Bei der Patientenversorgung auf der Intensivstation sticht in der Covid-19-Pandemie ein Element hervor: das Beatmungsgerät. Bei schweren Verläufen wird die Lunge so stark geschädigt, dass eine technische Unterstützung der Atmung notwendig wird: zunächst nur durch zusätzliche Sauerstoff-Gaben, später auch durch künstliche Beatmung.
Die Entwicklung der Geräte zur Langzeitbeatmung von Intensivpatienten wurde durch eine andere Pandemie ausgelöst: die Kinderlähmung (Poliomyelitis, kurz Polio). Die Schweinfurter Firma Schuster & Schmidt zählte zu den Erbauern der in den 1950er Jahren eingesetzten Eisernen Lunge. Und so ist auch die Dokumentation zur künstlichen Beatmung des Medizinhistorischen Museums Ingolstadt mit der Eisernen Lunge für Kinder von Schuster & Schmidt, Modell FMS Respirette, Jahrgang 1952 bebildert. Ein FMS Respirator steht heute im 765 Quadratmeter großen städtischen Museumsdepot in der Adolf-Ley-Straße und wartet auf die Präsentation in dem seit Jahrzehnten diskutierten Industriemuseum.
In den 1950er Jahren breitete sich das Poli-Virus in Europa und USA aus. Es gab keine Impfung, kein Medikament. Schwere Verläufe führten zur Atemnot, aber nicht durch Schädigung der Lunge (wie bei Covid-19), sondern durch Lähmung der Atemmuskulatur. Die Betroffenen überlebten nur durch den Einsatz einer Maschine, die die Atmung übernahm. Als erster hatte diese der Amerikaner Philip Drinker Ende der 1920 Jahre entwickelt. 20 Jahre später wurde sie für viele Menschen lebenswichtig.
Luftdichter Abschluss
Auch in die Eiserne Lunge aus Schweinfurt war der Patient so gebettet, dass nur der Kopf herausschaute. Die vom Kulturforum verwahrten Dokumente belegen, dass am Hals des Patienten eine Manschette für einen luftdichten Abschluss sorgte. Im Inneren der Maschine wechselte der Luftdruck rhythmisch. Ein hoher Druck presste die Luft aus dem Brustkorb, sinkender Druck dehnte den Brustkorb und die Lunge füllte sich. Die Kranken blieben bis zum Abklingen der Lähmung der Atemmuskulatur in der Eisernen Lunge. Gelang dies nicht, waren die Betroffenen ein Leben lang auf die Maschine angewiesen. So musste die Australierin June Middleton über 60 Jahre täglich 21 Stunden in einer Röhre liegen, die ihr das Atmen ermöglichte. Die Eiserne Lunge hielt sie seit einer Polio-Erkrankung im Jahr 1949 am Leben, ehe sie im Alter von 83 Jahren verstarb.
Die Atemfrequenz beim FMS-Respirator OK 49, Type 3 von Schuster & Schmidt (heute FMS, Fränkischer Maschinen- und Stahlbau, Gochsheim) war von sieben bis 45 Atemzüge stufenlos einstellbar. Ebenfalls flexibel waren die Frequenzen für das Ein- und Ausatmen vorzugeben. Auf Wunsch wurde der Respirator kippbar geliefert. Auch erlaubte die mit einer Maskenbeatmung über die oberen Luftwege ausgestattete Maschine die gleichzeitige Behandlung von zwei Patienten. Einsatzgebiete waren neben der Atemlähmung der Starre Thorax (Brustkorb) und Asthma.
Wie die künstliche Beatmung heute funktioniert, erklärt der Würzburger Pneumologe Dr. Matthias Held auf Anfrage. Bei der nicht-invasiven Methode wird Patienten über eine dicht abschließende Maske (über Nase oder über Mund und Nase) mit leichtem Überdruck Sauerstoff zugeführt. Dabei sind die Betroffenen bei Bewusstsein und atmen zum Teil selbstständig. Bei der invasiven Beatmung wird ein Schlauch (Tubus) über den Mund in die Luftröhre eingeführt. Ein Beatmungsgerät pumpt darüber Luft mit einem festgelegten Druck und Rhythmus in die Lunge. Der Patient liegt dabei in einem künstlichen Tiefschlaf. Reicht auch die invasive Methode nicht aus, gibt es noch die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO). Dabei wird das Blut außerhalb des Körpers in einer Maschine mit Sauerstoff angereichert und dann ins Blutgefäßsystem zurückgeleitet.
Ein Covid-Erkrankter mit Sauerstoffunterversorgung werde primär mit normalem Sauerstoff versorgt, so Lungenspezialist Matthias Held. Wenn das nicht helfe, komme eine High-Flow-Therapie (höherer Luftfluss mit extra gesteuerter Sauerstoffzufuhr) zum Einsatz, im nächsten Schritt die nicht-invasive Maskenbeatmung und schließlich die invasive Beatmung. Nur in wenigen Fällen müsse man auf die ECMO zurückgreifen.