro Stunde fahrender Zug für die Pendler attraktiv? Ich fürchte nicht.
Der Personenverkehr auf der Schiene wurde vor Jahrzehnten nicht aus Böswilligkeit eingestellt, sondern ausschließlich deshalb, weil kaum noch jemand mitfahren wollte. Die Waggons wurden menschenleer, als die Arbeitszeiten immer individueller wurden und die Zahl der Autos zunahm.
Erinnern wir uns: Früher, als es noch starre Schichtzeiten in den Fabriken gab, waren die Züge zu den Schichtwechseln immer voll: vom Zug direkt in die Fabrik und von der Fabrik direkt zum Zug Richtung Heimat.
Heutzutage können viele Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit, von der Kernzeit abgesehen, je nach persönlichem Bedarf individuell gestalten. Es ist ja gerade der Luxus der Gleitzeit, am Morgen auch mal ein paar Minuten später anfangen zu können oder am Nachmittag früher zu gehen, wenn beispielsweise ein wichtiger privater oder familiärer Termin ansteht. Diese Individualität und Selbstbestimmung ist vielen Menschen wichtig.
Fährt man mit dem Zug, wird es mit der Gleitzeit schwierig, denn man ist an die unumstößlichen Abfahrtszeiten gebunden. Wer beruflich oder privat bedingt mal zu spät an den Bahnsteig kommt, muss im schlechtesten Fall dann fast bis zu einer Stunde warten, ehe der nächste Zug geht.
Wo hält der Zug?
Das nächste Problem: Wo hält der Zug? Natürlich klingt es zunächst verlockend, dass man mit der Bahn in 25 oder 30 Minuten stau- und stressfrei von Gerolzhofen nach Schweinfurt fahren kann. Doch: Der Zug hält in Schweinfurt nur an den Bahnhöfen. Der Zug hält leider nicht direkt vor der Arbeitsstelle und auch nicht vor dem Einkaufszentrum. Deswegen sind die angepriesenen 25 bis 30 Minuten Augenwischerei, denn man muss in Schweinfurt noch auf ein anderes Verkehrsmittel, zumeist den Stadtbus, umsteigen, um ans endgültige Ziel zu kommen. Die mögliche Wartezeit am Schweinfurter Busbahnhof und die Fahrzeit im Stadtbus müssen auf die 25 bis 30 Minuten noch aufgeschlagen werden.
Früher mussten viele Arbeiter, nachdem sie in Schweinfurt Hbf angekommen waren, nur die Hauptbahnhofstraße überqueren, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Oder sie überquerten auf dem großen Holzsteg die Gleise und gingen zu Fuß in die Fabriken an der Ernst-Sachs-Straße. Damals gab es die großen Gewerbe- und Industriegebiete im Schweinfurter Maintal noch nicht, wo heute hunderte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Um dorthin zu gelangen, müsste man am Hauptbahnhof oder am Sennfelder Bahnhof ebenfalls erst in eine Anschlussverbindung umsteigen. Nebenbei bemerkt: Diese Busse müssten sich dann auch in den von den Bahnbefürwortern herbeigeredeten Verkehrskollaps einreihen. . .
Auch für Menschen, die zum Einkaufen nach Schweinfurt wollen, bietet sich die Bahn nicht an. Wie will man die großen Möbelhäuser, Gartencenter, Elektronik- und Baumärkte im Maintal erreichen? Mit einer längeren Wanderung vom Sennfelder Bahnhof aus? Kein Wunder also, dass das eigene Auto so beliebt ist. Auch mit dem Auto ist man – zugegeben gelegentlich weniger stau- und stressfrei wie mit der Bahn – in spätestens 30 Minuten in Schweinfurt und kann dann direkt am Arbeitsplatz oder zum Shoppen vor den Einkaufsmärkten in einem der Parkhäuser parken.
Stressfrei ist die Fahrt auch mit dem ÖPNV-Bus. Hier ist das Angebot für Pendler auf der Linie 8160 Oberschwarzach – Gerolzhofen werktags schon heute sehr dicht. Zwei Beispiele: Ein Bus über die Dörfer startet um 5.45 Uhr am Gerolzhöfer Bahnhof und ist 31 Minuten später in der Schweinfurter Innenstadt, weitere 15 Minuten später vor den großen Fabriken im Maintal. Ein Expressbus (über die B 286 direkt nach Schweinfurt) startet um 6.55 Uhr und ist bereits um 7.23 Uhr in der Schweinfurter Innenstadt, wenig später an den Schulen in der Ignaz-Schön-Straße. Mit dem Zug samt Umsteigen am Hauptbahnhof wäre dies zeitlich nie zu schaffen.
Und nicht zu vergessen: Es gibt auch in Gerolzhofen schon heute mehrere Bushaltestellen – und nicht nur eine zentrale Abfahrtsstelle am Bahnhof für den Zug. Stellt sich die entscheidende Frage: Warum also sollen die Leute künftig mit dem Zug fahren, wenn schon heute das (bessere) Bus-Angebot nicht angenommen wird?
Elektromobilität ausbauen
Wird es künftig tatsächlich so sein, dass ein Pendler aus dem Raum Oberschwarzach aus Gründen des Umweltschutzes erst per Zubringerbus (die soll es ja zusätzlich zur Bahn geben) nach Gerolzhofen zum Bahnhof fährt, dann mit dem Zug nach Schweinfurt und dort mit dem Stadtbus zum Arbeitsplatz? Oder dass ein Donnersdorfer nicht die A70 nutzt, sondern freiwillig einen Zubringerbus zum Bahnhof Grettstadt? Unwahrscheinlich. Unser ländliche Raum mit seinen kleinen Ortschaften braucht kein Massentransportmittel wie den Zug, sondern den Individualverkehr mit dem Auto und kleine, abrufbare ÖPNV-Lösungen. Und genau dort sollten die Millionen eingesetzt werden: in den Ausbau der Elektro- und Wasserstoffmobilität und das autonome Fahren.
Gerolzhofen ist die einzige Stadt im Landkreis Schweinfurt – und ist dennoch nicht per Bahn erreichbar.
Städte mit Bahnanschluss haben Bedeutung, wie man nicht nur an unterfränkischen Städten mit Kreissitz sehen kann.
Selbst von den12 anderen ehemaligen Kreisstädten in Unterfranken haben 8 noch ihren Bahnanschluss bewahrt und werden im Bayern-Takt bedient.
30 der 45 unterfränkischen Städte haben Bahnhalte.
Die Städte ohne Bahnanschluss haben mit einer Ausnahme weniger Einwohner als GEO, viele nicht mal die Hälfte!
Durch die von der CSU initiierte Gebietsreform hatte Gerolzhofen den Status der Kreisstadt verloren;
nun will vor allem die CSU-Fraktion auch den eigenen Bahnanschluss endgültig kappen statt ihn sich modern ausbauen zu lassen!
Wie kann man den Bedeutungsverlust seiner Stadt so vorantreiben?!
https://www.insuedthueringen.de/region/schmalkalden/Bahn-leitet-Schmalkalden-Express-nach-Suhl-und-Meiningen-um;art83450,6384166
Wohl auch klar mit Steuern bezuschusst, nur dafür müssen auch die Pendler mit der Bahn in die Ballungszentren anreisen, sonst verstopfen die dort die Straßen und parken den Bewohnern die Straßen zu.
Das ist doch alles gejammer auf höchsten niveau-es wird genauso ein flop wie der hauptstadtflughafen-elbchaussee hamburg oder geomaris u.s.w. Ein neuer eintrag für das schwarzbuch steuerverschwendung. Gruss wanderer
als täglicher MP Leser bin ich enttäuscht über einen derart schlecht geschriebenen und recherchierten Artikel. Sie schreiben mehrmals, dass sie die eigentlichen Fakten nicht so richtig kennen und stellen dann mit ihrem Halbwissen waghalsige Thesen einfach in den leeren Raum.
Völlig unabhängig ob pro oder contra Bahn, ist ein derartig schlechter Artikel der Mainpost nicht würdig.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Braun
bei dem hinweis, das es früher starre schichtzeiten gab und heute (anscheinend) nicht mehr musste ich schmunzeln, ich arbeite seit mehr als 29 jahren im schichtbetrieb und hatte bisher noch nie gleitzeit, und daran wird sich auch nichts ändern.
die sorge um unsere steuergelder kann ich auch nicht so recht verstehen.
wenn ich mir momentan ansehe was für den ausbau der b286 so verbuddelt wird, 4,3 kilometer für 43 millionen € zwischen schwebheim und sw, sowie weitere mio. steuergelder für die tollen überholstreifen usw. die dann noch mehr verkehr anziehen und auch unterhalten werden müssen.
hat man etwa angst, das die bahnlinie am ende profitabel ist?
wenn in naher zukunft die max- und hahnenhügelbücke neu gebaut werden dürfte das ein weiterer pluspunkt für die strecke geo-sw sein.
und, autonomes fahren gibt es bereits: mit bus UND bahn!